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Glosse

Die Glosse (griech. glossa = Zunge, Sprache) nimmt Sachverhalte, Erscheinungen und Verhaltensweisen aufs Korn, die widersprüchlich oder gar überlebt sind. Dafür werden die Mittel Humor, Ironie und Satire eingesetzt.
In knapper, pointierter Weise werden die Sachverhalte bewertet. Das heißt, nach der Nennung des Tatbestandes folgt schon die Pointe.
Durch Zuspitzung und überraschende Aufdeckung eines Widerspruchs sollen – oft auf verschmitzte Weise – Denkanstöße gegeben werden.

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In den Medien, aber auch in der Schule lassen sich Glossen gut anbringen. In Funk und Fernsehen sowie in den Zeitungen finden wir sie als kurze Reaktion auf aktuelles Tagesgeschehen. In der Schule kann man sie z. B. nutzen, um auf humorvolle Weise auf bestimmte Verhaltensweisen aufmerksam zu machen.

Die Glosse selbst hat viele Erscheinungsformen.
Sprachglossen kritisieren Sprachvergehen und schlechte Sprachgewohnheiten.

Tatsachenglossen greifen authentische Sachverhalte (politische, soziale usw.) auf und glossieren sie.

Überschriftenglossen haben die Besonderheit, dass die Pointe schon in der Überschrift zu finden ist.

Zitatglossen haben Rede- und Textauszüge zur Grundlage.

 

Beispiel Tatsachenglosse:

Kurt Tucholsky
Der Kontrollierte

Da ist die berliner Straßenbahn . . . Aber es wird ja auf den anderen Bahnen nicht viel anders sein . . . Also da sitzen nun die Leute da und träumen und glotzen und unterhalten sich und manche lesen – –. Auf einmal betritt ein uniformierter Mann den Wagen und sagt: „Die Fahrscheine bitte!“ – Das ist ein Beamter, der hauptsächlich zur Kontrolle der Schaffner angestellt ist.

Pflichtschuldig wühlt alles in den Taschen. Alle reichen das Stückchen Papier dem Beamten hin. Nur einer hat seinen Fahrschein verloren.

Es ist doch ein Bedientenvolk, das deutsche. Denn nun sehen alle den Mann an, als ob er ein Verbrechen begangen habe. Denn sie bilden sich ein, der Beamte kontrolliere sie. Dabei ist der Beamte höflich und tut eigentlich nichts, was diesen Aberglauben bestärken könnte. Aber sie denken sich das so und sind voller Ehrfurcht und verabscheuen alle den Mann, der seinen Fahrschein verloren hat. Einen Augenblick hat er den ganzen Wagen gegen sich. Manche mögen ja ein bißchen teilnahmsvoll zusehen, wie er sich abmüht, und sie denken sich schaudernd in seine entsetzliche Lage . . .

Sie ducken sich. Sie bekommen einen roten Kopf. Der Verlierer einen dunkelroten. Er entschuldigt sich. Er sagt nicht: „Ich hab ihn verlegt, ich werde meinethalben nachbezahlen . . . “ Er fühlt sich ertappt. Man sollte nicht denken, einen Erwachsenen vor sich zu haben, der vielleicht eine Frau hat, Kinder, die er erziehen soll, Angestellte, die er anschnauzt . . . Hier ist er ganz klein. Denn hier ist das Heiligste an einen Deutschen herangetreten: die Uniform. Und da hört der Spaß auf.

Eine Kleinigkeit, eine Belanglosigkeit, gewiß. Aber doch wieder eine einfache Beobachtung des täglichen Lebens, die zeigt, wie hier der einzelne gar nicht erst wagt, zu sagen: »Hallo! Hier bin ich!« – Sondern er bekommt einen roten Kopf, duckt sich und sucht den Fahrschein.

Und das ist eine Misere des deutschen Lebens.
(Tucholsky, Kurt: Der Kontrollierte. In: Vorwärts, 18.09.1913)

Erklärung
Das duckmäuserische Verhalten der hoheitsgläubigen deutschen Staatsbürger vor dem Ersten Weltkrieg wurde hier glossiert und dabei auch der Widerspruch zwischen dem schönen Schein und dem tatsächlichen Sein aufs Korn genommen.

Beispiel Sprachglosse:

Karl Kraus

Ähnlichkeit

Ein analytischer Schmock, einer von jenen, die jetzt aus allen Spalten grinsen, berichtet in der „Frankfurter Zeitung“ über eine Plauderei, die der bekannte Erotiker Franz Blei in Berlin abgehalten und bei der er Fragen aus dem Auditorium kulant beantwortet hat.

„Wie er in schlichten, nichteifernden Worten sein Bekenntnis gab, konnte man in den ausdrucksvollen Zügen das feine Theologengesicht entdecken, das Max Oppenheimer malte. Verblüffend ist in solchen Momenten auch eine gewisse Ähnlichkeit Bleis zu dem in mancher Hinsicht geistesverwandten Karl Kraus; nur daß der Wiener Kaffeehaustheologe ein so strenger Stilkünstler ist, daß er nur vorlesen kann und sich zu solchen Stegreifexperimenten nicht hergibt.“

Was die Kaffeehaustheologie anlangt, so könnte man mit Recht jeden Pfarrer einen Kaffeehaustheologen nennen, der keine Köchin hat und deshalb im Kaffeehaus den Kaffee nehmen muß. Was die Geistesverwandtschaft mit Herrn Blei anlangt, so ist sie insofern ersichtlich, als Herr Blei meine Aphorismen mit Interesse gelesen hat. Da ich mich aber für Bilderhandel nicht interessiere, so dürfte die Ähnlichkeit doch wieder nur sehr oberflächlich sein und höchstens eine „zu“ mir, aber nicht mit mir. Alles in allem, vermute ich, wird das Gesicht des Herrn Blei meinem Gesicht so verblüffend ähnlich sein, wie ein Porträt des Herrn Oppenheimer einem Porträt von Kokoschka.
(Kraus, Karl: Ähnlichkeit. In: Die Fackel, Nr. 381/382/383, XV. Jahr. Wien, 19. September 1913)

Begriffserklärungen:

Schmock: jiddisch: unangenehmer, rechthaberischer, belehrender, eitler oder arroganter Mensch, Tölpel

Franz Blei (1871–1942): österreichischer Schriftsteller, schrieb u.a. Essays und Literaturkritiken. Er war u.a. auch Herausgeber erotischer Literatur des Barocks und philosophischer Essays über Pornografie zwischen 1905 und 1911.

Max Oppenheimer (1885–1954): österreichischer Maler, um 1913 Anhänger des Kubismus.

Oskar Kokoschka (1886–1980): österreichischer Maler und Grafiker des Expressionismus.

Kaffehaustheologie: Das von Karl Kraus in der Glosse zitierte Wiener Kaffeehaus hat eine lange Tradition. Mann kann sich bei einem Kaffee dort stundenlang aufhalten, Zeitung lesen oder schreiben. Deshalb war das Kaffeehaus lange Zeit Treffpunkt der Wiener Bohème. Das Kaffehaus lieh der sogenannten Kaffeehausliteratur (Vertreter waren u.a. Peter Altenburg, Felix Salten, und Anton Kuh) ihren Namen. Darauf spielt der Artikel in der Frankfurter Zeitung, den Karl Kraus hier glossiert, offenbar an.

Karl Kraus (1874–1936): österreichischer Schriftsteller und Sprachkritiker.

Wie schreibt man eine Glosse?

Das Glossieren ist nicht die leichteste Sache, wie auch Humor und Satire nicht jedem mit in die Wiege gelegt wurden.
Zum einen muss man die Sprache gut beherrschen, sich in wenigen Worten trefflich ausdrücken können. Zum anderen muss gut überlegt sein, welche Verhaltensweisen unsere Unterstützung finden sollten und welche nicht, wo sich welche Widersprüche auftun und ob und wie sie sich lösen lassen.

Wer sich an eine Glosse wagen will, sammelt Ideen und Material zum Thema. Welche Denkanstöße will ich geben, wie kann ich innerhalb eines kurzen Textes dazu hinführen? Was sage ich wie indirekt? Manchen fällt auch zuerst eine Pointe ein. Meist ändert sich ihre Ausformulierung aber noch einmal, wenn man den Aufbau Schritt für Schritt überdenkt.

Mitunter führt erst ein konkreter Anlass dazu, dass aus einer Idee und der Materialsammlung wirklich etwas wird. Nicht selten ist eine mehrfache sprachliche Überarbeitung unabdingbar, um dahin zu kommen, dass alles bis zum Punkt stimmig ist.

Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Glosse." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/index.php/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/glosse (Abgerufen: 20. May 2025, 22:36 UTC)

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