Entwicklungspolitik und Ziele
Entwicklungspolitik bewegt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen außenwirtschaftlichen sowie außen-, sicherheits- und finanzpolitischen Interessen einerseits und spezifischen, an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientierten Zielen andererseits.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein Wandel in der Entwicklungspolitik von der Nord-Süd-Zusammenarbeit in Richtung auf internationale Kooperation zur Lösung globaler Probleme vollzogen.
Das Leitbild nachhaltiger Entwicklung besteht darin, die geringer werdenden finanziellen Mittel auf die Bewältigung globaler Probleme mit hohem Risiko zu konzentrieren.
Entwicklungspolitik als globale Strukturpolitik
Ende des Ost-West-Konflikts
Bis zum Ende des Ost-West-Konflikts war die Entwicklungspolitik vor allem durch politische Konkurrenz zwischen den beiden Weltmächten und durch Eigeninteressen der „Geber“-Länder geprägt. Seit Anfang der 1990er-Jahre haben sich die entwicklungspolitischen Rahmenbedingungen grundlegend gewandelt:
- Entwicklungspolitik verlor ihre geostrategische Bedeutung für die Außen- und Sicherheitspolitik.
- Marktwirtschaft und Freihandel setzten sich weltweit durch.
- Die weltwirtschaftlichen Beziehungen veränderten sich im Zuge fortschreitender Globalisierung.
Das ging mit einer „Sinn- und Rechtfertigungskrise“ der Entwicklungspolitik einher. Teilweise nachlassendes Engagement von Politikern für diesen Bereich, größere Zurückhaltung der Bürger und vor allem sinkende Entwicklungshilfeetats der meisten OECD-Länder sind Indizien dafür.
Die UN-Vollversammlung stellte 1970 das Ziel, dass die Industrieländer jährlich 0,7 % ihres Bruttosozialprodukts (BSP) als Entwicklungshilfe für die Länder der Dritten Welt bereitstellen. Dieses Ziel erreichen jedoch nur noch wenige Länder.
Auch der Anteil Deutschlands an den Entwicklungshilfeleistungen bleibt hinter dem Ziel der UN zurück. Sein Anteil ist seit 1980 deutlich gesunken, hat sich aber in den letzten Jahren auf niedrigem Niveau stabilisiert.
Entwicklungspolitik im Wandel
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein Wandel in der Entwicklungspolitik von der Nord-Süd-Zusammenarbeit in Richtung auf internationale Kooperation zur Lösung globaler Probleme vollzogen.
Phasen | Zeitraum | Ziele/Schwerpunkte |
1. Phase | bis Anfang der 1980er- Jahre | Kooperation zur Verbesserung der Entwicklungsbedingungen in den Ländern der Dritten Welt durch Wissens- und Finanztransfer von Nord nach Süd, um Wirtschaftswachstum und verschiedene Ausbildungsprogramme zu fördern („Geber-Nehmer“-Konstellation, z. T. verknüpft mit „Belehrungskultur“) |
2. Phase | Mitte der 1980er-Jahre |
|
3. Phase | seit den 1990er- Jahren |
|
Nachhaltigkeit der Entwicklungspolitik
Die sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts abzeichnenden entwicklungspolitischen Anforderungen und Prioritäten münden in die Aufgabe, eine globale Strukturpolitik zu betreiben.
Das bedeutet, politische Maßnahmen verschiedener staatlicher Ebenen auf eine Gestaltung der Wirtschaftsstruktur zu richten, die den Veränderungen im Globalisierungsprozess gerecht wird. Maßnahmen zur Entwicklung von Infrastruktur, Raumordnung und Finanzpolitik (steuerpolitische Investitionsanreize oder direkte Subvention) sind darin eingeschlossen.
Das Leitbild nachhaltiger Entwicklung besteht darin, die geringer werdenden finanziellen Mittel auf die Bewältigung globaler Probleme mit hohem Risiko zu konzentrieren. Das sind die Aufgabenbereiche:
- Bekämpfung der Armut,
- Eindämmung der Umweltzerstörung,
- friedenssichernde Konfliktprävention.
Das Konzept der globalen Strukturpolitik ist an den vier Zieldimensionen
- soziale Gerechtigkeit,
- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,
- ökologisches Gleichgewicht und
- politische Stabilität
orientiert. Unter dieser Sicht wurden im Rahmen der Weltkonferenzen der 1990er-Jahre und beim Millenniumsgipfel sieben konkrete internationale Entwicklungsziele für die nächsten Jahre vereinbart.
Handlungsfeld | Ziel | Zeitraum |
Armuts- bekämpfung | Halbierung der Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen | bis 2015 |
soziale Entwicklung |
|
|
ökologische Nachhaltigkeit | Umsetzung der nationalen Strategien für nachhaltige Entwicklung und Umkehr der Trends der Umweltzerstörung auf nationaler und globaler Ebene | bis 2015 |
Strukturveränderungen
Um Nachhaltigkeit zu bewirken, muss Entwicklungspolitik zu Strukturveränderungen
- sowohl innerhalb der Entwicklungsländer
- als auch im internationalen Rahmen
führen. Für die inneren Strukturveränderungen tragen die betroffenen Länder die Hauptverantwortung, für notwendige Reformen der internationalen Finanz- und Handelsstrukturen vor allem die OECD-Länder, die die Weltwirtschaft dominieren.
Gemeinsame Verantwortung des Nordens und Südens
Globale Strukturpolitik fordert von allen Gesellschaften Veränderungen im Bewusstsein und Verhalten. Sonst sind die bestehenden Interessengegensätze zwischen Nord und Süd nicht zu überwinden.
Von den Industrieländern müssen die entscheidenden Schritte ausgehen, da sie die Weltwirtschaft prägen. Ihre Beiträge für eine gemeinsame Weltordnungspolitik (Global Governance) bestehen vor allem darin,
- faire weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Entwicklungsländern die gleichberechtigte Teilnahme an den Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung zu ermöglichen,
- die weltweite Armut und Ungerechtigkeit sowie die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts einzudämmen und den Globalisierungserfordernissen mit der aktiven Gestaltung einer sozial und ökologisch orientierten Marktwirtschaft zu entsprechen.
Angesichts der schrumpfenden Entwicklungsetats ist darüber hinaus die Suche nach neuen Formen partnerschaftlicher Zusammenarbeit notwendig. Ohne die gewaltigen Ressourcen der Global Players und ohne das Engagement der zunehmend transnational agierenden NGOs sind die vielfältigen globalen Entwicklungsprobleme nicht zu bewältigen. Globale Politiknetze, die
- Staaten,
- internationale Organisationen,
- Unternehmen und
- NGOs
zusammenführen, bilden Ansatzpunkte für eine Entwicklungspolitik, die den Erfordernissen der Globalisierung entspricht. Das schließt ein, die nationale Entwicklungspolitik besser mit der europäischen und globalen Ebene zu koordinieren und zu vernetzen.
-
D. Ruhmke, Berlin
Suche nach passenden Schlagwörtern
- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
- Global Governance
- UNO
- ökologisches Gleichgewicht
- dritte Welt
- globale Strukturpolitik
- Entwicklungshilfeleistungen
- soziale Gerechtigkeit
- Entwicklungspolitik
- UN-Vollversammlung
- Konfliktprävention
- Industrieländer
- Länder der Dritten Welt
- politische Stabilität
- Umweltzerstörung