Konflikte sind ein Wesensmerkmal unserer Welt (Bild 1).
Sie begleiten jeden Menschen ein Leben lang (z. B. in der Familie, in der Schule, im Berufsleben) und prägen die Menschheit seit ihren Anfängen (z. B. im Zusammenprall verschiedener Kulturen, Gesellschaften und Herrschaftsgebilde). Konflikte haben ihre Ursache in Gegensätzen. Diese können entweder gewaltsam, konfrontativ oder aber gewaltlos, vermittelnd ausgleichend ausgetragen werden. Erfolgt die konfrontative Konfliktaustragung mit Waffengewalt, werden zwei Erscheinungsformen unterschieden:
In Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher ISTVÁN KENDE (1917–1988) definiert die Hamburger „Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung“ (AKUF) Kriege als gewaltsame Massenkonflikte, die alle folgenden Merkmale aufweisen:
Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kampfhandlungen dauerhaft, d. h. für den Zeitraum von mindestens einem Jahr, eingestellt werden beziehungsweise die oben genannten Kriterien nicht mehr erfüllt sind. Ist eine Regelmäßigkeit der Kampfhandlungen nicht mehr oder noch nicht gegeben, gelten diese als bewaffnete Konflikte.
Die Globalisierung birgt eine Fülle neuer Konfliktfelder und Herausforderungen für die ganze Menschheit. Aber auch bereits bestehende Konflikte werden durch sie in ihren Rahmenbedingungen verändert. Die Globalisierung beeinflusst damit nicht zuletzt die allgemeine Auffassung über nationale, regionale und globale Sicherheit. So hat sich international ein erweiterter Sicherheitsbegriff herausgebildet, der nicht mehr allein militärische Gesichtspunkte umfasst, sondern auch soziale und ökonomische. Folgende Faktoren bestimmen unter anderem die heutige Konfliktlage:
Diese Faktoren stellen allgemein die Wurzeln für die alten und neuen Konflikte dar. Die Hauptgründe für Kriege sind im Besonderen:
Krieg ist jedoch selten eindimensional zu erklären. Viele der genannten ökonomischen, politischen, ideologischen, religiösen und kulturellen Kriegsgründe wirken zusammen, bedingen sich gegenseitig und gehen ineinander über.
Kriege und Konflikte 1945–2010
Die Verteilung der Kriegsregionen ist in heutiger Zeit sehr ungleichmäßig. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden weltweit von der „Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung“ (AKUF) über 200 Kriege und bewaffnete Konflikte gezählt. Von 1945 bis 1997 wurden Kriege in folgenden geografischen Räumen geführt:
Dieser Trend setzte sich im neuen Jahrtausend im Wesentlichen fort. Nach Untersuchungen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) wurden im Jahr 2006 weltweit 29 Kriege und 15 bewaffnete Konflikte geführt, davon:
Die Kriege und bewaffneten Konflikte finden dabei allerdings kaum noch zwischen den Staaten statt (zwischenstaatliche Kriege), sondern werden vor allem innerhalb von Staaten und auf regionaler Ebene (regionalisierte Kriege) ausgetragen. Das ist insbesondere in den Staaten der Dritten Welt der Fall. Wesensmerkmale regionalisierter Kriege sind
Gegenüber dem Vorjahr ist die Gesamtzahl der gewaltsam ausgetragenen Konflikte damit leicht angestiegen. Drei kriegerische Konflikte wurden beendet und vier neu begonnen.
Die westlichen Industriestaaten sind in Ihrem Staatsgebiet – mit Ausnahme Nordirlands und des Baskenlandes – seit Ende des Zweiten Weltkrieges frei von Kriegen. Mit ihren Truppen sind die USA, Frankreich und Großbritannien, aber auch Russland und China, an zahlreichen militärischen Interventionen und Kriegen beteiligt.
Konflikte in Afrika 2006 (Quelle: AKUF Hamburg)
Konflikte in Asien 2006 (Quelle: AKUF Hamburg)
Konflikte im Vorderen und Mittleren Orient 2006 (Quelle: AKUF Hamburg)
Konflikte in Lateinamerika 2006 (Quelle: AKUF Hamburg)
Im Allgemeinen lassen sich vier unterschiedliche Konflikttypen unterscheiden:
Zu diesem Konflikttyp zählen etwa der Nahost-Konflikt, der Süd-Sudan-Konflikt, die Kurdenfrage, das Zypernproblem, der Nord-Irland-Konflikt und die im Zusammenhang mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Zerfall Jugoslawiens entstandenen politischen Fragen.
Der Zerfall der Sowjetunion als Vielvölkerstaat hat ebenso ethnisch-nationale wie religiöse Probleme in besonderer Weise hervortreten lassen. Beispielhaft dafür ist das Konfliktgebiet Kaukasus, das etwa 60 verschiedene ethnische Gruppen zählt und damit zu den konfliktträchtigsten Gebieten der Erde gehört. Ein Teil der gegenwärtigen Konflikte geht auf Veränderungen von Grenzen und erzwungene Umsiedlungen innerhalb der Bevölkerung zurück, die während der Sowjetzeit erfolgt sind (z. B. der Balkaren, Inguschen, Tschetschenen). Die Wurzeln dieser Konflikte reichen jedoch bis auf die Expansion des Russischen Reiches im 18. Jh. zurück. Offene und latente Konflikte gibt es heute vor allem um Berg-Karabach (Armenien-Aserbaidschan), um Süd-Ossetien und Inguschien (Georgien) sowie um Tschetschenien (Russland).
Zu diesem Konflikttyp gehören der Ost-West-Konflikt oder der Nord-Süd-Konflikt, denen komplexe gesellschaftliche Verhältnisse zugrunde liegen und die selbst eine Vielzahl von Teilkonflikten enthalten.
Globale Bedeutung besitzt der Wasserkonflikt. 1990 litt die Bevölkerung von bereits 15 Staaten an lebensbedrohlichem Wassermangel – hauptsächlich im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika. In den nächsten Jahrzehnten werden weitere 24 Länder (in erster Linie afrikanische Länder südlich der Sahara) ebenfalls mit diesem Problem zu kämpfen haben. Der Wasserkonflikt wird dann fast 2 Mrd. Menschen einbeziehen. Weltweit gibt es etwa 260 grenzüberschreitende Flüsse. Ungefähr 20 von ihnen haben mehr als 5 Anrainerstaaten, z. B.
Diese Flüsse stellen etwa 60 Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen und sind das Siedlungsgebiet von rund 40 Prozent der Weltbevölkerung. Besonderes Konfliktpotenzial bergen deshalb nationale Staudammprojekte mit Auswirkungen auf den Wasserhaushalt anderer Anrainerstaaten.
Beispielhaft für diese Problemlage ist das Jordanbecken. Es umfasst die Staaten Israel, Jordanien, Syrien, Libanon und die Westbank und zählt weltweit zu den Gebieten mit der größten Wasserknappheit. Das Konfliktpotenzial wird dabei durch national extrem ungleichen Wasserverbrauch verschärft:
Zu diesem Konflikttyp gehört ein Großteil der Konflikte in Afrika. Ihnen liegen unterschiedliche ethnische und religiöse Spannungen sowie unterschiedliche ökonomische und politische Interessen zugrunde. Die Ursachen der gegenwärtigen Konflikte reichen dabei vielfach in die koloniale Vergangenheit zurück. So nahmen die ehemaligen Kolonialmächte häufig willkürliche Gebietsteilungen und Grenzziehungen vor oder formierten künstlich ethnische Gruppierungen nach Maßgabe ihrer Eigeninteressen. Noch Jahrzehnte später belasteten diese Vorgänge den Prozess des „nation-building“ (Begründung eines stabilen Staats- und Gesellschaftsgefüges) der nun unabhängigen Staaten. Die Bürgerkriege und bewaffneten Konflikte im Sudan, im Tschad, in der Zentralafrikanischen Republik, in Somalia und im Kongo waren bzw. sind Beispiele für diesen Konflikttyp.
Ausgangspunkt für den Bürgerkrieg in Ruanda war ein weit in die Geschichte zurückreichender ethnischer Konflikt zwischen den Hutu (85 % der Bevölkerung) und den Tutsi (14 % der Bevölkerung). Dessen Höhepunkt bildete der 1994 von extremistischen Hutu an den Tutsi verübte Völkermord. Beide Bevölkerungsgruppen unterscheiden sich weder kulturell noch sprachlich voneinander, wohl aber in ihrer Stellung in der landwirtschaftlichen Produktion. So sind die Hutu Ackerbauern, die Tutsi Viehzüchter – ein Unterschied, den sich die belgische Kolonialmacht ehedem zunutze gemacht und damit verfestigt hatte. Die Machtübernahme durch das Militär und die geografische Ausweitung des Konfliktes auf die Nachbarstaaten Burundi, Uganda und Kongo kostete über 1 Mio. Menschen das Leben, führte zur Regionalisierung des Konfliktes. Es entstand eine auf die Kontrolle über die Diamantenförderung und den Diamantenverkauf ausgerichtete Kriegsökonomie. Diese Kriegsökonomie war wesentlich für die lange Dauer des Krieges und die äußerst schwierigen Friedensverhandlungen verantwortlich.
Zu diesem Konflikttyp gehören sowohl terroristische Aktionen auf nationaler Ebene, wie sie beispielsweise von der ETA (baskisch: „Euskadi ta Askatasuna“, d. h. „Baskenland und Freiheit“) in Spanien verübt werden, als auch terroristische Aktionen vor allem seit den 1980er-Jahren auf internationaler Ebene. Historisch gesehen weist die Entwicklung des Terrorismus mehrere Phasen auf. Während er im 18. und 19. Jh. im Wesentlichen von politischem Idealismus und revolutionärer Gesinnung getragen wurde (russische Anarchisten oder irische Idealisten), war er in der ersten Hälfte des 20. Jh. weitgehend vom politischen Chauvinismus bestimmt und zeigt sich heute vornehmlich als religiöser Fanatismus. Auch der Gebrauch der Mittel und Methoden weist Entwicklungen auf. Sie reichen etwa vom individuellen Mord, der massenhaften Verbreitung von Angst und Schrecken bis zum Massenmord und der Zerstörung ökonomischer und politischer Strukturen. Die Ungleichheit der Konfliktparteien ist ein wesentliches Kennzeichen des internationalen Terrorismus und prägt die Asymmetrie der Gewaltanwendung.
In jüngerer Vergangenheit manifestierte sich Terrorismus z. B.
In der Gegenwart stellt internationaler Terrorismus eine große Herausforderung dar. Die Einbindung des Religiösen, insbesondere des Islamismus, verstärkt die Unberechenbarkeit dieses Terrorismus und sprengt bisherige Maßstäbe für Gewaltanwendung gegen unbeteiligte Dritte. Ausdruck dafür sind etwa die Anschläge im Jahre 2001 auf das World Trade Center in New York oder 2004 und 2005 auf den öffentlichen Nahverkehr in Madrid beziehungsweise London. Die „Stiftung Frieden und Entwicklung“ (SEF) bemerkt dazu:
„Die neue Qualität des transnationalen Terrorismus hängt eng mit dem Verfall staatlicher Strukturen und mit der (Schatten-)Globalisierung zusammen, die neue Möglichkeiten der Kommunikation, des Transports, des Schmuggels und der Geldwäsche eröffnet. Der ,neue Terrorismus‘ hat nicht zuletzt in solchen Ländern gedeihen können, in denen das staatliche Gewaltmonopol ganz oder teilweise zusammengebrochen ist, so in Afghanistan, im Sudan und in Somalia. Im Unterschied zu zahlreichen anderen privaten Gewaltakteuren verfolgt der transnationale Terrorismus des beginnenden 21. Jahrhunderts allerdings ein (wenn auch krudes) ideologisches Projekt“ (Quelle: Stiftung Frieden und Entwicklung: Globale Trends 2004/2005, hrsg. von I. Hauchler, D. Messner, F. Nuscheler, Frankfurt/M: 2003, S. 320).
Ausgewählte islamistische Terroranschläge seit dem 11. September 2001
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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