In der euro-atlantischen Sicherheitsordnung ist die OSZE (Bild) neben der NATO und der EU die wichtigste Organisation. Ein Teil ihrer Relevanz beruht darauf, dass sie mit heute 56 Staaten die größte gesamteuropäische Organisation ist, der auch Kanada, die USA und einige asiatische Staaten angehören. Mindestens ebenso bedeutend ist aber ihr umfassender, auf Stabilität und kollektive Sicherheit in Europa zielender Sicherheitsbegriff, der neben der politischen und politisch-militärischen auch eine gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale, menschliche und ökologische Dimension hat.
Das beruht auf einem in über 30 Jahren gewachsenem politischem Selbstverständnis, das sich besonders in einigen wichtigen Dokumenten ausdrückt.
Die Schlussakte von Helsinki aus dem Jahre 1975 beschreibt die Ziele der Vorgängerin der heutigen OSZE, der seit 1973 tätigen KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in drei Körben (drei Dimensionen):
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erklärten die Staaten der KSZE 1990 in Paris ihren Konflikt feierlich für beendet und einigten sich in der Charta von Paris für ein neues Europa auf gemeinsame, alle Staaten verpflichtende Werte und Leitlinien. Diese sollten Grundlage der gesellschaftlichen und politischen Ordnung ihrer Länder und ihrer Beziehungen untereinander sein. Die wichtigsten sind:
1992 erklärte sich die KSZE zu einer regionalen Abmachung im Sinne der Charta der Vereinten Nationen. Nachdem sich die Zusammenarbeit durch den Aufbau fester Strukturen immer mehr verstetigt hatte, erfolgte 1995 die Umbenennung zur OSZE.
1999 schließlich verabschiedete ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der OSZE in Istanbul die Europäische Sicherheitscharta.
Sie beinhaltet einen verbindlichen Rahmen der Fähigkeit zu Feldaktivitäten in Krisengebieten vor Ort. Dazu gehört u. a.:
Daneben legten sich die Teilnehmerstaaten darauf fest, sich gegenseitig Rechenschaft auch über den Umgang mit ihren eigenen Bürgern zu schulden. In diesem Zusammenhang behält sich die OSZE zudem vor, in ihren Gremien die Nichteinhaltung von diesbezüglichen OSZE-Verpflichtungen zu erörtern und entsprechende Empfehlungen abzugeben. Schließlich wird auch die sicherheitspolitische Kooperation mit anderen internationalen Organisationen betont.
Auf Grundlage des historisch gewachsenen Selbstverständnisses bestehen die wichtigsten Aufgaben und Funktionen der OSZE heute in den Bereichen:
Dafür kann die Organisation auf ein Gefüge unterschiedlicher Institutionen zurückgreifen.
Als internationale Organisation auf zwischenstaatlicher Basis hat die OSZE verschiedene Formen intergouvernementaler Konsultation und Kooperation in Fragen gemeinsamer Sicherheitspolitik institutionalisiert (Bild).
Auf Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs werden richtungweisende Entscheidungen getroffen. Auf dieser Ebene wurden etwa die Charta von Paris 1990 oder die Europäische Sicherheitscharta von Istanbul 1999 verabschiedet.
Der Ministerrat der OSZE-Außenminister, der sich einmal jährlich trifft, ist das hochrangigste Beratungs- und Beschlussorgan. Beispiele seiner Tätigkeit sind:
2008 und 2009 waren die Treffen maßgeblich geprägt vom Konflikt zwischen Russland und Georgien (Georgien-Krieg August 2008), der auch zu Spannungen zwischen Russland und den westlichen Staaten führte. Beginnend mit dem Treffen im Dezember 2008 in Helsinki sowie fortgesetzt im Juni 2009 auf Korfu (informelles Treffen, weiteres Treffen im Dezember 2009 in Athen) führte man Gespräche über aktuelle Aspekte der europäischen Sicherheit. Mit dem „Korfu Prozess“ wurde ein zeitlich und vom Ergebnis her zunächst offener Dialog über aktuelle Dimensionen des OSZE Sicherheitsbegriffs angestoßen. Auch wenn Ende 2008 die OSZE Mission in Georgien aufgrund der Haltung Russlands nach über 16 Jahren beendet wurde, zeigen die Treffen der OSZE Außenminister doch auf, welche Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation die OSZE auch angesichts gegenseitiger Spannungen bietet.
Neben der Befassung mit maßgeblichen politischen Fragen ernennt der Ministerrat einen jährlich rotierenden Amtierenden Vorsitzenden aus seinem Kreis, der die Gesamtverantwortung für die Tätigkeiten der OSZE trägt und dabei vom Sekretariat der Organisation in Wien unterstützt wird.
Der Ständige Rat tagt unter Teilnahme von Ständigen Vertretern der Teilnehmerstaaten in der Regel einmal wöchentlich und ist das wichtigste permanente Beratungs- und Beschlussorgan. Er beschäftigt sich mit laufenden wie auch mit außerordentlichen Fragen. Beispielsweise wurde hier am 1. Juli 1999 die Entscheidung über die Aufstellung der OSZE-Mission im Kosovo (OMIK) getroffen.
Das Forum für Wirtschaft und Umwelt (bis 2006 Wirtschaftsforum) trifft sich einmal jährlich mit über 400 Teilnehmern von Regierungen, sowie aus der Wirtschaft, anderen internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft. Es zielt auf Dialog und Kooperation in Wirtschafts- und Umweltfragen, die als wichtig für ein erweitertes Konzept von Sicherheit betrachtet werden.
Allgemein werden die wichtigsten politischen Entscheidungen in der OSZE nach dem Konsensprinzip gefällt.
Ein weiteres permanentes Gremium der OSZE ist das Forum für Sicherheitskooperation. Es trifft sich wöchentlich auf der Ebene nationaler Delegierter der 56 Mitgliedstaaten und befasst sich mit konkreten militärischen Fragen, Themen und Problemen der Sicherheit, insbesondere mit solchen der Rüstungskontrolle sowie der gegenseitigen Vertrauens- und Sicherheitsbildung. Dazu zählt die Schaffung gegenseitiger militärischer Transparenz oder die Unterstützung und Weiterentwicklung bestehender Rüstungskontrollabkommen.
Insgesamt sind Rüstungskontrolle und Abrüstung traditionell wichtige Tätigkeitsfelder der OSZE. In ihrem Rahmen wurden wichtige Abkommen und Verfahrensweisen für diesen Bereich beschlossen. Allerdings waren und sind an ihnen nicht immer alle Mitgliedstaaten der Organisation beteiligt. Einige der wichtigsten sind:
Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts 1990 haben sich in und für Europa vielfältige sicherheitspolitische Herausforderungen z. B. durch neue ethnische Konflikte, Unterdrückung nationaler Minderheiten oder politisch instabile Staaten an den Rändern des Kontinents ergeben. Das hat im Laufe der 1990er-Jahre dazu geführt, dass die OSZE ein vielfältiges, auf unterschiedliche Situationen flexibel anwendbares Instrumentarium ziviler Krisenprävention und nichtmilitärischer Krisenbewältigung entwickelte. Wichtige Leitbilder der OSZE-Tätigkeit sind: Friedliche Streitbeilegung und Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschen- und Grundrechten sowie Minderheitenschutz.
Krisenprävention setzt an, bevor Krisen überhaupt offen auftreten oder gewalttätig eskalieren. Es geht um ihre Früherkennung und die frühzeitige Beseitigung von Konfliktursachen. Ein Mittel besteht etwa in der Eröffnung von Zentren oder Büros in entsprechenden Ländern. Diese sollen in Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen und politischen Gruppen sowie der Regierung des Landes die Konflikte analysieren, beraten und / oder Empfehlungen abgeben.
Nichtmilitärische Krisenbewältigung arbeitet mit ähnlichen Mitteln wie die Krisenprävention. Im Gegensatz zu dieser geht es dabei um die Bearbeitung schon offen aufgetretener Krisen und/oder eine Stabilisierung der Lage nach einem (kriegerischen) Konflikt (Krisennachsorge). Ein Beispiel dafür ist die Tätigkeit der OSZE-Mission im Kosovo (OMIK).
Für diese beiden Aufgaben greift die OSZE
zurück.
Ständige Einrichtungen, die auch vor Ort tätig werden können:
Hoher Kommissar für Nationale Minderheiten:
Frühwarnung und Beratung bei Spannungen durch ethnische Minderheitenkonflikte; präventive Diplomatie, z. B. durch Beratungen, Empfehlungen oder Verhandlungen
Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR):
(In der Presse wird es meistens englischsprachig ODIHR abgekürzt – Office for Democratic Institutions and Human Rights)
Allgemein zuständig für die Wahrnehmung der humanitären Dimension in der Arbeit der OSZE. Tätigkeiten sind z. B.: Überwachung von Wahlen, Förderung nationaler Wahl- und Menschenrechtsinstitutionen, technische und inhaltliche Hilfe für unabhängige nationale Rechtsinstitutionen, Förderung von Nichtregierungsorganisationen. Es kann bei Verstößen gegen OSZE-Prinzipien mit unterschiedlichen Parteien Kontakt aufnehmen, beraten oder Empfehlungen abgeben.
Beauftragter für die Freiheit der Medien:
Beobachtung von Entwicklungen im Bereich der Medien und Früherkennung von Verletzungen der Pressefreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Ad-hoc-Maßnahmen
Dabei handelt es sich um eigenständige OSZE-Missionen, gebildet mit einem spezifischen Auftrag (Mandat) für eine spezifische Krisenregion. Sie können die Hilfe anderer OSZE-Institutionen beanspruchen (z. B. bei der Wahlbeobachtung). Sie werden in der Regel durch den Ständigen Rat im Konsens aller OSZE-Mitgliedsländer und unter Zustimmung der Gastländer eingerichtet. Geleitet werden sie zumeist von erfahrenen Berufsdiplomaten. Diese erstatten dem Ständigen Rat regelmäßig Bericht über ihre Tätigkeit und Entwicklungen vor Ort.
Mitte 2009 unterhielt die OSZE insgesamt 18 Missionen und Feldaktivitäten, die größte davon seit 1999 im Kosovo. Nach der Unabhängigkeit des Kosovo stellen besonders Russland und Serbien die Fortführung dieser Mission infrage. Insgesamt haben sich politische Differenzen und Auseinandersetzungen in der OSZE in der jüngeren Vergangenheit wieder verstärkt. Auch der oben erwähnte Georgien-Konflikt 2008 ist in diesem Zusammenhang zu sehen, zumal die Unterstützung Russlands für die abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien hinter kaum vorgehaltener Hand auch mit der Unterstützung des Westens für die Unabhängigkeit des Kosovo in Verbindung gebracht wird.
Neben der Mission im Kosovo hat die OSZE in den letzten Jahren vor allem mit einigen ihrer Wahlbeobachtungen, die durch das Büro für Demokratische Institutionen und Menschrechte (ODIHR) durchgeführt werden, öffentlich Aufmerksamkeit erregt. Kriterien der Beobachtung sind dabei zunächst die Bedingungen im Vorfeld der Wahlen wie z. B. eine gleichberechtigte Behandlung verschiedener Parteien durch Institutionen und staatliche Medien, eine vollständige Registrierung aller Wahlberechtigten, und dann die Wahl selbst, z. B. die Auszählung der Stimmen.
Im November 2004 verweigerte eine OSZE Mission den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine die Einstufung als fair und frei und trug damit ihren Teil zu einem politischen Wandlungsprozess mit demokratischeren Strukturen bei. 2006 qualifizierte die OSZE die Präsidentschaftswahlen in Weißrussland in der gleichen Weise, ohne dass davon ähnliche Entwicklungen ausgingen. Auf eine Beobachtung der russischen Parlamentswahlen im Dezember 2007, deren demokratischer Charakter von vielen westlichen Beobachtern in Teilen bezweifelt wurde, verzichtete das ODIHR demonstrativ aufgrund des Vorwurfs der Behinderung der Einreise der Beobachterdelegation im Vorfeld der Wahlen. Ähnliches geschah bei den Präsidentschaftswahlen Anfang März 2008. Die Parlamentswahlen in Weißrussland wiederum konnte die OSZE ohne Probleme beobachten.
Natürlich findet Russland wenig Gefallen an solchen Vorgängen und Bewertungen hinsichtlich der innenpolitischen und gesellschaftlichen Lage im eigenen Land sowie bei Verbündeten. So streben denn Russland und einige GUS-Staaten auch eine Einschränkung der bisher relativ weitgehenden Autonomie der Wahlbeobachtung durch ODIHR und eine stärkere Bindung an Institutionen an, in denen alle OSZE-Mitgliedstaaten Sitz und Stimme haben. Da hier aber nach dem Konsensprinzip entschieden wird, könnten unliebsame Berichte relativ einfach verhindert werden.
Neben dem Komplex der Wahlbeobachtung gibt es in den letzten Jahren innerhalb der OSZE vor allem zwei weitere umstrittene Politikfelder: innere Reform der OSZE (z. B. Effektivierung innerer Prozesse und eine Modifizierung des Konsensprinzips zumindest hinsichtlich Haushalts- und Verwaltungsfragen) sowie Konfliktregelung (z. B. zwischen Russland und Georgien im Vorfeld des offenen Konflikts 2008).
Insgesamt sind die Binnenverhältnisse innerhalb der OSZE also einerseits in den letzten Jahren im Vergleich zu den 1990er Jahren komplizierter geworden. Andererseits aber hat die Organisation insbesondere nach dem Georgien Konflikt 2008 ihre Qualität als Forum von Kommunikation und Kooperation sowie als institutioneller Rahmen eines europäischen Sicherheitsdialogs gezeigt. Zudem funktionieren viele der relativ unspektakulären OSZE-Feldaktivitäten vorort noch immer relativ reibungslos. Es bietet sich also aktuell ein etwas diskrepantes Gesamtbild. Zukünftig könnte sich das kooperativere Verhältnis, das die neue amerikanische Obama Administration zu Russland sucht (z.B. neuer Abrüstungsdialog) auch positiv auf die OSZE auswirken.
Übersicht über die politischen Organe der OSZE
Ein Angebot von