Die Entwicklung der Naturwissenschaften in der Antike

Ein klare Trennung zwischen rational bestimmter Philosophie und Mythologie wurde zum ersten Mal von den griechischen Naturphilosophen im 5. Jahrhundert v. Chr. vorgenommen. Einige ihrer Ideen kommen den Erkenntnissen moderner Naturwissenschaften sehr nahe. Einen Höhepunkt erlebte die griechische Philosophie in ihrer klassischen Periode. ARISTOTELES (384–322 v. Chr.) hat in vorher nicht erreichter Vollständigkeit das gesamte Wissen seiner Zeit aufgezeichnet. Seine umfangreichen Tierbeschreibungen geben nicht nur einen systematischen Überblick über das Tierreich, sie enthalten auch anatomische, physiologische und ökologische Angaben. Von seinem Schüler THEOPHRASTOS (um 371–287 v. Chr.) sind botanische Werke überliefert, die ebenfalls sehr präzise physiologische und ökologische Beschreibungen enthalten. PLINUIUS DER ÄLTERE (23–79 n. Chr.) fasste das naturkundliche Wissen seiner Zeit in einer Enzyklopädie mit dem Titel Naturalis Historia (37 Bände) zusammen. Am römischen Hof verbesserten PEDANIOS DIOSCURIDES (um 40–90 n. Chr.) und CLAUDIUS GALEN (129–ca. 199 n. Chr.) die Heilpflanzenkunde.

Daten zu den Anfängen der Naturwissenschaften im Altertum

1810–1750 v. Chr.

Die Gesetzessammlung des Königs HAMMURABI VON BABYLON (1810–1750 v. Chr.), der Codex Hammurabi, ist eine der ältesten bekannten Gesetzessammlungen. Die Texte lassen erkennen, dass die Babylonier zu dieser Zeit über umfangreiche Kenntnisse über Landwirtschaft und landwirtschaftliche Produkte verfügten.

1560–1510 v. Chr.

Das vermutlich unter der Regierungszeit des ägyptischen Pharao AHMOSE (1560–1510 v. Chr.) aufgezeichnete Papyrus Ebers enthält zahlreiche medizinische Texte, insbesondere über Krankheiten, deren Symptome und Diagnosen und mögliche Heilmethoden. Der Papyrus enthält Kapitel über Darm-Erkrankungen und Parasiten, Augen- und Hautprobleme, Empfängnisverhütung und gynäkologische Erkrankungen, Zahnheilkunde, die operative Behandlung von Abszessen und Tumoren und zahlreiche Hinweise auf Heilpflanzen und ihre Anwendungen.

624–546 v. Chr.

THALES VON MILET (624–546 v. Chr.) aus dem griechischen Ionien (ägäische Küste der heutigen Türkei), gilt als der Begründer der griechischen Naturphilosophie. Ihm folgen weitere Denker, die heute als Vorsokratiker zusammengefasst werden. Ihr Ziel ist es, alle natürlichen Erscheinungen ohne die Zuhilfenahme göttlicher Einflüsse zu erklären. Sie vertreten das Kausalprinzip, wonach jedes Ereignis eine Ursache und jede Ursache eine Wirkung hat. Der bekannte „Satz des Thales“ besagt, dass ein Dreieck, von dem eine Seite ein Durchmesser des Umkreises ist, ein rechtwinkliges Dreieck ist. Thales erhielt wesentliche Impulse auf einer Ägyptenreise. An seinem Beispiel wird deutlich, dass naturwissenschaftliche und mathematische Kenntnisse von Ägypten und Babylon ausgingen und über Kleinasien nach Griechenland gelangten.

570–500 v. Chr .

Der Arzt und Philosoph ALKMAION VON KROTON (ca. 570–500 v. Chr.) seziert Tierkörper, um Kenntnisse über Aussehen und Lage der inneren Organe zu bekommen. Im Gegensatz zu anderen Naturphilosophen geht er davon aus, dass das Gehirn das zentrale Organ der Wahrnehmung und der Erkenntnis ist. Durch die Entdeckung des Sehnervs kommt er zu der Annahme, dass die Sinnesorgane über Kanäle mit dem Gehirn in Verbindung stehen.

460–370 v. Chr.

Der griechische Arzt HIPPOKRATES VON KOS (ca. 460–370 v. Chr.) wendet sich von magisch-religiösen Heilriten ab und erklärt Gesundheit und Krankheiten aus dem Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle), ganz im Sinne der vorsokratischen Naturphilosophie, die allen Erscheinungen vier Grundelemente (Wasser, Erde, Luft, Feuer) zugrunde legt. Die hippokratische Schule der Heilkunst bestimmt die Medizin teilweise bis in die beginnende Neuzeit. Der Hippokratische Eid, der noch heute vor Antritt eines Arztberufes gesprochen wird, stammt jedoch von Ärzten, die seine Schriften verehrten und wurde ca. 600 Jahre später formuliert.

460–371 v. Chr.

DEMOKRIT VON ABDERA (ca. 460–371 v. Chr.) gilt als der letzte Naturphilosoph des antiken Griechenland. Seine zahlreichen Schriften weisen ihn als Kenner des ganzen damaligen Wissens aus. Er vertritt die Ansicht, dass alle Erscheinungen in das sichtbare „Volle“ und das nichtsichtbare „Leere“ eingeteilt werden können. Das Volle besteht aus unteilbaren, winzig kleinen und für das Auge unsichtbaren Atomen, die von unterschiedlicher Gestalt, Größe und Schwere sind. Dabei nimmt Demokrit an, dass ihre Gestalt regelmäßigen geometrischen Körpern wie Kugel, Zylinder, Würfel oder Pyramide entspricht. In ihrer Verbindung erscheinen Atome als Wasser, Feuer oder auch als Pflanze oder Tier. Er nimmt an, dass es auch Seelenatome gibt. Stirbt ein Mensch, verteilen sich diese Seelenatome und können sich dann einer sich gerade neu bildenden Seele anschließen.

um 384–322 v. Chr.

ARISTOTELES (384–322 v. Chr.) gilt als der bedeutendste Gelehrte, Philosoph und Wissenschaftler des antiken Griechenlands. Viele Wissenschaften sehen in ihm den Begründer ihres Forschungsgebietes. Sein bedeutendstes biologisches Werk besteht in der Beschreibung und Kategorisierung von ca. 500 Tierarten, welche er aufgrund gemeinsamer Merkmale in blutführende Tiere (mit rotem Blut) und blutlose Tiere (ohne rotem Blut) einteilt. Zur ersten höher stehenden Kategorie zählt er lebendgebärende Vierfüßler, eierlegende Vierfüßer, Vögel, Fische, Meeressäugetiere, eierlegende Fußlose (Schlangen), lebendgebärende Fußlose (Vipern) und Menschen. Zur zweiten Kategorie zählt er Weichtiere, Krustentiere, Schaltiere und Kerbtiere. Diese Einteilung entspricht weitgehend der späteren Einteilung in Wirbeltiere und Wirbellose. Er erkennt bereits, dass Delfine und Wale eher mit Landtieren verwandt sind als mit Fischen und dass man Fische aufgrund ihrer inneren Struktur in Knochen- und Knorpelfische einteilen kann. Deshalb gilt ARISTOTELES auch als „Vater der Zoologie“.

371–287 v. Ch.

THEOPHRASTOS (371–287 v. Chr.) studiert zunächst Philosophie bei PLATON in Athen und wird nach dessen Tod Schüler des ARISTOTELES. Er soll über 200 Werke verfasst haben. Seine zoologischen Schriften sind nicht erhalten, wohl aber zwei umfangreiche botanische Werke, die „Ursachen des Pflanzenwachstums“ und die „Geschichte der Pflanzen“. Darin führt er erstmals eine klare Begriffsbildung ein und er kann deshalb mit Recht als Begründer der Botanik gelten. Das Pflanzenreich gliedert er in Bäume, Sträucher, Stauden und Kräuter. In den beiden Werken finden sich eine große Zahl von physiologischen und ökologischen Beobachtungen, insbesondere auch zu Gehölzen und Wäldern, weshalb er z. T auch als erster Forstwissenschaftler bezeichnet wird. Er erkannte bereits, dass auch Pflanzen männliche und weibliche Teile besitzen. Diese Kenntnisse über die Sexualität der Pflanzen gerieten später für lange Zeit in Vergessenheit.

um 300–250 v. Chr.

HEROPHILOS VON CHALKEDON (ca. 330-20 bis 260-50 v. Chr.) und sein Schüler ERASISTRATOS VON KEOS (um 330–um 245 v. Chr.) waren führende Ärzte und Anatomen in Alexandria. HEROPHILOS greift die Vorstellungen von ALKMAION VON KROTON (ca. 570–500 v. Chr.) und HIPPOKRATES auf, dass das Gehirn der Sitz der Intelligenz sei. Er unterscheidet sensorische und motorische Nervenbahnen und die am Pulsschlag erkennbaren Arterien von den Venen. Nach gründlichen Untersuchungen beschreibt er ausführlich die menschlichen Organe Leber, Milz, Auge, Zwölffingerdarm und Eierstock.
ERASISTRATOS untersucht den Aufbau des Gehirns und unterscheidet die zwei Bereiche Großhirn und Kleinhirn. Er vergleicht die Furchungen und Windungen von menschlichen und tierischen Gehirnen und schlussfolgert aufgrund der zunehmenden Ausgeprägtheit auf einen Zusammenhang zwischen Gehirnform und Intelligenz.

ab 200 v. Chr.

Die griechische Naturwissenschaft verliert unter der römischen Herrschaft zunehmend an Bedeutung. Die griechischen Gelehrten wenden sich nun immer mehr der Rhetorik, der Ethik und der Moralphilosophie zu. Aus religiösen und ethischen Gründen wird das Sezieren von menschlichen Körpern als Frevel angesehen und schließlich per Gesetz unterbunden.

46 v. Chr.

Der Julianische Kalender tritt in Kraft. Benannt ist er nach JULIUS CÄSAR (100–44 v. Chr.). Die Dauer eines Jahres wird auf 365,25 Tage festgesetzt.

Jahrtausendwende

Im römischen Reich spielen Philosophie und Wissenschaften nicht die große Rolle, die sie in der griechischen Antike eingenommen hatten. Doch werden die Kenntnisse der Griechen zusammengefasst und gelehrt.

um 30 n. Chr.

Der Römer AULUS CORNELIUS CELSUS (um 25 v. Chr.–um 50 n. Chr.) sammelt griechisches Wissen, auch für naturwissenschaftliche und medizinische Vorlesungen. Sein großes enzyklopädisches Werk Artes umfasst das gesamte Wissen seiner Zeit, neben Militärwesen, Rhetorik, Philosophie, Rechtslehre auch Landwirtschaft und Medizin (als einziges erhalten).

23–79 n. Chr.

Der römische Gelehrte GAIUS PLINIUS SECUNDUS (23–79 n. Chr.), auch PLINIUS DER ÄLTERE genannt, schreibt eine 37-bändige Naturgeschichte (Naturalis historiae libri), in der er das gesamte naturkundliche Wissen von insgesamt 327 älteren Autoren zusammenfasst. Behandelt werden unter anderem Geografie, Zoologie, Botanik und Mineralogie. Das Werk stellt eine unschätzbare Quelle für das antike Wissen dar und beeinflusst die Gelehrten bis ins späte Mittelalter maßgeblich. Nach PLINIUS' Ansicht entsteht nichts auf der Erde zum Selbstzweck, sondern ausschließlich zum Nutzen der Menschheit.

40–90 n. Chr.

Durch die Erweiterung des Römischen Reiches können neue Tier- und Pflanzenarten beobachtet werden. Der griechische Militärarzt PEDANIOS DIOSCURIDES (40–90 n. Chr.) kann unter den Kaisern CLAUDIUS und NERO ausgedehnte Reisen unternehmen. Unter Verwendung älterer Literatur schreibt er eine fünfbändige Arzneimittellehre (De materia medica), in der etwa 1000 Arzneimittel, darunter 813 pflanzlichen und 101 tierischen Ursprungs, behandelt werden. Er ordnet die Arzneimittel nach ihrer medizinischen Wirksamkeit an, nennt zunächst den Namen der Pflanze oder des Tieres und seine Synonyme, dann folgen Herkunft, botanische bzw. zoologische Beschreibung, medizinische Anwendung und Zubereitung und gegebenenfalls mögliche Lagerung. Das Werk hat Vorbildcharakter für viele spätere „Kräuterbücher“. Allerdings können viele der von DIOSCURIDES beschriebenen Pflanzen bis heute nicht zugeordnet werden. Die Pflanzengattung Dioscorea (Yamswurz) wurde von LINNÉ zu Ehren von DIOSCURIDES benannt. DIOCURIDES gilt als der Begründer der Pharmazie.

129–199 n. Chr.

Der griechische Arzt GALENOS VON PERGAMON (CLAUDIUS GALENIUS. deutsch GALEN, ca. 129–199 n. Chr.), gilt als der letzte griechische Arzt und Naturkundige des Altertums. Sein großes Ziel ist die Wiederherstellung der hippokratischen Lehren, v. a. der „Säftelehre“, von denen sich die Bevölkerung bis dahin weitgehend abgewandt hatte. GALEN gilt außerdem als bedeutender Anatom. Er seziert neben Schweinen und anderen Haustieren auch – wegen ihrer Ähnlichkeit zum Menschen – Berberaffen. Er teilt die Organe nach ihren Funktionen ein (z. B. Blutzubereitung, Verdauung, Ausscheidung, Aufnahme und Verbreitung der Luft) und spricht vom Nerven-, Knochen- und Muskelsystem. Er beschreibt das Gehirn und unterscheidet zwischen Empfindungs- und Bewegungsnerven. Sehr genau beschreibt GALEN die Anatomie der Hand und der Finger und ihrer Bewegungen. Zudem beschäftigt er sich mit der Beschreibung vieler Heilpflanzen und ihrer Anwendung. Der Begriff „Galenik“ für die Herstellung von Arzneimitteln aus ihren Ausgangsstoffen, zunächst insbesondere aus Pflanzen, geht auf GALEN zurück. Er wird auch als „ater der Pharmakologie“ (Lehre von den Heilpflanzen) bezeichnet.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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