Hans Böheim, der Pfeifer von Niklashausen

Zur Lage der Bauern im ausgehenden Mittelalter

Seit der Zeit der Karolinger gab es kaum noch freie Bauern, die frei von grundherrschaftlichen Bindungen den eigenen ererbten Grund und Boden bewirtschafteten. Die großen Grundherrschaften hatten die ehemals freien Bauern nach und nach „aufgesogen“. Die meisten Bauern hatten aus unterschiedlichsten Gründen Besitz und Freiheit an den Grundherren verloren. Sie lebten und wirtschafteten als unfreie Hörige auf demselben Hof, den sie zuvor als Eigentum besessen hatten, und mussten dem Grundherren dafür Abgaben und Dienste leisten.
Im ausgehenden Mittelalter war die Lage der Bauern in den verschiedenen Teilen des Reiches zwar sehr unterschiedlich. Dennoch hatten die unfreien Hörigen überall ähnliche Lasten zu ertragen.

Zunächst musste der Grundzins an den Grundherrn gezahlt werden. Dabei handelte es sich um eine Art Pacht für den Grund und Boden. Dazu kam noch der Kopfzins, ein pro Person zu zahlender Betrag. Schon im frühen Mittelalter war der Zehnt eingeführt worden. Er bedeutete, dass von allen Erträgen jeweils ein Zehntel an den Grundherren gehen musste.
Durch Unbilden der Witterung oder durch Schädlingsbefall gab es überdies häufig Missernten mit sehr geringen Ernteerträgen. Die Grundherren waren aber an gleichmäßigen Einkünften interessiert und setzten die Abgaben für das Jahr schon vor der Ernte fest. Das führte in schlechten Erntejahren viele Bauern in den Ruin und bedeutet für sie Hunger, Elend und Tod.
Über die regelmäßigen Abgaben hinaus mussten die Bauern verschiedene zusätzliche Leistungen für den Grundherren erbringen. Zu diesen Diensten und Leistungen gehörten:

  • der Blutzehnt (von geschlachteten Tieren),
  • die Heiratsgebühr, so der Grundherr seinen Leibeigenen die Heirat erlaubt hatte,
  • das Besthaupt, das die Hinterbliebenen beim Tod eines Bauern zwang, das beste Stück Vieh, beim Tod einer Bäuerin das beste Kleid abzugeben.

Damit jedoch nicht genug.
Hinzu kamen noch Hand- und Spanndienste der verschiedensten Art, die allgemein auch als Frondienste bezeichnet wurden:

Die Bauern mussten zwei- oder dreimal in der Woche beim Grundherrn zur Arbeit erscheinen, unabhängig davon, ob auf dem eigenen Hof alles liegen blieb oder auf dem eigenen Feld die Ernte verfaulte.

Sie mussten dabei auch ihre eigenen Arbeitsgeräte zum Frondienst mitbringen. Sofern sie spannfähig waren, d. h. Zug- und Arbeitstiere besaßen, betraf das auch Pferd bzw. Ochse und Wagen.

Der Frondienst verlangte von den abhängigen Bauern die verschiedensten Arbeiten: den Wege- und Brückenbau, Einzäunungsarbeiten, Transportarbeiten, die Anlieferung von Brennholz, das Ausheben von Gräben oder Ausbesserungsarbeiten an den Gebäuden des Grundherrn usw.
Besonders verhasst war die Jagdfron. Wann immer der Grundherr eine Jagdgesellschaft eingeladen hatte; die Bauern mussten dann alles stehen und liegen lassen und tage-, ja sogar wochenlang für die verschiedensten Handlangerdienste zur Verfügung stehen. Die Unfreien selbst hatten keine Jagd- oder Fischereirechte. Daher durften sie auch nicht wilde Tiere erlegen, die ihnen auf den von ihnen bebauten Feldern die Ernte zerstörten.

Die Unzufriedenheit der Bauern führte zu Aufständen

Die elende Lebenssituation der Bauern führte seit dem 14. Jh. in Verbindung mit Hungersnöten, der Pest und dem Geldverfall in verschiedenen europäischen Ländern zu Bauernaufständen, beispielsweise 1321 in Flandern, von 1358 bis 1360 in Frankreich und 1381 in England.
In Deutschland rumorte es seit Ende des 15. Jh. Um 1524/25 kam es dann vor allem in Süd- Südwest- und Teilen Mitteldeutschlands zu bedeutenden Erhebungen von geknechteten Bauern, die als Bauernkrieg in die Geschichte eingegangen sind.

Der Pfeifer von Niklashausen

Ein Vorgeschmack auf die Unruhen des Bauernkrieges erlebte die main-fränkische Region im Jahre 1476.
Hier lebte ein junger Hirte namens HANS BÖHEIM, der aus Helmstadt, einem Ort zwischen Wertheim und Würzburg, stammte. Das Jahr seiner Geburt ist nicht bekannt. In die Geschichtsbücher ist er jedoch als das Pfeiferhänslein von Niklashausen eingegangen. Das hing damit zusammen, dass der junge Mann auf bäuerlichen Dorffesten mit Pfeife und Trommel zum Tanz aufspielte.
Eines Nachts erschien BÖHEIM nach eigenem Bekunden die Jungfrau Maria. Sie habe ihn, wie er später berichtete, aufgefordert, als Prophet und Prediger für eine bessere Welt aufzutreten. BÖHEIM kam dieser Aufforderung nach.
Im kleinen Ort Niklashausen gab es eine Kapelle, die der Muttergottes geweiht und zum Wallfahrtsort geworden war. Hier verbrannte BÖHEIM an einem Sonntag im Frühjahr 1476 öffentlich seine Musikinstrumente und berichtete den verdutzten Zuschauern von seiner Marienerscheinung. Er sprach auch davon, dass er den Auftrag erhalten hatte, die sündige Welt zu bekehren.
In den folgenden Wochen erhielt er wachsenden Zulauf, zunächst aus der näheren Umgebung, später aber auch aus Schwaben, Bayern und vom Rhein. BÖHEIM prangerte die katastrophalen Lebensumstände der Bauern und die Missstände in der katholischen Kirche an und erklärte offen, er wolle ein neues Reich Gottes auf Erden errichten, ohne Papst und ohne Kaiser.
Er sprach vermutlich vielen Zuhörern aus dem Herzen, wenn er die bedrückende Lage der Bauern beklagte, auf die Verderbtheit von Geistlichen aufmerksam machte und dazu aufforderte, den irdischen Verlockungen abzuschwören.
Zu seinen Forderungen zählten auch die Abschaffung der Abgaben und Frondienste, eine gerechte Aufteilung des Grundbesitzes sowie Jagd und Fischereirechte für alle.
An manchen Tagen sollen mehrere zehntausend Gläubige nach Niklashausen gepilgert sein, um das Pfeiferhänslein zu hören.

Die Antwort der Obrigkeit – Tod auf dem Scheiterhaufen

Die große Resonanz, die BÖHEIM bei den Armen fand, ging den Herrschenden dieser Gegend, dem Fürstbischof von Würzburg und dem Grafen von Wertheim, bald entschieden zu weit. Der Fürstbischof entsandte im Sommer 1476 eine kleine Abteilung von bewaffneten Reitern nach Niklashausen. Die nahmen BÖHEIM fest und inhaftierten ihn in Würzburg auf der Marienburg.
Schon am folgenden Tag machten sich weit über 10 000 seiner Anhänger auf den Weg in die Bischofsstadt, um ihren Propheten zu befreien. Das war angesichts ihrer kärglichen Bewaffnung und der hohen starken Mauern der Marienburg allerdings nur eine Wunschvorstellung. So wurde HANS BÖHEIM ohne Prozess vom Fürstbischof zum Ketzer erklärt auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Nicht einmal der Widerruf seiner Lehren hatte ihn vor dem Tod bewahren können.
Trotz Verbots wallfahrteten immer wieder gläubige Anhänger des Pfeiferhänsleins nach Niklashausen. Deshalb ließ der Fürstbischof aufs Äußerste erbost im Januar 1477 die Marienkapelle niederreißen. Die Ideen von BÖHEIM konnte er damit aber nicht auslöschen. Das Aufbegehren der Bauern im Bauernkrieg der Jahre 1524/25 machte auch um die main-fränkische Region keinen Bogen, und bereits im Jahre 1529 wurde in Niklashausen die Reformation durchgeführt.
In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat man im Alten Rathaus von Niklashausen eine Pfeiferstube und ein kleines Heimatmuseum eingerichtet.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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