WILLIAM SHAKESPEARE (1564–1616) bediente sich – wie in vielen anderen Fällen – der Aufzeichnungen von Historikern und Chronisten, so u.a. des Schriftstellers RAPHAEL HOLINSHED (um 1520–1580), der im sogenannten „Holinshed's Chronicles“ viele geschichtliche Ereignisse Englands und Schottlands in einer Art Chronik vereinte. Eine andere Quelle schöpfte SHAKESPEARE vermutlich aus dem „Scotichronicon“ des noch älteren schottischen Chronisten JOHN FORDUN (nach 1363–um 1387). Dabei darf man das Wort Chronik nicht im heutigen Sinne verstehen. Es handelte sich vielmehr im Interpretationen der geschichtlichen Überlieferungen. Auf HOLINSHED geht beispielsweise zurück, dass MAC BETHAD MAC FINDLÀICH sich gewandelt habe vom königstreuen Heerführer zum Königsmörder, was keinesfalls der historischen Wahrheit entspricht. Diese angebliche Wandlung „vom Paulus zum Saulus“ aber reizte SHAKESPEARE am Stoff. Und er verwob ihn mit Zeitgenössischem: Seit 1603, als ELISABETH I. gestorben war, regierte ein Schotte auch England: JAMES I., 1566–1625) war ein Urenkel der Schwester König HEINRICHs VIII. von England und Sohn der schottischen Königin MARY STUART.
JAMES STUART war zwar in Schottland sehr beliebt, verscherzte es sich aber mit dem englischen Parlament. Auch versuchte der Protestant STUART die Katholiken im Reich zugunsten der Protestanten zu bevorzugen. Im sogenannten „Gunpowder Plot“ (dt.: „Schießpulververschwörung“) versuchten englische Katholiken unter Führung GUY FAWKES, den König zu töten. Diesem Mordversuch waren bereits einige andere vorausgegangen, aber diese erreichte eine besondere Qualität, da nicht nur versucht wurde, den König zu ermorden, sondern das gesamte englische Parlament mitsamt der Königsfamilie zu beseitigen. Noch rechtzeitig vor der Parlamentseröffnung wurde der Plan jedoch entdeckt und die Rädelsführer des Anschlagversuchs festgenommen und später hingerichtet.
Der 5. November ging als „Guy Fawkes Night“ in die Geschichte Großbritanniens ein und wird bis heute gefeiert.
Die Intrigen um JAMES I. flossen in das Stück ein.
Die dramatis personae holte sich SHAKESPEARE aus der Geschichte um MAC BETHAD MAC FINDLÀICH (Macbeth). Wie sein historisches Vorbild ist auch Macbeth Heerführer des Königs Duncan (historisch: DONNCHAD MAC CRÍNÁIN). Malcolm (eigtl. MÁEL COLUIM MAC DONNCHADA) und Donalbain (eigtl. DOMNALL MAC DONNCHADA) sind auch im Drama Duncans Söhne.
Ebenso ist MacDuff (evtl. DUB MAC MAÍL COLUIM) eine historische Figur. Im Stück ist er der wichtigste Antagonist zu Macbeth. Nachdem Macbeth nach HOLINSHED den König getötet hatte und selbst für zehn Jahre zum König geworden war, rief er seine Edelleute dazu auf, Schloss Dunsinane mit aufbauen zu helfen. MacDuff folgte dieser Aufforderung nicht, sondern er verließ Schottland gen England und versuchte von dort aus, Duncans Sohn Malcolm auf den Thron zu bringen. Macbeth soll daraufhin die Familie MacDuffs ermordet haben. Malcolm, MacDuff und andere schottische Edelleute zogen nun mit ihren Truppen gegen die Truppen Macbeths und MacDuff soll ihn in dieser Schlacht erschlagen haben. Diesen Teil entlehnte SHAKESPEARE den „Holinshed's Chronicles“. Darüber hinaus entdeckt er im Schauspiel die Leiche des Königs Duncan.
Lady Macbeth findet ihr historisches Vorbild in GRUOCH INGEN BOITE, eine Tochter von CINÁED MAC DUIB, obwohl SHAKESPEARE hier mehr dichterische Freiheit walten ließ als bei anderen Figuren.
Auch den Charakter des Banquo und seines Sohnes Fleance borgte sich SHAKESPEARE aus den „Holinshed's Chronicles“. Banquo ist bei HOLINSHED ein Komplize Macbeths, als dieser Duncan tötet. Banquo ist auch derjenige, der seine Autorität walten lässt, damit Macbeth König wird. Im Stück baut SHAKESPEARE ihn zu einer Kontrastfigur zu Macbeth aus. Er zweifelt im Gegensatz zu Macbeth an den Weissagungen der Hexen. Glaubt Macbeth noch daran, mithilfe der Hexen König werden zu können, vertritt Banquo die Meinung, dass das Böse den Menschen nie ein Geschenk – außer dem des Untergangs der Menschheit – machen wird. Er widersteht den Verlockungen des Bösen.
Als eine weitere historische Figur erscheint SIWARD bzw. SIGURD, Earl of Northumbria, der tatsächlich 1054 gegen MAC BETHAD MAC FINDLAÍCH zog. Obwohl seine Beweggründe bis heute im Unklaren liegen, gelang es SHAKESPEARE diesen Feldzug in sein Stück „Macbeth“ einzubauen.
Macbeth kehrt nach einer siegreichen Schlacht gegen die Armee des norwegischen Königs Sweno, die in das schottische Königreich eingedrungen war, nach Hause zurück. Hexen hatten ihm vorausgesagt, dass er zum Than von Cawdor ernannt würde. Diese Prophezeiung tritt ein. Doch Macbeth will mehr. Um die dritte Verheißung der Hexen zu erfüllen, ermordet er den wehrlos schlafenden Schottenkönig Duncan. Seine Frau drängte ihn zu dieser Tat. Der Verdacht fällt auf die Söhne des Königs, die aus Angst um ihr Leben fliehen. So kann Macbeth den Königsthron besteigen. Mord reiht sich von nun an an Mord, denn die Mitwisser an den Bluttaten müssen beseitigt werden. Doch Macbeth wird nun auch die Geister der Ermordeten nicht mehr los: Sie verfolgen ihn und Lady Macbeth unerbittlich bis in die Gedanken und Träume. Lady Macbeth begeht Selbstmord, weil sie die Spukbilder nicht mehr los wird. Aber auch die letzte Weissagung der Hexen erfüllt sich. Diese hatten vorausgesagt, erst wenn der Birnamwald zum Berg Dunsinane marschiere, würde Macbeth's Macht gebrochen. Nun marschieren englische und schottische Truppen unter Führung des Duncan-Sohns Malcolm mit Reisern des Birnamwaldes getarnt gegen Macbeth und töten ihn im Zweikampf. Der Weg zum schottischen Thron ist frei für Malcolm.
Stand: 2010
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