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Anfänge der europäischen Verfassungsdiskussion

Um eine grundsätzliche Reform der EU einzuleiten, wurde im Dezember 2001 auf der Tagung des Europäischen Rats der Europäische Konvent eingerichtet.
Den Europäischen Konvent leitete VALÉRY GISCARD D'ESTAING (geb. 1926), der frühere französische Präsident. Dem Konvent wurde die Aufgabe übertragen, Vorschläge zur Reform der politischen Ordnung der EU zu erarbeiten. Dazu wurde ein Verfassungsentwurf für Europa vorgelegt. Unterschiede zwischen den europäischen Ländern bestehen. Die sich daraus ergebenden Konflikte müssen als Teil des europäischen Intergrationsprozesses verstanden und berücksichtigt werden. Die Schaffung einer kollektiven Identität Europas wird ein langwieriger Prozess sein.

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Der europäische Einigungs- und Integrationsprozess ist begleitet von einer intensiven Debatte um eine Verfassung für Europa. Sie hat in der Vergangenheit in Schüben und in unterschiedlicher Intensität stattgefunden und erlangte im Zuge der ablehnenden Referenden (Volksentscheide) in Frankreich und in den Niederlanden im Mai und Juni 2005 eine Absage.

Erste konkrete Schritte in Richtung auf einen Verfassungsentwurf gehen auf das Jahr 1981 zurück. Damals setze das Europäische Parlament dieses Thema zum Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission im Rahmen einer „Inventur-Debatte“ auf die Tagesordnung. Unter anderem schlug es vor, eine gemeinsame Europäische Verfassung auszuarbeiten. Verschiedene Versuche wurden unternommen, dieses Projekt umzusetzen. Allerdings mussten erst bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, ehe eine öffentliche Debatte in Gang gesetzt werden konnte. Dabei handelt es sich um folgende Vertragswerke:

  • die Einheitliche Europäische Akte (1987),
  • den Vertrag von Maastricht (1992),
  • den Vertrag von Amsterdam (1997),
  • die Grundrechtecharta (2000) und
  • den Vertrag von Nizza (2000).

Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs

Mit der Übernahme der Ratspräsidentschaft durch die Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1999 kam die europäische Verfassungsdiskussion erheblich in Bewegung. Am 4. Juni beschloss der Europäische Rat in Köln die Ausarbeitung einer Grundrechtecharta. Einem überwiegend mit Parlamentariern aus den EU-Mitgliedsstaaten besetzten Gremium gelang es unter Vorsitz des damaligen Bundespräsidenten ROMAN HERZOG (geb. 1934) innerhalb von 9 Monaten, einen tragfähigen Entwurf zu erarbeiten. In der „Grundrechtecharta der Europäischen Union“ sind die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die bislang in verschiedenen europäischen Verträgen niedergelegt worden waren, in einem Dokument zusammengefasst. Die Grundrechtecharta wurde vom Europäischen Rat am 14. Oktober 2000 in Biarritz (Frankreich) angenommen, blieb für die einzelnen Mitgliedstaaten der EU aber unverbindlich.

Das Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Nizza im Jahre 2000 sollte vor allem institutionelle Reformen der EU einleiten. Obwohl das Ergebnis insgesamt ernüchternd blieb, kam das Verfassungsvorhaben doch auf die Agenda der nächsten Regierungskonferenz. Auf Anregung des Europäischen Rates wurde im Jahre 2001 der Europäische Konvent eingerichtet. Diesem kam die Aufgabe zu, einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten. Seit Februar 2002 tagte der Konvent zweimal monatlich in Brüssel und legte am 18. Juli 2003 seinen umfangreichen Verfassungstext vor.

Sinn und Nutzen der Europäischen Verfassung

Zeitgleich mit den Verhandlungen über die inhaltliche Ausgestaltung fand in der Öffentlichkeit eine lebhafte Debatte über den Sinn und Nutzen der Europäischen Verfassung statt. Hintergrund dafür ist die Frage, welche Rolle die EU künftig gegenüber ihren Mitgliedstaaten einnehmen soll. Zwar bestimmen die Verträge der EU zunehmend das Leben der EU-Bürger, doch erwächst ihr und ihren Institutionen daraus keine identitätsstiftende Bedeutung in der Wahrnehmung der Bevölkerung. Diese mangelnde Identifikationskraft der EU wird vor allem auf folgende strukturelle Defizite zurückgeführt:

  • demokratische Legitimationsschwäche der EU-Institutionen,
  • Sprachenvielfalt innerhalb der EU-Bevölkerung,
  • Fehlen einer EU-weiten Öffentlichkeit,
  • geringe Identifikationskraft der EU-Symbole.

Diese mangelnde Identifikationskraft der EU steht in Gegensatz zum Selbstanspruch ihrer Repräsentanten, wonach die EU in erster Linie als eine Wertegemeinschaft angesehen wird. So sei ihre Grundlage der gemeinsame europäische Wertekanon, der jenseits aller politischen, religiösen, weltanschaulichen, lebensweltlichen, ethnischen und geschlechtlichen Differenzen auf folgenden tragenden Säulen beruhe:

  • Gleichheit,
  • Freiheit,
  • Gerechtigkeit,
  • Vernunft,
  • Solidarität,
  • Toleranz und dem
  • Bekenntnis zum sozialen Fortschritt.

Leitender Gedanke der Verfassungsdiskussion war es deshalb, diesem Wertekanon in der Lebenswelt und in der Wahrnehmung der Menschen einen entsprechenden Stellenwert zu verschaffen. Mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine Europäische Verfassung war damit zugleich die Absicht verbunden, eine Vision der EU in das Bewusstsein der Menschen zu rücken und ihr damit die bisher fehlende Identifikationskraft zu verleihen.

Der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ (VVE), d. h. also der fertiggestellte Verfassungsentwurf, wurde schließlich am 29. Oktober 2004 von den Staats- und Regierungschefs im Rahmen einer feierlichen Zeremonie in Rom unterzeichnet. Damit war der Weg frei für den Ratifizierungsprozess (die völkerrechtlich verbindliche Inkraftsetzung) in den 25 EU-Mitgliedstaaten.

Ursprünglich sollte dieser Prozess am 1. November 2006 abgeschlossen sein und die Europäische Verfassung an diesem Tag in Kraft treten. Doch nachdem am 29. Mai und 1. Juni 2005 in Frankreich und den Niederlanden die anlässlich der Ratifizierung der Verfassung veranstalteten Referenden (Volksabstimmungen) ablehnend ausgefallen waren, beschloss der Europäische Rat auf einem Gipfel in Brüssel am 17. Juni 2005, eine „Denkpause“ einzulegen.

Der Vertrag von Lissabon (2007)

Um einen neuen Anlauf für eine Verfassung der Europäischen Union zu starten, wurde am 13.10.2007 von allen 27 Mitgliedstaaten der Vertrag von Lissabon unterzeichnet (siehe PDF "Vertrag von Lissabon"). Dieser Vertrag übernimmt wesentliche Inhalte des abgelehnten Verfassungsentwurfs für Europa. Im Gegensatz dazu ersetzt er aber nicht das bisherige Vertragswerk, sondern er ändert und ergänzt die bestehenden Vertragsgrundlagen des europäischen Integrationsverbandes (EG- und EU-Vertrag).

Die wichtigsten Neuerungen des Reformvertrages betreffen die Ausweitung des Prinzips der qualifizierten Mehrheit für die meisten Politikbereiche bei Entscheidungen des Ministerrates, die Einführung des Amtes eines Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, eine Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments, die Einführung eines europäischen Bürgerbegehrens, eine stärkere Einbindung der nationalen Parlamente in den europäischen Gesetzgebungsprozess sowie die Einführung eines Klagerechts für nationale Parlamente vor dem Europäischen Gerichtshof, die Rechtsverbindlichkeit der EU-Grundrechtecharta und die Regelung eines EU-Austritts.

Der Vertrag tritt „am ersten Tag des auf die Hinterlegung der letzten Ratifikation folgenden Monats“ in Kraft (Art. 54 Abs. 2 EUV-Lissabon). Ursprünglich war ein Inkrafttreten ab dem 1. Januar 2009 vorgesehen. Nach dem ablehnenden ersten irischen Referendum im Juni 2008 verzögerte sich der Zeitplan. Beim zweiten irischen Referendum im Oktober 2009 sprach sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für den Vertrag aus, so dass er zum 1. Dezember 2009 inkraft treten konnte.

Im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise innerhalb der Eurozone seit 2010 taucht häufig der Begiff Fiskalunion auf. Gemeint ist hiermit eine gemeinsame Finanzpolitik der EU-Staaten, die es gestattet, in die Steuer- und Budgetgestaltung von Euro-Mitgliedsländern direkt einzugreifen, wenn sie finanzielle Hilfe der Partner erhalten. Dies würde in Form von neuen Institutionen und Gesetzespaketen geschehen.
Voraussichtlich im Frühjahr 2012 soll ein Konvent die Reform der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) in Angriff nehmen.

  • BWS-POL-0640-03.pdf (2.02 MB)
Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Anfänge der europäischen Verfassungsdiskussion." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/index.php/schuelerlexikon/politikwirtschaft/artikel/anfaenge-der-europaeischen-verfassungsdiskussion (Abgerufen: 14. June 2025, 23:35 UTC)

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Großbritannien und Europa

Großbritannien ist zwar geografisch gesehen ein Teil Europas, doch beanspruchte es lange Zeit eine Sonderstellung. Sie fand ihren Begriff in der “Splendid Isolation”, der zufolge sich Großbritannien vom europäischen Geschehen abkoppelt. Als Inselstaat und Seemacht machte Großbritannien seinen Einfluss in aller Welt geltend, vor allem jenseits des Antlantiks und in Asien, wo sich die Briten eine dauerhafte Vormachtsstellung sicherten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Großbritannien seinen Status als Weltmacht jedoch eingebüßt. Zwar ist es im Commonwealth weiterhin mit seinen einstigen Kolonien verbunden; um aber seine politischen Interessen durchzusetzen, kann es auf die Kooperation mit anderen europäischen Staaten (innerhalb der Europäischen Union) nicht mehr verzichten.

Generelles Beitrittsverfahren zur EU

Der europäische Integrationsprozess nahm seinen Anfang in den 1950er-Jahren mit sechs Mitgliedstaaten, zu Beginn des 21. Jh. umfasst die Europäische Union bereits 25. Im Zuge der sogenannten Osterweiterung, der größten Erweiterungsrunde in der Geschichte der Union, traten am 1. Mai 2004 zehn Staaten der EU bei.
Rumänien und Bulgarien folgten am 1. Januar 2007.

Voraussetzung für eine Mitgliedschaft ist die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien.
Das Beitrittsverfahren gliedert sich in drei Phasen. In der ersten Phase stellt der beitrittswillige Staat seinen Antrag an den Rat. Dieser stimmt nach Stellungnahme der Europäischen Kommission und Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ab. Die Verhandlungen werden in Form von Beitrittskonferenzen zwischen dem Kandidatenstaat, der EU-Präsidentschaft und der Kommission geführt. Nach Unterzeichnung der Beitrittsakte beginnt der Ratifikationsprozess. Hierbei müssen sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat zustimmen. Anschließend erfolgt der Ratifikationsprozess in den Mitgliedstaaten sowie dem Bewerberstaat entweder durch Zustimmung der nationalen Parlamente oder Referenden. Sobald alle Ratifikationsurkunden hinterlegt sind, wird der Staat zum ausgehandelten Zeitpunkt in die EU aufgenommen.

Bedeutung und Probleme der Osterweiterung der EU

Am 1. Mai 2004 traten der EU zehn neue Mitglieder aus Mittel- und Osteuropa (MOE), Zypern und Malta bei. Rumänien und Bulgarien folgten 2007. Diese sogenannte Osterweiterung ist der größte Neubeitritt in der Geschichte der EU und eine ihrer größten Herausforderungen. Bisher wurden maximal drei Länder gleichzeitig aufgenommen. Die Europäische Union wuchs im Mai 2004 um fast 130 Millionen Bürger an.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP)

Auch wenn die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erst mit der Gründung der Europäischen Union (EU) durch den Vertragsschluss von Maastricht 1992 in dieser Art entstanden ist, gab es schon zuvor Versuche der Integration dieses Politikfeldes. Allerdings scheiterten sowohl die Pläne zur Installierung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 1950-54 als auch die Fouchet-Pläne 1960-62. Als Vorläufer der GASP kann die seit 1970 informell bestehende Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) angesehen werden, die 1987 mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) rechtlich verankert wurde.

Durch die GASP soll das politische Gewicht der Union an ihre ökonomische Stärke anglichen werden, indem der Union die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung gestellt werden (Gemeinsamer Standpunkt, Gemeinsame Aktion und Strategie) und entsprechende Strukturen installiert werden (Hoher Vertreter der GASP) sowie im Rahmen der ESVP die notwendigen militärischen und nicht-militärischen Fähigkeiten aufzubauen, um die Petersberger Aufgaben eigenständig erfüllen zu können.

Das Schengener Abkommen (I und II)

1985 unterzeichnen Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten im luxemburgischen Schengen ein Abkommen zur Erleichterung der Grenzabfertigung und für den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Grenzen. Später treten noch Italien, Portugal, Griechenland, Österreich, Dänemark, Finnland und Schweden bei. Island und Norwegen werden durch Kooperationsabkommen ebenfalls Mitglieder des Schengener Abkommens.
Die prinzipielle Regel der Schengener Abkommen I und II ist Freizügigkeit nach innen und Grenzsicherung nach außen. Die Vereinbarungen umfassen den Abbau der Grenzkontrollen und eine Erleichterung des Transportwesens an den Grenzen der Mitgliedstaaten. Zum Ausgleich wird an den Außengrenzen eine verstärkte Absicherung mit verbesserter Zusammenarbeit der Polizeibehörden beschlossen. Das computergestützte, gemeinsame Schengener Informationssystem (SIS) wurde 1995 zur besseren grenzübergreifenden Verbrechensbekämpfung eingerichtet.

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