Ginkgobaum
Die lateinische Bezeichnung ist Ginkgo biloba, der volkstümliche Name ist Japanischer Tempelbaum. Das kommt daher, dass die Ginkgobäume hauptsächlich in Tempelanlagen angepflanzt wurden. Der Ginkgobaum ist der einzige noch lebende Vertreter einer ganzen Klasse von Nacktsamern, die in der Erdmittelzeit (vor 175 Millionen Jahren) in allen Erdteilen vertreten waren. Das erdgeschichtliche Alter des Baums erkennt man u. a. an den männlichen Geschlechtsorganen. Sie sind mit zwei spiraligen Geißelbändern versehen. Männliche und weibliche Blüten wachsen auf verschiedenen Bäumen. Die gelben Samen (des weiblichen Baums) besitzen einen holzigen Kern und sind essbar. Sie gleichen Mirabellen und werden durch Tiere verbreitet. Einzelne Ginkgobäume können über tausend Jahre alt und bis 30 Meter hoch werden. Sie entwickeln eine mächtige Baumkrone.
Die Blätter sind langstielig, etwas ledrig und zweilappig. Wild wachsende Ginkgobäume findet man nur noch in wenigen Provinzen Chinas. Heute werden sie in vielen Städten als Straßenbaum gepflanzt, weil sie Luft- und Bodenbelastungen widerstehen. Sie stehen vor allem seit dem Atombombenabwurf über Japan als Zeichen für das Überleben. Denn als 1945 gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Amerikaner mit zwei Atombomben die japanischen Städte Nagasaki und Hiroshima zerstörten, überlebte als einziges Lebewesen ein Ginkgobaum diese Katastrophe in Hiroshima. Bereits im Frühjahr 1946 trieb ein schwarz verkohlter Baumstumpf neues Grün. Aus diesen Trieben ist inzwischen ein stattlicher Ginkgobaum geworden. Ginkgos überleben auch Feuer.
Der Name Ginkgo kommt von den japanischen Zeichen für Silber (Gin) und Aprikose (Kyo). Die mirabellengroßen Samen besitzen eine gelbsilbrige Samenhülle und erinnern vermutlich durch ihr Aussehen an eine Art „Silberaprikose“. Die Herbstfärbung der Ginkgoblätter ist auch sehr schön.
Der Ginkgobaum sieht auf den ersten Blick aus wie ein Laubbaum, gehört aber als einziger in der heutigen Zeit noch lebender Vertreter zur Klasse der Ginkgopflanzen. Seine flachen, fächerförmigen Blätter haben keine Mittelrippe und keine Queradern. Vor mehr als 100 Millionen Jahren war er auch in Mitteleuropa ein ganz gewöhnlicher und weit verbreiteter Baum. Als Kulturpflanze wurde er nur in China und Japan vor dem Aussterben bewahrt. Seine „primitive“ Stellung im Pflanzenreich zeigt seine Art der Befruchtung: Er entwickelt Spermatozoiden, d. h. sich aktiv bewegende Spermazellen, die schwimmend die Eizelle erreichen und dann mit dieser verschmelzen.
In Europa wird er vor allem wegen seiner Resistenz gegenüber Schadstoffen und wegen seiner allgemeinen Robustheit, z. B. auch gegen schlechte Wetterverhältnisse, als Parkbaum geschätzt. Nach Europa kamen die ersten Exemplare des ungewöhnlichen Baumes Mitte des 18. Jahrhunderts.
Bekanntheit hat er aber auch als Heilpflanze erlangt, seine Wirkung wird mittlerweile auch in der europäischen Schulmedizin geschätzt. Vor allem wird er in der Homöopathie verwendet, denn seine Inhaltsstoffe wirken gefäßerweiternd und steigern die Durchblutung in peripheren Arterien, besonders in den Beinen. Deshalb nutzt man bei arterieller Mangeldurchblutung, z. B. in den Beinen, bei Krampfadern, Raucherbein, aber auch bei Schwindelerscheinungen bei älteren Menschen, die Wirkung der extrahierten Inhaltsstoffe. Auch bei Störungen der Hirnleistung, etwa Vergesslichkeit, und bei Gefäßverengung kann erfolgreich Abhilfe geschaffen werden.
In der chinesischen Medizin wird der Ginkgobaum bereits seit Jahrhunderten auf vielfältige Weise für die Heilung von Krankheiten eingesetzt: Extrakte von Nüssen und Samen des Ginkgobaums werden bei Erkrankungen der Atemwege, des Unterleibs und der Verdauung angewendet. Auszüge der Blätter helfen bei Wunden, Hautflecken und sogar bei Frostbeulen.
Pflanzliche Wirkstoffe des Ginkgos sind u. a. Ginkgolide, Bilobalid, Flavonoide, Glykoside, Flavonoidglykosidcumarylester, Biflavone, Terpene, Terpenlactone, Procyanidine.
In Japan ranken sich viele Sagen um den Ginkgobaum. Dort wird er als Symbol des Lebens, für das Überleben verehrt. Denn nach der verheerenden Atombombenexplosion in Hiroshima 1945 war alles Leben erloschen. Aber im Frühjahr 1946 trieb aus einem schwarz verkohlten Baumstumpf neues Grün. Heute kann man an der Stelle einen stattlichen Ginkgobaum bewundern.
Übrigens: Schon JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749–1832) war von dem Ginkgobaum fasziniert und hat den Ginkgo auf ewig literarisch in seinem Gedicht „Ginkgo biloba“ (1815) verewigt:
Ginkgo biloba
Dieses Baumes Blatt, der von Osten
Einem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten
Wie' s den Wissenden erbaut.
Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt,
sind es zwey die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt.
Solche Frage zu erwiedern
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern
Daß ich Eins und doppelt bin?
Er sandte dieses mit Ginkgoblättern verzierte Gedicht an MARIANNE VON WILLEMER (1784–1860) und begründete damit eine eigenartige Tradition:
Zur Freude der Juweliere schenken literarisch gebildete junge Männer seit der Existenz dieses Gedichts ihren Herzensdamen eine Ginkgo-Blatt-Brosche.