Organisationshöhe

Betrachtet man den Evolutionsprozess, wie er von den Anfängen bis zu den rezenten Organismen verlaufen ist, so lassen sich gewisse Tendenzen feststellen.
Im Zuge der Evolution ist allgemein eine Komplizierung des Baues von Organismen zu verzeichnen. Hierzu gehören neben der Differenzierung in verschiedene Gewebe und Organe mit zunehmender Leistungsfähigkeit auch eine Zentralisierung wesentlicher Strukturen sowie deren Verlagerung ins Innere mit dem Ziel, die Abhängigkeit von äußeren Umweltfaktoren zu verringern.
Vielfach werden solche Entwicklungstendenzen in Form von sogenannten Progressionsreihen. Diese Reihen, die sich für Kreislaufsysteme, Atmungsorgane, Gehirne usw. aufstellen lassen, sind aber nicht so aufzufassen, als wenn sich eine Struktur jeweils aus der vorher abgebildeten entwickelt hätte.

Zunehmende Differenzierung bei Tieren

Die Progressionsreihe der Atmungsorgane von Lurchen, Kriechtieren und Säugetieren zeigt eine zunehmende Vergrößerung der für den Gasaustausch in der Lunge verfügbaren Fläche.
Diese Oberflächenvergrößerung wird durch zunehmende Ausbuchtung und Auffaltung des Lungengewebes erreicht.

Was bei solchen Progressionsreihen oft übersehen wird, sind gewisse Aspekte, die nicht so schön ins Bild passen, z. B.:

  • Die Lurche führen einen Großteil ihrer Atmung nicht über die Lunge, sondern über die Haut aus.
  • Die Leistungsfähigkeit der Vogellunge übersteigt die der Säugetiere deutlich, denn Vögel werden noch in Höhen fliegend (!) angetroffen, in denen Menschen nur noch mit Sauerstoffgeräten körperliche Anstrengungen verrichten könnten.

Diese Tatsache passt deshalb nicht so recht in das Bild der Progressionsreihen, weil man eine Abfolge Lurche , Kriechtiere, Vögel, Säugetiere im Zuge der „Höherentwicklung“ erwarten würde.

Zunehmende Zentralisierung der Nervensysteme

Ein klassisches Beispiel zur Verdeutlichung der Zentralisierung bieten die Nervensysteme verschiedener Tiergruppen. Während einfache Nervensysteme, z. B. das der Schwämme oder des Süßwasserpolypen, kaum differenziert, sondern eher netzartig aufgebaut sind, zeigen die Nervensysteme der Insekten schon eine Differenzierung, sie besitzen ein Strickleiternervensystem. Aufgrund der Lage auf der Bauchseite wird es als Bauchmark bezeichnet. Dabei treten neben den Nervenverbindungen auch Nervenknoten auf, die im Kopfbereich meist eine besonders deutliche Ausprägung in Form eines großen Knotens (Oberschlundganglion) erfahren.
Eine noch stärkere Differenzierung findet man bei den Wirbeltieren, z. B. Hund, Katze und dem Menschen, wo neben dem peripheren Nervensystem ein Zentralnervensystem (ZNS) existiert. Dieses Zentralnervensystem wird in Gehirn und Rückenmark unterteilt. Diese Zentralisierung mit der weiteren Differenzierung des Großhirns innerhalb der Wirbeltiere und beim Menschen ist die Voraussetzung für die komplexen Lern- und Gedächtnisleistungen der Tiere und des Menschen.

Differenzierung und Zentralisierung des Blutgefäßsystems

Ein weiteres Beispiel für die Differenzierung und Zentralisierung, verbunden mit einer Leistungssteigerung, veranschaulichen die Blutgefäßsysteme. Bei zahlreichen wirbellosen Tieren, z. B. den Insekten und Weichtieren, fließt das Blut, das aus dem einfach gebauten Herzen gepumpt wird, nur eine kurze Strecke in einigen ableitenden Gefäßen, die offen in Gewebsspalten enden. Das Blut strömt durch weitere Gewebsspalten in den Körper und umfließt die Organe. Durch enge Gewebsspalten fließt das Blut wieder zum Herzen zurück. Solch ein Kreislaufsystem wird offenes Blutgefäßsystem oder offener Blutkreislauf genannt.

Differenzierung und Zentralisierung der Nervensysteme

Differenzierung und Zentralisierung der Nervensysteme

Organisationshöhe - Differenzierung des Nervensystems

Die Wirbeltiere und der Mensch haben ein geschlossenes Blutgefäßsystem, d. h. einen geschlossenen Blutkreislauf. Das vom Herzen angetriebene Blut fließt in Arterien in den Körper. Die Arterien verzweigen sich in feinste Blutkapillaren. In den Blutkapillaren erfolgt der Gasaustausch. Sie vereinigen sich zu Venen, die das Blut wieder dem Herzen zuführen. Das geschlossene Blutgefäßsystem ist also ein geschlossenes Röhrensystem, in dem das Blut kreist.

Der Blutkreislauf der Fische ist einfach. Das Herz besteht aus einem Vorhof und einer Herzkammer. Das sauerstoffarme und mit Kohlenstoffdioxid angereicherte Blut gelangt in der Körpervene zum Vorhof, anschließend in die Herzkammer. Diese pumpt das Blut in die Kiemen. Dort erfolgt der Gasaustausch. Das mit Sauerstoff angereicherte Blut strömt in der Körperarterie zu den Organen. Dort erfolgt wiederum der Gasaustausch. Das nun mit Kohlenstoffdioxid angereicherte Blut fließt in der Körpervene wieder zurück zum Herzen.

Die landlebenden Wirbeltiere, die Lurche, Kriechtiere, Vögel und Säugetiere sowie der Mensch, atmen durch Lungen. Es hat sich neben dem Körperkreislauf ein Lungenkreislauf herausgebildet. Deshalb wird gesagt, diese Lebewesen besitzen einen doppelten Blutkreislauf. Damit steht das aus zwei Hälften bestehende Herz in Beziehung. Aus der rechten Hälfte gelangt das Blut zur Lunge, aus der linken Hälfte in den Körper.

Bei den Lurchen (Amphibien) gibt es zwei Vorhöfe und nur eine Herzkammer. Das sauerstoffreiche Blut strömt aus der Lunge in die linke Vorkammer, von dort ins Herz. Das kohlenstoffdioxidreiche Blut gelangt aus dem Körper in die rechte Vorkammer, von dort ebenfalls ins Herz. In der ungeteilten Herzkammer findet eine Durchmischung des Blutes statt. In den Körper wird Mischblut gepumpt.

Bei den Kriechtieren (Reptilien) wird die Herzkammer teilweise in zwei Hälften getrennt. Dadurch wird die Durchmischung des Blutes eingeschränkt. Aus der Herzkammer entspringen drei Adern. Die rechte Ader führt mit Kohlenstoffdioxid angereichertes Blut zur Lunge, die linke Ader transportiert sauerstoffreiches Blut in den Körper. Sie vereinigt sich mit der mittleren Ader, die Mischblut enthält, zur Körperarterie.

Bei den Vögeln, Säugetierenund dem Menschen ist das Herz vollständig in zwei Vorkammern und zwei Herzkammern getrennt. Das aus der Lunge kommende sauerstoffreiche Blut und das mit Kohlenstoffdioxid angereicherte Blut aus dem Körper vermischen sich nicht. Lungenkreislauf und Körperkreislauf sind vollständig getrennt.
Aus der linken Herzkammer entspringt die Körperarterie, die den Körper mit seinen Organen und Zellen mit Sauerstoff versorgt. Die rechte Herzkammer pumpt das in der Körpervene aus dem Körper kommende kohlenstoffdioxidangereicherte Blut zur Lunge. Dort erfolgt der Gasaustausch.

Differenzierung der Gewebe bei Moos-, Farn- und Samenpflanzen

Auch innerhalb der Pflanzen ist eine Differenzierung und Zentralisierung von Strukturen festzustellen.
Im Verlauf der Stammesgeschichte haben sich beispielsweise besondere Leitgewebe mit auffälligen Zellelementen in den Sprossachsen höherer Pflanzen herausgebildet.

Die Moose besitzen demgegenüber nur einen unzureichenden Verdunstungsschutz und kein oder nur schwach entwickeltes Leit- und Festigungsgewebe. In ihrem äußeren Bau sind sie in Moosblättchen, Moosstämmchen und Rhizoid gegliedert. Durch Moose werden überwiegend feuchte Standorte besiedelt.

Die Farnpflanzen und Samenpflanzen weisen neben der Gliederung in die Grundorgane Blatt, Sprossachse und Wurzel zunehmend differenzierte Abschlussgewebe, Wasseraufnahme- und Leitungsgewebe sowie Festigungsgewebe auf.
Die Gewebe in den Sprossachsen der verschiedenen Pflanzengruppen sind aber unterschiedlich stark differenziert.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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