Machtübertragung an Hitler

Von der parlamentarischen Demokratie zum Notverordnungsstaat

Von 1919 bis 1930 war das Deutsche Reich eine parlamentarische Demokratie. Seit 1930 wurde aufgrund der Notverordnung das Deutsche Reich autoritär regiert. In den Jahren bis 1933 gab es vier Regierungen. Diese Regierungen waren Präsidialkabinette, die ohne parlamentarische Mehrheiten mit Notverordnungen des Reichspräsidenten nach Artikel 48 der Weimarer Verfassung arbeiteten. Verlangte das Parlament die Aufhebung der Notverordnung, konnte der Reichspräsident von HINDENBURG das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. So wurde entsprechend dem Artikel 25 der Verfassung von 1930 bis 1933 viermal der Deutsche Reichstag gewählt.
In der „Republik ohne Republikaner“ konnten sich wegen der Uneinigkeit der bürgerlichen Parteien und der SPD republikfeindliche Rechtsparteien und -gruppierungen 1931 zu einem Bündnis zusammenschließen. Dabei handelte es sich um die NSDAP, DNVP, den Stahlhelm und andere, die die sogenannte „Harzburger Front“ bildeten. Auch die Linksparteien und -gruppierungen blieben untereinander zerstritten. Besonders tragisch war die Uneinigkeit zwischen den beiden Arbeiterparteien SPD und KPD.

Wirtschaftskrise in Deutschland

1931 hatte die Wirtschaftskrise Deutschland voll erfasst. Die Regierung unter Reichskanzler BRÜNING von 1930 bis 1932 versuchte die Auswirkungen der Krise durch drastische Sparmaßnahmen zu lindern. Obwohl die Zahl der Arbeitslosen stieg und damit die staatlichen Ausgaben, versuchte BRÜNING einen ausgeglichenen Haushalt zu erarbeiten. Das erreichte er dadurch, dass mehrmals die Gehälter im öffentlichen Dienst gekürzt wurden, aber Steuern und Beiträge für die Arbeitslosenversicherung wurden erhöht. Gleichzeitig senkten die Wirtschaftsunternehmen die Löhne und entließen weiterhin Arbeiter und Angestellte. Die Folge war, dass die Kaufkraft immer mehr sank und somit die Krise sich weiter verschärfte.
Vor allem Menschen aus dem Mittelstand und aus dem Kleinbürgertum, aber zunehmend auch Arbeiterinnen und Arbeiter hörten in der für viele ausweglosen Lage immer mehr auf die einfachen und radikalen Parolen der Rechtsparteien und hier besonders der NSDAP. Diese versprachen die Lösung aller Probleme, so versprachen sie den Arbeitslosen Arbeit und Brot, den Bauern höhere Preise für ihre Produkte, den Vertretern der Wirtschaft die rigorose Bekämpfung der Arbeiterbewegung. Vor allem appellierten sie an das Selbstbewusstsein der Deutschen, indem sie versprachen, der „Schmach von Versailles“ ein Ende zu bereiten. Ein größerer Lebensraum solle dem deutschen Volk erwachsen, die Juden als das „Hauptübel“ des deutschen Volkes bekämpft werden. Endlich solle die Frau wieder „glücklich als Hausfrau und Mutter“sein, und der Jugend wurde eine großartige Perspektive prophezeit. Hauptziel war aber ein „großes germanisches Reich“.

Gewalt – Mittel der Politik

Am 1. Juni 1932 wurde die Regierung PAPEN–SCHLEICHER als Nachfolgerin der Regierung BRÜNING gebildet. Auch PAPEN regierte mit dem Artikel 48 der Verfassung. Sein stärkster Rückhalt war die Reichswehr, deren Minister SCHLEICHER in seinem Kabinett gleichzeitig Innenminister war.
Unter der Regierung PAPEN wurde das Verbot des Eintritts von Nationalsozialisten in die Reichswehr aufgehoben, und am 16. Juni wurde das Verbot der SA und SS aufgehoben. Der Terror gegen KPD, SPD, Reichsbanner und Gewerkschaften wurde nun radikaler und offener. Vom 16. Juni bis 18. Juli kamen auf das Konto des braunen Terrors 99 Tote und 1125 Verwundete.
Trauriger Höhepunkt wurde der „Altonaer Blutsonntag“. Während einer Straßenschlacht zwischen SA, Kommunisten und der Polizei wurden 17 Menschen getötet und über 100 verletzt. Der Verlust von Menschenleben wurde von der Regierung billigend in Kauf genommen. So schrieb damals die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ von einer „Mordseuche“. Es herrschte im Prinzip auf den Straßen des Deutschen Reiches Bürgerkrieg.
Die SA zählte 1932 rund 400 000 braun uniformierte Mitglieder. Hohe Geldzuwendungen einflussreicher Kreise aus Industrie, Bankwesen, Landwirtschaft, Adeln und Armee an die NSDAP und ihre Organisationen halfen die offene Gewalt von rechts zu legalisieren. Auch linke Gruppen hatten sich organisiert und Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzungen eingesetzt. Nach der verhängnisvollen Sozialfaschismustheorie gegenüber den Sozialdemokraten gelang es nicht, eine antifaschistische Einheitsfront gegen den immer stärker und brutaler agierenden deutschen Faschismus zu bilden.

Nach den ersten reaktionären Amtshandlungen ging PAPEN daran, das „letzte Bollwerk der Republik“ – das rote Preußen zu entmachten. Preußen umfasste drei Fünftel des Reichsgebietes mit der Hauptstadt Berlin und war damit das größte Land des Reichsgebietes. Mit seinem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten OTTO BRAUN konnte es sich durch dessen geschickte Politik einen konstanten Einfluss sichern. Ein ungerechtfertigtes Gerücht, nachdem der preußische Innenminister SEVERING heimlich ein Bündnis mit den Kommunisten gegen die Nationalsozialisten geschlossen habe, war Anlass zum sogenannten Preußenschlag.
Am 20. Juli 1932 wurde die sozialdemokratische Landesregierung entmachtet. Kurzzeitig wurden die Ministerien durch die Reichswehr besetzt und über Berlin und Brandenburg der Ausnahmezustand verhängt. Preußen wurde einem Reichskommissar unterstellt.
Im Ergebnis der Juliwahlen 1932 erhielt die NSDAP 37,8 % der Stimmen und damit 230 Sitze im Reichstag. Da PAPEN nicht regieren konnte, wurde gleich in der ersten Sitzung am 12. September der Reichstag wieder aufgelöst. Am 6. November wurden die Bürger wieder an die Wahlurnen gerufen. Dieses Mal kam die NSDAP nur auf 33,1 % der Stimmen. Eine stabile Regierung kam wiederum nicht zustande. Nach Interventionen SCHLEICHERS bei HINDENBURG berief dieser nun SCHLEICHER zum Reichskanzler.
Während SCHLEICHER versuchte, dem Volk einen sozialen General vorzuspielen, traf sich PAPEN am 4. Januar 1933 mit HITLER, um über eine Regierungsbildung zu beraten. PAPEN befürwortete HITLERS Wunsch nach Kanzlerschaft, forderte aber eine Beteiligung HUGENBERGS (DNVP) im Kabinett. HINDENBURG, bedrängt von allen konservativen Seiten, der Agrarlobby, dem Junkertum und nicht zuletzt von PAPEN, stimmte schließlich der Kanzlerschaft HITLERS zu. So war mit der Ernennung HITLERS zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 der Weg zur Macht für die Nationalsozialisten frei.

Machtübertragung – HINDENBURG ernennt HITLER zum Reichskanzler

Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident VON HINDENBURG HITLER zum Reichskanzler.
Folgendes ging dem voraus:
Der im Kabinett PAPEN wirkende Wehr- und Innenminister KURT VON SCHLEICHER war der Strippenzieher für ein „Kabinett der nationalen Konzentration“. Er hatte sich bereits am 8. Mai 1932 mit HITLER getroffen, um dessen Unterstützung für das neue Kabinett zu erreichen. HITLER forderte die Auflösung des Reichstages, Neuwahlen und die Aufhebung des SA-Verbots. SCHLEICHER stimmte diesen Forderungen zu.
Dem PAPEN-Kabinett gehörten ein Graf, vier Freiherren, zwei weitere Adlige und nur drei Bürgerliche an. Der Sozialdemokrat JULIUS LEBER äußerte resigniert:

„Die altpreußische Adelsclique ist wieder da.“

Dem HITLER-Kabinett gehörten drei Nationalsozialisten (HITLER, GÖRING, FRICK) sowie acht bürgerliche nationalistische Politiker, darunter HUGENBERG, an. Noch bestand das Kabinett daher als konservativer Block, denn HITLER konnte nur auf 247 Abgeordnete von 583 zählen. Sein Sinn war es nicht, Verhandlungen mit den Zentrum-Politikern zu führen, er zog deshalb Neuwahlen vor. Bereits am 3. Februar wurden für den 5. März 1933 Neuwahlen ausgeschrieben. KPD-Wahlveranstaltungen wurden verboten, die der SPD meist kurzfristig untersagt oder durch die SA terrorisiert.
Von Anfang an gingen die Nationalsozialisten, unterstützt von den vom Reichspräsidenten erlassenen Notverordnungen, brutal gegen Andersdenkende, vor allem gegen Kommunisten, vor. Jene spürten den Hass der neuen Machthaber am schärfsten. Am 24. Februar ließ GÖRING eine Polizeirazzia in der kommunistischen Parteizentrale, im Karl-Liebknecht-Haus, durchführen, mit dem Befehl, alle Funktionäre zu verhaften und die Aushänge zu entfernen. Es konnte jedoch nur Propagandamaterial gefunden werden – kein einziger Funktionär war mehr da.
Als am Abend des 27. Februar der Reichstag in Flammen aufging, waren es GOEBBELS und GÖRING, die darin den Beginn eines Kommunistischen Aufstandes sahen und von HINDENBURG weitere Verordnungen zur Einschränkung der Grundrechte einforderten. 4 000 kommunistische, sozialdemokratische und liberale Funktionäre wurden verhaftet.
Trotz Terror und Unterdrückung waren die Wahlen am 5. März für die NSDAP enttäuschend, hofften sie doch die absolute Mehrheit zu erringen. Mit der DNVP hätte eine Koalitionsregierung gebildet werden müssen. Um den Anschein der Legalität zu wahren, um den Schritt aus dem parlamentarischen System zur Diktatur endgültig gehen zu können, benötigten die Nationalsozialisten im Reichstag eine Zweidrittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung.
Diese Mehrheit war nur möglich, wenn sozialdemokratische und kommunistische Abgeordnete gehindert werden im Reichstag zu erscheinen. Kommunisten waren bereits ausgeschlossen. Am 23. März fand in der Berliner Kroll-Oper der Reichstag statt. Dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ – dem Ermächtigungsgesetz, das zur Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat diente – stimmten 441 Abgeordnete zu, dagegen waren 81 – alles Sozialdemokraten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende OTTO WELS ergriff als Einziger gegen dieses Gesetz das Wort. Die Kommunisten waren im Reichstag ja nicht mehr vertreten, sie waren seit dem 28. Februar verboten, verhaftet, im Untergrund oder außer Landes.
Das Ermächtigungsgesetz brachte nach der Machtübertragung der NSDAP die endgültige „Machtergreifung“ und Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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