Kautschuk

Kautschuk wurde ursprünglich nur aus dem Milchsaft von Pflanzen gewonnen worden. Heute ist es auch möglich, ihn synthetisch herzustellen und seine Eigenschaften zu optimieren. Somit ist Kautschuk eine Bezeichnung für natürliche oder synthetische Stoffe, die bei Raumtemperatur gummielastische Eigenschaften besitzen. Mit dem Begriff „gummielastisch“ ist gemeint, dass ein Stück Kautschuk seine ursprüngliche Form wieder einnimmt, wenn man es verdreht, gebogen oder auseinandergezogen und dann wieder losgelassen hat. Dies gilt nur solange, bis die Kräfte zu groß werden: Bei starker Belastung lässt sich auch ein Radiergummi in der Mitte durchbrechen.
Bei Erwärmung beginnen manche Kautschuke zu fließen. Dies kann man sich bei der Verarbeitung von Kautschuk als Rohstoff für die Erzeugung von Autoreifen zunutze machen.

HERRMANN STAUDINGER sorgte in der Fachwelt für Furore, als er 1920 behauptete, dass Stoffe wie Naturkautschuk aus sehr großen Molekülen, den hochmolekularen Polymeren aufgebaut seien. Er nannte sie 1922 „Makromoleküle“. Die Bildung von Polymeren durch chemische, kovalente Verknüpfung kleiner Molekülbausteine bezeichnete er als Polymerisation. Dieses Konzept war am Anfang sehr umstritten.

Gewinnung von Naturkautschuk

Kautschuk ist in den Latices (Milchsaft) einiger hundert Pflanzenarten der Euphorbiaceae, Moraceae und Compositae als kolloidale, wäßrige Emulsion enthalten. Diese Emulsion aus Kautschuk und Wasser wird durch das enthaltene Eiweiß stabilisiert.
Unter den vielen Gewächsen aus denen Kautschuk gewonnen werden kann, liefert die ca. 20 Meter hohe Hevea brasiliensis aus dem Amazonasgebiet die höchsten Erträge und die besten Qualitäten. Ihr Latex enthält 30-40 % Kautschuk. Die Weltproduktion von Naturkautschuk betrug 2008 10 Mio. Tonnen, wobei Thailand und Indonesien mit je 3 Mio. Tonnen die Hauptmenge liefern. Theoretisch könnte man auch aus verschiedenen Löwenzahnarten Kautschuk gewinnen, da auch sie Milchsaft produzieren.
Aus der Latexmilch wird mit Säure der Naturkautschuk ausgefällt (koaguliert), dann gewässert, gewaschen und schließlich zu Folien oder Platten ausgewalzt. Nach erneutem Waschen wird der Rohkautschuk getrocknet, zu Ballen verpresst und so zur Weiterverarbeitung versandt.

Eigenschaften und Struktur von Rohkautschuk

Naturkautschuk ist ein Polymer, das aus Isopreneinheiten (2-Methyl-1,3-Butadien) besteht, es handelt sich um cis-1,4-Polyisopren.

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Ein polymeres Kautschukmolekül besteht aus 3 000 bis 10 000 Isopreneinheiten.

Rohkautschuk ist weich und sehr elastisch. Bei Temperaturen um 0 °C wird er aber hart und bei über 150 °C wird er klebrig und zerfließt. Er ist in verschiedenen organischen Lösungsmitteln löslich. Durch die im Polymermolekül enthaltenen Doppelbindungen ist Rohkautschuk sehr reaktiv und wird beim Lagern durch Lichteinwirkung und Luftsauerstoff angegriffen. Das führt zu einer Verschlechterung der Eigenschaften. Dieser Nachteil wird erst durch die Vulkanisation beseitigt.

Außerdem sind die Doppelbindungen des Rohkautschukmoleküls Additionsreaktionen zugänglich: Auf diese Weise können Halogene, Sauerstoff und Schwefel an das Molekül addiert werden. Diese Eigenschaft ist Voraussetzung für die Vulkanisation, aber auch Ursache für das Verspröden des Materials.

Vulkanisation
Die ersten Kautschukartikel waren temperaturempfindlich, klebrig und wiesen einen unangenehmen Geruch auf. Sie bestanden aus einzelnen unvernetzten Polyisoprenmolekülen. Erst durch die Vernetzung erhält man ein stabiles Produkt.
Experimente von F.W. LÜDERSDORFF und E. HAYWARDS hatten gezeigt, dass Schwefel-Kautschuk-Mischungen am Sonnenlicht oberflächlich härten. Auf dieser Grundlage arbeitete CHARLES NELSON GOODYEAR daran, die Eigenschaften von Kautschuk zu verbessern.

Schwefelbrückenbildung bei der Vulkanisation von polymerisiertem trans-1,4-Butadien

Schwefelbrückenbildung bei der Vulkanisation von polymerisiertem trans-1,4-Butadien

GOODYEA R erhitzte Kautschuk mit Schwefel, es entstand ein neues, dem natürlichen Rohstoff überlegenes Produkt. Dieser, nach dem römischen Gott des Feuers „Vulcan“, genannte Prozess der Vulkanisation, schafft durch Schwefelbrücken Verknüpfungen zwischen den einzelnen Polymersträngen im Kautschuk und überführt ihn in einen elastischen Zustand. Bei der Vulkanisation bilden sich Schwefelbrücken sowohl durch radikalische Substitution als auch durch Addition an die Doppelbindungen zweier Polymerketten (Bild 3).

Durch die Vulkanisation werden die Polymerketten weitmaschig vernetzt, bei Krafteinwirkung können sie gegeneinander verschoben werden. Das Produkt ist ein Elastomer, da beim Nachlassen der äußeren Kraft die Verformung wieder rückgängig wird.

Je höher der Schwefelanteil, desto stärker vernetzt liegen die Kautschuke vor und umso härter ist das Produkt.
Da bei der Vulkanisation nicht alle Doppelbindungen in der Kette beansprucht werden, ist das Produkt immer noch empfindlich gegen Luft- und Lichteinwirkung. Durch das Einarbeiten von Füllstoffen wie Ruß, Zinkoxid und Silicaten wird das Produkt stabilisiert und erhält so seine Gebrauchseigenschaften. Trotzdem versprödet aber z. B. ein Reifen oder Radiergummi durch Luft- und Lichteinwirkung im Laufe der Zeit.

Guttapercha

Ein dem Naturkautschuk sehr ähnlich aufgebauter Stoff ist Guttapercha (trans-1.4-Polyisopren). Es unterscheidet sich von Naturkautschuk lediglich durch die trans-Konfiguration, weist jedoch völlig andere Eigenschaften auf.

Bild

Die Makromoleküle können sich eng aneinander lagern und so geordnete kristalline Bereiche mit starken VAN-DER-WAALS-Kräften zwischen den Ketten ausbilden. Daher sind solche Ketten nicht mehr beweglich verschiebbar wie beim Kautschuk, das Produkt ist hart und spröde. Guttapercha dient z. B. zur Isolierung von Unterseekabeln und zur Herstellung chemikalienbeständiger Kitte.

Synthesekautschuk

Die Eigenschaften des Naturkautschuks (sehr gute Elastizität, Dehnung, gute Kälteflexibilität, Zugfestigkeit, schlechte Wärmebeständigkeit) sind nur bedingt beeinflussbar. Zudem kann das Aufkommen an Naturkautschuk bei weitem nicht den Bedarf decken. Beim Synthesekautschuk hat der Chemiker jedoch die Möglichkeit, durch die Wahl und Beeinflussung der Ausgangsprodukte und Molekularstruktur, also der Bauweise des Polymers, Kautschuk nach Maß herzustellen. Diese Eigenschaften können präzise auf den Anwendungszweck und seine Anforderungen zugeschnitten sein.
Technisch lässt sich Synthesekautschuk aus ungesättigten Kohlenwasserstoffen wie Butadien und seinen Derivaten leicht durch radikalische Polymerisation herstellen. Dabei treten cis-1.4-, trans-1,4- und 1,3-Verknüpfungen auf. Die Art der Verknüpfung hat Einfluss auf die Eigenschaften des Polymeren. Außerdem kann man durch Copolymerisation von Butadien insbesondere mit Styrol oder Acrylnitril günstige Produkteigenschaften erzielen. Synthesekautschuk muss ebenfalls wie Naturkautschuk durch das Einarbeiten von Füllstoffen stabilisiert werden.
Circa 60 % der Weltproduktion an Synthesekautschuk sind Styrol-Butadien-Kautschuke mit 25 % Styrolanteil.
Synthesekautschuke sind durchweg dem Naturkautschuk hinsichtlich Verschleißfestigkeit, Vulkanisationsfähigkeit und Alterungsbeständigkeit überlegen.

Elastomere

Elastomere

Isomerie in Polybutadienderivaten

Isomerie in Polybutadienderivaten

Verwendung von Naturkautschuk und Synthesekautschuk

Im Jahr 2008 wurden weltweit etwa 10 Mio. t Naturkautschuk und etwa 13,5 Mio. t Synthesekautschuk hergestellt, im Jahr 1990 waren es etwa 5 Mio. t Naturkautschuk und ca. 10 Mio. t Synthesekautschuk. Die Ausweitung der Kautschukplantagen in den tropischen Ländern zulasten der natürlichen Wälder bringt dabei erhebliche ökologische Folgen mit sich.

Naturkautschuk ist kostengünstig, hat gute mechanische Eigenschaften und ein gutes Dehnungsverhalten. Nachteilig sind die geringere Alterungsbeständigkeit und die schlechte Beständigkeit gegen Öl und Kraftstoffen. Er wird überwiegend zur Herstellung von Flugzeug- und LKW-Reifen verwendet (etwa 70 %), weiterhin für Latex-Produkte (z. B. Matratzen, Teppichrücken). Auch für die Herstellung sehr dünnwandiger Artikel (Handschuhe, Kondome) ist er gut geeignet.

Beim Synthesekautschuk dominiert der Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) mit 50-60 % Anteil am Produktionsvolumen, der besonders für Pkw-Reifen verwendet wird. Reiner Butadien-Kautschuk und synthetischer Isoprenkautschuk werden neben verschiedenen anderen Elastomeren ebenfalls hergestellt.
Wichtige Spezialprodukte mit je 3-5 % Marktanteil sind Nitrilkautschuk (Butadien mit 10-40 % Acrylnitril), der beständig gegen Öl und Benzin ist (Dichtungen im Automobil) sowie Neopren (Poly-2-Chlorbutadien) mit sehr guter Alterungsbeständigkeit und geringer Wasserdampfdurchlässigkeit. Aus Neopren werden u. a. Taucheranzüge hergestellt.
Silikonkautschuk wird für thermisch hoch beanspruchte Teile verwendet und wegen der guten Alterungsbeständigkeit und Elastizität auch bei tiefen Temperaturen zur Verglasung im Bauwesen eingesetzt.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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