Buchmarkt

Von den Schreibstuben zum Buchdruck

Vor Erfindung des Buchdrucks wurden Texte durch Abschreiben vervielfältigt und als Handschriften verkauft oder zum Zwecke erneuter Abschrift aus den Klosterbibliotheken ausgeliehen. Später organisierten neben den Klöstern die Universitäten das Abschreiben und die Ausleihe von wissenschaftlichen, theologischen und zunehmend auch volkssprachlichen Werken. Als sich die Kreise der Interessierten im Spätmittelalter erweiterten, etablierten sich Händler, die Schreibstuben unterhielten und diese Abschriften vertrieben.
Da es zunächst nur wenige Menschen gab, die des Lesens kundig waren, wurden in der Frühzeit des Buchdrucks noch nicht viele Bücher hergestellt. Es zeigte sich aber bald, dass die von JOHANNES GUTENBERG erfundene Technik des Druckens mit beweglichen, in Blei gegossenen Lettern ein sehr effektives Vervielfältigungsverfahren war. Damit konnte ein Vielfaches dessen hergestellt werden, was ein Schreiber schaffte.

Buchdruck und Kirche

Zunächst war die Kirche der Hauptauftraggeber der ersten Drucker. Mit GUTENBERGS Lettern wurden 1454/55 Tausende Ablassbriefe im Auftrag der katholischen Kirche hergestellt. Von der 42-zeiligen GUTENBERG-Bibel wurden 1453/1454 insgesamt 140 Exemplare gedruckt. Der Bedarf an Gebrauchsliteratur stieg gegenüber theologischen Schriften sprunghaft an und so machten vor allem juristische Werke bald den Hauptanteil der Produktion der Druckwerkstätten aus.
Die ersten Druckerzeugnisse aus der Zeit von 1445 bis 1500 nennt man Inkunabeln, Wiegendrucke.

Während GUTENBERG seine angestammte Werkstatt wegen geschäftlicher Querelen aufgeben musste, sorgten seine einstigen Mitarbeiter für die Verbreitung der Buchdruckerkunst. Im 15. Jahrhundert entstanden Buchdruckerzentren in

  • Augsburg,
  • Mainz,
  • Nürnberg,
  • Ulm,
  • Krakau,
  • Lübeck,
  • Venedig,
  • Mailand,
  • London und
  • Paris.

Buchdruck und Humanismus

Die Bewegung des Humanismus im 16. Jahrhundert machte sich den Buchdruck zunutze und verhalf dem Gewerbe zugleich zu einem Aufschwung. Das Interesse an Autoren der römischen und griechischen Antike kurbelte den Buchdruck und den Buchmarkt an.
Gedruckt wurden u. a.

  • AISOPs Fabeln,
  • die Werke von
    – PLATON,
    – HESIOD,
    – ARISTOTELES,
    – SOPHOKLES,
    – EURIPIDES,
    – HORAZ,
    – OVID,
    – CICERO,
    – SENECA.

Drucker-Verleger

Es bildete sich der Typ des gebildeten Drucker-Verlegers heraus, der die Werke nicht nur technisch, sondern auch editorisch betreuen konnte:

  • JOHANN AMERBACH in Basel,
  • ANTON KOBERGER in Nürnberg.

Führende Humanisten wie PHILIPP MELANCHTHON und ERASMUS VON ROTTERDAM betätigten sich als Herausgeber und Korrektoren.

Die rasche Verbreitung der Reformation wäre ohne die Buchdruckerkunst nicht denkbar gewesen. Die theologischen Auseinandersetzungen von Reformation und Gegenreformation fanden zum großen Teil mittels gedruckter Flugblätter statt. Die 4 000 Exemplare von LUTHERS Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ (1520) waren innerhalb weniger Tage vergriffen. Ebenso reißenden Absatz fanden die 3 000 Exemplare von LUTHERS Übersetzung des Neuen Testaments. Dessen weite Verbreitung durch den Buchdruck trug dazu bei, dass die sprachbildende Kraft des Lutherdeutschen seine überwältigende Wirkung entfalten konnte.

Buchvertrieb

Anfangs übernahmen den Buchvertrieb reisende Buchführer, sogenannte Kolporteure. Schon um 1500 gab es jedoch auch erste ortsansässige Sortimentsbuchhändler. In Frankfurt am Main fanden schon im 15. Jahrhundert zwei Buchmessen statt, eine im Frühjahr zu Ostern, eine im Herbst zu Michaelis. Anlässlich dieser Messen wurden Kataloge gedruckt, die das Buchangebot des jeweiligen Halbjahres enthielten.
Im Zuge der Aufklärung und mit der Ablösung des Tauschhandels durch den Nettohandel stieg allerdings Leipzig zur wichtigsten Messestadt auf und machte Frankfurt den Rang streitig. Der letzte Frankfurter Messkatalog erschien 1750.

Zensur

Zum Niedergang der Frankfurter Messe trugen auch die strengen Zensurbestimmungen der kaiserlichen Buchkommission bei. Die Kommission der Leipziger Messe handhabte die Zensurvorschriften offenbar großzügiger. Bereits 1479 hatte der Papst die Kölner Universität mit der Fahndung nach ketzerischen Schriften und deren Verbot beauftragt. Eine Vorzensur ließ sich allerdings nicht durchsetzen und so gab Papst PAUL IV. 1559 einen Index verbotener Bücher heraus. („Index librorum prohibitorum“, auch „Index Romanus“. Der Index erlebte Neuauflagen bis 1948 und hatte bis 1966 Rechtskraft.) 1815 unternahmen der Weimarer Verleger FRIEDRICH JOHANN JUSTIN BERTUCH und der Stuttgarter Verleger FRIEDRICH COTTA einen Vorstoß in Richtung Abschaffung der Zensur und Gewährung von Pressefreiheit. Durch die Karlsbader Beschlüsse nach der Ermordung KOTZEBUES durch einen Burschenschaftler wurden die Zensurmaßnahmen jedoch bis 1848 enorm verschärft.

Kampf gegen Raubdrucke

Obgleich die Landesherren dazu übergingen, Druckprivilegien zu vergeben, konnte das an der unübersehbaren Flut von Raubdrucken wenig ändern. Mit der Aufklärung bildete sich allmählich ein Verständnis von geistigem Eigentum heraus, das im 19. Jahrhundert dann zur Festlegung von Urheberrechten führte. Bis dahin war den Verlegern und vor allem den Autoren erheblicher materieller und ideeller Schaden entstanden, da geistiges Eigentum keinen wirksamen Rechtsschutz genoss. Zwar trugen auch die Nachdrucker zur Verbreitung der literarischen Bildung bei und waren zum Teil sogar, wie in Österrreich JOHANN THOMAS VON TRATTNER, mit fürstlichen Privilegien ausgestattet, um dem Landesherren Einfuhrkosten für Literatur zu ersparen. Sie waren jedoch in der Zunft der Verlagsbuchhändler nicht gut angesehen. In Leipzig blieben die Nachdrucker von der Messe ausgeschlossen, dort hatte der rührige Verlagsbuchhändler PHILIPP ERASMUS REICH 1765 die „Buchhandelsgesellschaft in Deutschland“ ins Leben gerufen. Diese Vereinigung von 56 angesehenen Buchhändlern organisierte den Selbstschutz vor Nachdrucken, indem jeder Fall dem Sekretär REICH zur Kenntnis gebracht werden sollte. Für REICH definierte sich das Eigentumsrecht des Verlegers am Manuskript durch dessen Erwerb und nicht durch das vom Fürsten erteilte „Privilegium“. REICH erwirkte für Sachsen 1773 ein Verkaufsverbot für Nachdrucke und der Berliner Verleger FRIEDRICH NICOLAI dasselbe 1794 für Preußen. Das sächsische Buchwesen war das fortschrittlichste in Deutschland. Hier wirkten nicht nur tüchtige Männer wie der schon erwähnte Verlagsbuchhändler PHILIPP ERASMUS REICH, seine Kollegen JOHANN GOTTLOB IMMANUEL BREITKOPF und JOACHIM GÖSCHEN, hier waren auch die Zunftgesetze lockerer als in anderen deutschen Staaten und ließen in gewissen Grenzen ökonomischen Wettbewerb zu. Die Zunftgesetzgebung erlaubte auch, dass sich verschiedene Gewerbe wie

  • Schriftgießerei,
  • Buchdruckerei,
  • Buchbinderei,
  • Verlag und
  • Buchhandel

unter einem Dach vereinen konnten und sehr starke, wirtschaftlich autarke Firmen bildeten. Leipzig war eine traditionsreiche Handels- und Universitätsstadt, geprägt von wirtschaftlichem und geistigem Liberalismus, und bot somit die günstigsten Voraussetzungen für ein blühendes Buchgewerbe. Um 1780 kam ein Schriftsteller auf 170 Einwohner, in Berlin war es im Vergleich einer auf 675 Einwohner.

Buchmarkt

Autoren und ihr Marktwert

Wie für die Reformation war für die Ideen der Aufklärung das Hauptverbreitungsinstrument die Literatur und somit der Buchdruck. Damals erst begannen sich die Autoren auch für poetische Werke honorieren zu lassen. Bis dahin war es unüblich, die erhabenen Erzeugnisse der Poesie in Geld aufzurechnen. Nur den Autoren wissenschaftlicher Werke hatten die Verleger gewöhnlich Honorare gezahlt, den Dichtern sollte allein das Gedrucktwerden Ehre genug sein. Es lag mehr oder weniger im Ermessen des Verlegers, ob und welches Honorar er dem Autor zahlte. Führende Autoren wie LESSING und WIELAND verteidigten das moralische Recht des Autors auf Honorierung. ADOLF FREIHERR VON KNIGGE hingegen wollte das Bücherschreiben nur als Nebenbeschäftigung in Mußestunden gelten lassen und keinesfalls als Gelderwerb. Das Berufsbild des freien Autors, des „Poetenstandes“, also des Autors, der von seinen Schriften leben konnte, begann sich erst herauszubilden. Die Autoren waren meist im Staatsdienst angestellt oder Lehrer und Professoren. Der große GOETHE stand bei seinem Weimarer Fürsten als Beamter in Diensten und bestritt von diesem nicht unbeträchtlichen Einkommen seinen Lebensunterhalt. Dabei lag GOETHES Verdienst aus seinen Honoraren mit 15 Reichstalern pro Bogen weit oberhalb des üblichen Satzes, der sich um 4 Reichstaler pro Druckbogen bewegte. CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT, der in Leipzig von seinem bescheidenen Gehalt als Professor für Poesie und Beredsamkeit lebte, war zu seiner Zeit ein gefeierter Autor, erhielt aber für seine viel gelesenen Fabeln nur 1,3 Reichstaler pro Druckbogen und machte seinen Verleger WENDLER zu einem reichen Mann. Der berühmte „Messias“-Dichter KLOPSTOCK bekam anfangs auch nur zwischen einem oder zwei Reichsthalern, zusätzlich stattete sein Verleger ihn mit einem Anzug aus. Verbindliche Honorarregelungen gab es nicht, letztlich war das Honorar eine Sache der Verhandlung und Vereinbarung zwischen Verleger und Autor und hatte mit dessen Marktwert zu tun. Für die beliebten Almanache und gut verkäuflichen Romane wurden vergleichsweise hohe Honorare gezahlt. Die Diskrepanz zwischen den ärmlichen Dichtersalären und der Wohlhabenheit mancher Verleger und Buchhändler war auffallend. Aus diesem Grunde versuchten Autoren immer wieder, unter ihnen auch KLOPSTOCK, WIELAND und LESSING, durch Selbstverlag ihre geschäftlichen Nachteile zu begrenzen. Manche Autoren versuchten über Subskription Leser zu gewinnen. Sie warben mit Ankündigungen für ihre Bücher Käufer, die sich mit ihrer Unterschrift zur Abnahme einer bestimmten Anzahl von Exemplaren verpflichteten. Doch diese Wege erwiesen sich als ebenso wenig erfolgreich wie gemeinschaftliche Verlagsunternehmungen von Autoren, beispielsweise die Dessauer Buchhandlung der Gelehrten (1781–1785). Das Büchermachen war, über seine geistige Natur und moralische Zielrichtung hinaus, ein Gewerbe. Die Autoren mussten eingestehen, dass es ihnen

  • am nötigen Betriebskapital,
  • Organisationsgeschick und
  • Geschäftsgeist

fehlte, um erfolgreich Bücher herzustellen und zu vertreiben.

Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der kapitalistische Buchmarkt voll herausgebildet.
Buchproduktion und Vertrieb, anfangs noch in einer Hand beim Verlagsbuchhändler, begannen sich zu trennen. Es entstanden um die Mitte des Jahrhunderts viele neue Verlagshäuser und eine große Zahl von Buchhändlern kümmerte sich um den Absatz. Die Existenz als freier Schriftsteller, unabhängig von der Gunst fürstlicher Mäzene, wurde möglich. Das Buch war zur Ware geworden, Angebot und Nachfrage regulierten den Buchmarkt. Der Qualitätsverlust in der Massenliteratur wurde einerseits beklagt, andererseits war die Kommerzialisierung des Buchmarkts die Voraussetzung dafür, dass sich eine literarische Öffentlichkeit herausbildete, an der nicht nur die gebildeten und gehobenen Stände teilhatten. Mit der Einrichtung von Leihbibliotheken bekamen auch die unteren Schichten Zugang zur Literatur. Freilich orientierte sich der Buchmarkt auf die populären Genres. Einträglich waren Erbauungsliteratur und nach erfolgreichen Grundmustern verfertigte Trivialromane, etwa die Ritter- und Schauerromane. Die Taschenbücher, Musenalmanache und Moralischen Wochenschriften verkauften sich ebenfalls gut. RUDOLF ZACHARIAS BECKERS „Not- und Hilfsbüchlein für den Landmann“ (1788) wurde bis 1811 eine Million Mal abgesetzt. Einer der kommerziell erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit war AUGUST LAFONTAINE, der über 150 Romane veröffentlichte (zum Teil mehrbändige) und dabei durchaus nicht vor Wiederholungen zurückschreckte. Bücherfabrikanten wie er passten sich den Markterfordernissen an und konnten ohne Not von der Schriftstellerei leben.

Buchgewerbe

Buchgewerbe: Zu Beginn des Buchdrucks waren Werke noch hauptsächlich in lateinischer Sprache erschienen. Um 1700 wurden bereits genauso viele deutschsprachige wie lateinische Bücher gedruckt, 1715 bereits doppelt so viele deutschsprachige wie lateinische und 1735 waren 75 % der Gesamtproduktion deutschsprachige Publikationen. Nicht mehr theologische und religiöse Literatur machte den Hauptanteil aus (Rückgang von 43 % im Jahr 1700 auf 29 % im Jahr 1750), vielmehr erlangten Naturwissenschaften und Philosophie (1800: 40 %) sowie Belletristik (1800: 27 %) enormen Zuwachs. Populärwissenschaftliche und poetische Schriften gaben dem Buchmarkt Auftrieb. Im Buchhandel war seit Mitte des 16. Jahrhunderts der Tauschhandel, das heißt der Tausch Bogen gegen Bogen, üblich gewesen. Die Buchhändler tauschten untereinander die Druckbögen nach Menge, egal welchen Inhalts die Werke waren. Grundlage für dieses Geschäft war die Einheit von Verlag und Sortimentsbuchhandel. Es funktionierte bei Schriften theologischen und wissenschaftlichen Inhalts, wurde aber unausgewogen, als poetische Werke immer mehr den Buchdruck bestimmten. Oftmals passierte es, dass ein Buchhändler ein gut gehendes literarisches Werk gegen einen theologischen Ladenhüter eintauschte, auf dem er dann sitzen blieb. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begannen sich die oben schon beschriebenen modernen Formen des kapitalistischen Buchmarktes herauszubilden. Der Leipziger Verlagsbuchhändler PHILIPP ERASMUS REICH hatte daran entscheidenden Anteil. Auf sein Betreiben wurde der Tauschhandel durch den Barhandel, auch Nettohandel genannt, abgelöst. Vorreiter in diesem Verfahren waren die sächsischen und preußischen Buchhändler. Sie bezahlten Bücher nach ihrem geschätzten Marktwert, d. h. gefragte Werke auf hohem wissenschaftlichen oder künstlerischen Niveau, die auch gut ausgestattet waren, erzielten hohe Preise. REICH zahlte seinen Autoren höhere Honorare als allgemein üblich. Die norddeutschen Buchhändler gingen dazu über, Bücher nur gegen Barzahlung oder Kredit abzugeben. Damit waren die Reichsbuchhändler der süddeutschen Regionen und der Schweiz und Österreichs nicht einverstanden und ein jahrelanger Streit entbrannte. Man einigte sich 1788 schließlich auf den im Wesentlichen heute noch gültigen Konditionshandel mit dem Recht der Rückgabe und dem Buchhändlerrabatt bei Weiterverkauf.

Buchpreisbindung

Der Leipziger Verleger GEORG JOACHIM GÖSCHEN machte den Vorschlag, Bücher an den Kunden zu demselben Preis wie an den Buchhändler abzugeben und bereitete damit der noch heute gültigen Buchpreisbindung den Weg.

Börsenverein des deutschen Buchhhandels

FRIEDRICH PERTHES verfasste 1816 die Schrift „Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur“ und erreichte damit eine erhebliche Eindämmung des Nachdruckunwesens. 1825 erwirkte er die Gründung des „Börsenvereins des deutschen Buchhhandels“ und hatte damit die bis heute fortbestehende nationale Standesorganisation der deutschen Buchhändler und Verleger geschaffen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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