Indien

Von der vedischen Periode bis zum Einbruch des Islams

Bereits vor der Einwanderung der Arya (ca. Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr.) gab es in Nordindien eine hoch entwickelte Zivilisation. Beendet wird die vedische Periode, über deren frühe politische Geschichte nichts bekannt ist, mit dem Auftreten des BUDDHA (* ca. 480 v. Chr.), der ersten belegten bedeutenden Persönlichkeit. Zeitgleich entstand das Reich von Magadha. Weit darüber hinaus reichte das Reich der Nandadynastie (360–322 v. Chr.). Unter ASHOKO (268–232) umfasste das Reich der Mauryadynastie den größten Teil Indiens und griff im Nordwesten über Indien hinaus. Um 50 n. Chr. bildete sich das Großreich der Kushana heraus, das sich unter König KANISHKA von Zentralasien bis Benares erstreckte und entweder durch die Sassaniden im 3. oder die Guptas im 4. Jahrhundert zerstört wurde. Das Guptareich, das im 4. Jahrhundert ganz Nordindien beherrschte, erlag um 500 dem Hunnensturm. König HARSHA VARDHANA vereinte in der ersten Hälfte des 7. Jarhunderts noch einmal den größten Teil Nordindiens. Dem Rajputen-Clan der Gujarra-Pratihara gelang ab 750, von Kananj aus eine Machtkonzentration zu erwirken, die bis 1018 dem Vordringen des Islams standhielt.

Islamische Herrschaft

Die ersten Ansätze zu einer islamischen Staatenbildung in Indien ergaben sich im 8. Jahrhundert in Sind, doch zerfiel dieses Reich arabischer Eroberer bald wieder. Erst als der General QUTB-DU-DIN-AIBAK 1206 das Sultanat Delhi gründete, war ein erster Ansatzpunkt für eine islamische Staatsbildung gegeben. Unter der Khiljidynastie wurde das Sultanat gesichert. ALA-DU-DIN-KHILJI (1296–1316) führte ein strenges Regiment, stärkte die Staatsverwaltung und dehnte seine Herrschaft weit nach Süden aus. Der Einfall TIMURS (Plünderung Dehlis im Jahr 1398) führte zum Zerfall des Sultanats Delhi. Kleinere islamische Staatsgründungen erfolgten in ganz Indien.

Die Bildung eines islamischen Großreiches gelang erst den Großmogulen im 16. Jahrhundert. Der Nachkomme TIMURS und DSCHINGIS KHANS, BABUR, unterwarf nach einer entscheidenden Schlacht bei Paniput (1526) viele kleinere Herrscher, wurde aber von dem Afghanen SHER SHAH abgelöst. BABURS Sohn HUMAYUN musste sich erneut die Vorherrschaft erkämpfen. Er starb kurz darauf, und sein Sohn AKBAR, der bedeutendste der Mogulherrscher (1556–1605), eroberte nahezu ganz Indien. Er verfolgte den Hindus gegenüber eine Politik der Toleranz, die es ihm ermöglichte, sein Reich ohne großen Widerstand auszubauen. AURANGSEB (1658–1707) wollte ein islamisches Staatswesen nach den Vorschriften des Korans errichten und führte die von AKBAR abgeschaffte Kopfsteuer für Nichtmuslime wieder ein. Er musste gegen den Widerstand der Hindus in vielen Teilen des Landes kämpfen. Eine Neuordnung der Machtverhältnisse vollzog sich mit

  • dem Aufstieg der Marathenherrschaft,
  • dem Verfall des Mogulreiches im 17. und 18. Jahrhundert,
  • der erneuten Invasionen afghanischen Eroberer
  • und dem Erstarken der europäischen Eindringlinge.

Britische Durchdringung Indiens

Europäische Mächte unterhielten schon seit mehreren Jahrhunderten – seit VASCO DA GAMA in Calicut gelandet war – Handelsniederlassungen an den Küsten Indiens. Die europäischen Ostindiengesellschaften waren mit staatlichen Machtbefugnissen ausgestattet, erwarben aber zunächst nur eine beschränkte Territorialherrschaft unter der Oberhoheit indischer Fürsten. Die britische East India Company (gegründet 1600) übertraf bald alle anderen. 1765 übertrug ihr der Großmogul die Verwaltungshoheit über Bengalen. Damit war die Ausgangsbasis für die britische Territorialherrschaft geschaffen. Madras (britisch seit 1639) und Bombay (seit 1661) boten weitere Ansatzpunkte. Die Gouverneure von Madras und Bombay wurden dem Generalgouverneur von Bengalen unterstellt. Diesen Posten hatte seit 1772 WARREN HASTINGS inne, der 1774 zum ersten Generalgouverneur Ostindiens ernannt wurde und während seiner bis 1785 dauernden Amtszeit die britische Herrschaft festigte.

Unter seinen Nachfolgern fielen den Briten in den nächsten Jahrzehnten weite Gebiete Indiens zu. Die eroberten Territorien wurden entweder direkt unter britische Verwaltung gebracht oder unter der Herrschaft von indischen Fürsten belassen, die in besonderen Verträgen die Herrschaft der britischen Krone anerkannten. 1833 verlor die East India Company ihre Privilegien. Reformer in Großbritannien betonten die humanitären Aufgaben der britischen Herrschaft in Indien, forderten die Abschaffung der Witwenverbrennung und die Freizügigkeit für Missionare. Der Generalgouverneur LORD W. H. BENTNICK und sein Justizminister T. MACAULAY förderten die Einführung des britischen Bildungssystems und die Verbreitung der englischen Sprache. Einheimische Kreise unterstützten diese Bestrebungen, um den Indern Aufstiegsmöglichkeiten im neuen Herrschaftssystem zu sichern.

Nach dieser Phase der inneren Konsolidierung folgte eine weitere Phase der territorialen Expansion. 1838–42 führten die Briten den ersten Krieg gegen Afghanistan, 1843 wurde Sind annektiert und 1849 das Reich der Sikh nach mehreren Kriegszügen unterworfen. 1852 annektierten die Briten das südliche Birma. Damit waren die Grenzen Britisch-Indiens abgesteckt.

Die Machtvollkommenheit der britischen Herrschaft ermutigte Generalgouverneur LORD DALHOUSE dazu, die noch verbliebenen indischen Fürstentümer zu beseitigen. Der Tod eines Fürsten, das Fehlen eines legitimen Erben oder der Vorwurf der Misswirtschaft wurden zum Anlass genommen, um Fürstentümer einzuziehen. Die Annexion (1856) führte jedoch zu einem bewaffneten Aufstand, in dem sich meuternde Truppen der britisch-indischen Armee mit der entmachteten Oberschicht zusammentaten. Der Aufstand war schlecht organisiert, er blieb auf Nordindien beschränkt. Als Folgen des Aufstandes wurden:

  • die East India Company aufgelöst,
  • Indien direkt der Krone unterstellt
  • und der Generalgouverneur zum Vizekönig (1858) erhoben.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die britisch-indische Verwaltung ausgebaut. Die Regierung war auf Grundsteuer, Opiummonopol und Salzsteuer als Haupteinnahmequellen angewiesen. Erhöhungen der Grundsteuer, Spannungen zwischen Grundbesitzern und Pächtern, Bauern und Geldverleihern sowie häufige Hungersnöte schufen Unruhen. Die neue indische Bildungsschicht übte Kritik an der britisch-indischen Regierung. Der indische Nationalismus war geboren.

Der Kampf um die Unabhängigkeit

Mit dem Ziel gleichberechtigter Teilnahme der einheimischen Bevölkerung am politischen Leben gründeten 1885 Persönlichkeiten aus der indischen Bildungsschicht den Indischen Nationalkongress (INC), der im Verlauf der folgenden Jahrzehnte zum richtungsweisenden Träger der indischen Nationalbewegung wurde. Unter dem Vizekönig LORD LANSDORNE (1888–94) leitete die britisch-indische Regierung eine begrenzte Verfassungsreform ein. Die autokratische Herrschaftsweise des Vizekönigs LORD CURZON (1898–1905) verschärfte jedoch die politischen Spannungen auf dem indischen Subkontinent. Die von Staatssekretär LORD MORLEY und dem Vizekönig LORD MINTO durchgeführte Reform des britisch-indischen Regierungssystems (1906) brachte den Indern zwar die gewünschte Volksvertretung. Unter dem Druck der 1906 gegründeten Muslimliga erhielt die muslimische Bevölkerungsgruppe Indiens jedoch als eigenständige Wählerschaft das Recht, in separater Wahl ihre Vertreter in die zu wählenden Körperschaften zu entsenden. Dies löste Spannungen zwischen der indischen Nationalbewegung und der britisch-indischen Regierung einerseits und neue Konflikte zwischen der muslimischen Minderheit und der hinduistischen Mehrheit aus.

Im Ersten Weltkrieg unterstützten sowohl die indischen Fürsten als auch die Mehrheit der Vertreter des INC die Kriegsanstrengungen der britisch-indischen Regierung unter Vizekönig LORD HARDRINGE (1910–16), die eine hohe Zahl von Truppen auf britischer Seite in den Krieg entsandte. Angesichts einer starken militärischen Beteiligung Indiens am Kriege, hegte die Indische Nationalbewegung hohe Erwartungen im Hinblick auf die politische Gleichberechtigung der indischen Bevölkerung, sah sich jedoch bald nach dem Krieg getäuscht. Nach der blutigen Niederschlagung einer friedlichen Protestversammlung in Amritsar (1919) gegen bestimmte als diskriminierend empfundene Sicherheitsgesetze löste MOHANDAS KARAMCHAND (genannt MAHATMA) GANDHI im Rahmen seiner Lehre vom friedlichen Protest 1920 eine Kampagne des 'zivilen Ungehorsams' und der 'Nichtzusammenarbeit' mit den Organen des Staates (z. B. im Verwaltungs-, Gerichts- und Schulbereich) aus. Er rief gleichzeitig zum Boykott britischer Waren (v. a. Textilien) auf und aktivierte mit großem Widerhall in der Bevölkerung die in den handwerklichen Traditionen des Landes wurzelnde Handspinnerei.

Um der seit 1919 wachsenden national-indischen Protestbewegung entgegenzuwirken, hatte Großbritannien unter Federführung des Vizekönigs LORD CHELMSFORD mit dem Gouvernment Act of India 1919 eine Verfassungsreform durchgeführt, die unter Beibehaltung der separaten Wählerschaften für die Muslime, den Indern mehr politische Mitsprachemöglichkeiten einräumte. Nachdem die britische Regierung die Forderung des INC abgelehnt hatte, Indien den Dominionstatus zu gewähren, initiierte GANDHI eine zweite Massenkampagne (1930–32). Im Sinne seiner Strategie des gewaltlosen Übertretens ungerechter Gesetze führte er 1930 eine Demonstration zum Meer, um mit seinen Anhängern durch eigenhändige Gewinnung von Salz gegen das Salzmonopolgesetz zu verstoßen. Hunderttausende nahmen an diesem 'Salzmarsch' teil und ließen sich verhaften.

Mit dem Gouvernment of India Act 1935 unternahm die britische Regierung erneut einen Versuch, die indische Frage zu lösen. Die neue Verfassung gewährte den Indern die Regierungsbildung auf Provinzebene und sah einem islamischen Bundesstaat vor, der jedoch nicht zustande kam. Bei den Wahlen zu den Provinzparlamenten (1936/37) gewann der INC in sieben Provinzen die Mehrheit der Mandate, in den muslimischen Provinzen errangen lokale muslimische Parteien die Mehrheit. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lehnte die Mehrheit des INC eine Zusammenarbeit mit den Kriegsgegnern Großbritanniens ab. Als führender Repräsentant der Muslimliga forderte MOHAMMED ALI JINNAH seit 1940 mit wachsendem Erfolg einen eigenen Staat Pakistan für die indischen Muslime; er berief sich dabei auf die 'Zweinationentheorie', nach der die Muslime in Indien keine Minderheit, sondern eine eigene Nation darstellten. Das Angebot der britischen Regierung, Indien nach dem Kriege die Unabhängigkeit zu gewähren, lehnte der INC ab. GANDHI forderte stattdessen Großbritannien auf, Indien sofort zu verlassen (“Quit India”) und den Indern den Kampf gegen Japan selbst zu überlassen. Die gesamte Führung des INC wurde verhaftet. Am 11. Juni 1947 verabschiedete das britische Unterhaus den Independence of India Act, durch den Großbritannien

  • am 14. August 1947 Pakistan (die mehrheitlich islamischen Gebiete)
  • und am 15. August 1947 Indien (reduziert auf die mehrheitlich von Hindus bewohnten Gebiete)

als Dominions in die Unabhängigkeit entließ.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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