Prinzip der Zentralperspektive
Die Perspektive (lat. perspicere = genau ansehen) beschäftigt sich mit der Wiedergabe des optischen Eindrucks von räumlichen Gegebenheiten mittels eines konstruktiven geometrischen Systems.
Wiedergabe räumlicher Gegebenheiten
Künstler der Renaissance fanden, in Anlehnung an antike Anregungen des EUKLID (um 300 v.Chr., Schriften über die Optik) und VETRUV (1. Jahrhundert v.Chr.; römischer Baumeister, schuf 10 Bücher über die Architektur), die erste exakte geometrische Lösung für einen perspektivischen Bildaufbau.
Als Begründer der mathematisch berechneten Perspektivkonstruktion gelten FILIPPO BRUNELLESCHI (1377–1446; Florentiner Baumeister, der Grund- und Aufriss zur perspektivischen Konstruktion verwendet haben soll) und LEON BATTISTA ALBERTI (1404–1472; Florentiner Architekt und Theoretiker, „Drei Bücher über die Malerei“). Ein Lehrbuch zur Perspektive gab der Maler PIERO DELLA FRANCESCA (1410/20–1492, umbrischer Maler, Buch namens „De prospectiva [= Durchblick] pingendi“) heraus. Der erste Maler, der die zentralperspektivische Konstruktion konsequent in der Malerei umsetzte, war MASACCIO (1401–1428; Florentiner Maler).
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Masaccio - © 2003 The Yorck Project
Von LEONARDO DA VINCI stammt die umfassendste Perspektivtheorie, die sich auf mathematische Berechnungen, optische Kenntnisse und geometrische Konstruktionsverfahren stützt.
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Albrecht Dürer - © 2003 The Yorck Project
ALBRECHT DÜRER baute als erster Zeichenmaschinen, um die Entwicklung der perspektivischen Darstellungen zu verdeutlichen. Die Holzschnitte zeigen das Prinzip des Glastafelverfahrens. Der Künstler arbeitet mithilfe eines quadratischen Netzrahmens, eines Zeichenblattes und einer Visierstange.
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Albrecht Dürer - © 2003 The Yorck Project
Zentralperspektivische Ansicht
Durch die zentralperspektivische Ansicht soll ein Erscheinungsbild der Realität erstellt werden, das der Wahrnehmung des menschlichen Auges am nächsten kommt. Es ist von einem Standpunkt aus erstellt, den der Betrachter einnimmt.
Außerdem berücksichtigt es die Sinnestäuschung, dass Objekte mit zunehmender Entfernung kleiner erscheinen und die parallel in die Tiefe führenden Linien, die Fluchtlinien, sich in einem zentralen Punkt, dem sogenannten Fluchtpunkt, scheinbar treffen, obwohl sie weiterhin parallel zueinander bleiben. Gleich große Abstände von in die Tiefe gehenden Geraden verringern sich progressiv mit zunehmender Tiefe des Raumes.
Die Zentralperspektive wird auch Linearperspektive genannt (beide Bezeichnungen meinen das Gleiche, zum einen die Körper- und Raumdarstellung und zum anderen die Linie als formales Mittel der Darstellung).
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Albrecht Dürer - © 2003 The Yorck Project
Das Prinzip der Zentralperspektive
Obwohl der Mensch mit zwei Augen sieht, geht man bei der Perspektivkonstruktion vom einäugigen Sehen aus. Das sogenannte Glastafelverfahren kann das Prinzip der Zentralperspektive veranschaulichen.
Der Betrachter nimmt einen Standpunkt auf der Grundebene ein, auf der auch der abzubildende Körper steht. Zwischen Körper und Betrachter verläuft als rechtwinklige Schnittlinie zwischen Bildebene und Grundebene die untere Bildlinie. Auf der Bildebene liegt in Augenhöhe des Betrachters parallel zur Bildlinie die Horizontlinie. Wo der Hauptsehstrahl die Horizontlinie trifft, befindet sich der Augenpunkt (= Fluchtpunkt).
Die Lichtstrahlen, die ein beleuchteter Körper reflektiert, hier Sehstrahlen genannt, treffen auf das Auge. Zieht man von jedem Oberflächenpunkt des Körpers einen Sehstrahl zum Auge, entsteht eine „Sehpyramide“. (Für die Linienzeichnung sind nur die Sehstrahlen zu den Eckpunkten wichtig.)
Auf der Bildebene (als Glasscheibe gedacht) ergeben die Schnittpunkte der Sehstrahlen mit der Ebene (Glasscheibe) den jeweiligen Punkt des Körpers als Bild. Eine zweidimensionale verkleinerte Projektion des Körpers ist als Gesamtheit der Schnittpunkte entstanden.
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Walter-Maria Scheid - Walter-Maria Scheid, Berlin
Erläuterung wichtiger Begriffe:
- Augenpunkt: Punkt in Augenhöhe des Betrachters, senkrecht über dem Standpunkt, durchschnittlich bei 1,60 m angenommen.
- Bildlinie: Linie, auf der die Bildebene senkrecht zur Grundebene steht.
- Fluchtlinien: in die Tiefe gehende Kanten eines Körpers oder Ecken eines Raumes, die sich in einem bzw. zwei Fluchtpunkten treffen.
- Fluchtpunkt: zentraler Punkt auf der Horizontlinie, in dem alle Fluchtlinien zusammenlaufen.
- Grundebene: Standfläche, auf der der Betrachter steht.
- Hauptsehstrahl: kürzester Abstand zwischen Auge und Bildebene, auch Distanz.
- Sehachse: Abstand zwischen Betrachter und Bildebene.
- Sehstrahlen: gedachte Linien zwischen Augenpunkt und den Körperpunkten.
Um starke Verzerrungen zu vermeiden, besagt eine Künstlerregel, dass der an sich frei zu wählende Abstand zwischen Betrachterstandpunkt und Bildebene ungefähr die zweifache Breite des darzustellenden Gegenstandes betragen sollte. Je größer die Entfernung ist, um so größer wird das Bild und umgekehrt.
Darstellungen in der Zentralperspektive sind im Gegensatz zu technischen Zeichnungen, wie Grund- und Aufrissen von Architekturzeichnungen, sehr subjektiv. Das perspektivische Bild ändert sich je nach Augenhöhe des Betrachters, Bildausschnitt, Distanz zur Bildebene und zum Körper. Der Künstler wählt nach rein ästhetischen Kriterien, während der Architekt oder technische Zeichner eine optimale körperhaft-räumliche Anschaulichkeit auf der Fläche vermitteln will.
Mit der Zentralperspektive lassen sich nur geometrische Körper genau darstellen. Alle anderen Objekte müssen auf geometrische Grundformen zurückgeführt werden, um sie perspektivisch zu konstruieren, oder freihändig, möglichst wahrnehmungsgetreu gezeichnet werden. Das folgende Schema zeigt sowohl die Vogel- als auch die Froschperspektive:
Ist die Horizontlinie und damit der Betrachterstandpunkt sehr hoch, spricht man von Vogelperspektive (Aufsicht), liegt sie extrem niedrig im Bild, handelt es sich um die Froschperspektive (Untersicht).
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Masaccio - © 2003 The Yorck Project
Bei der Einfluchtpunktperspektive (in der Kunst meist Zentralperspektive genannt) steht ein Körper parallel zur Bildebene (deshalb auch der Begriff Frontalperspektive).
Alle horizontalen und vertikalen Parallelen bleiben erhalten, nur die in die Tiefe gehenden Parallelen laufen auf einen Fluchtpunkt auf der Horizontlinie zu.
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Walter-Maria Scheid - Walter-Maria Scheid, Berlin
Mittels Zweifluchtpunktperspektive (auch Übereck- oder Normalperspektive genannt) werden quaderförmige Körper dargestellt, die schräg zum Betrachter (über Eck) stehen.
Die vordere Kante läuft parallel zur Bildebene. Alle nicht senkrechten Kanten konvergieren zu den beiden Fluchtpunkten auf der Horizontlinie, die linke Fläche zum linken und die rechte Fläche zum rechten Fluchtpunkt. Es gibt keinen rechten Winkel mehr. Dabei bleiben die vertikalen Parallelen erhalten und verkürzen sich progressiv.
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Canaletto - © 2003 The Yorck Project
Weiterhin gibt es die Dreifluchtpunktperspektive, bei der der Betrachter auf einen Eckpunkt des rechtwinkligen Körpers sieht.
Alle in der Realität vorhandenen Parallelen verlaufen in drei verschiedene Richtungen zu je einem Fluchtpunkt.
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