Great Vowel Shift

Aussprache und Schreibweise

Im Deutschen entspricht die Aussprache eines Wortes meistens seiner Schreibweise. Einige Wörter wie Ei, kein, mein machen da eine Ausnahme, denn die Doppelvokale e und i werden wie a und i ausgesprochen (wie in Kai). Darum muss jemand, der Deutsch lernt, ein paar wichtige Ausspracheregeln kennen.
Ebenso erlebt jemand, der Englisch lernt, besonders am Anfang viele Überraschungen: Kaum hat man sich die Aussprache von to bear gemerkt, lernt man z. B. das Wort tear kennen, überträgt die Aussprache vom Doppelvokal im Verb auf das Substantiv - und sie stimmt nicht!

Sprachgeschichte

Diese häufigen Abweichungen von Aussprache und Schreibweise werden nachvollziehbar, wenn man die Veränderung der englischen Sprache seit dem Mittelalter genauer betrachtet. Es sind oft die Vokale, die einen in die Ratlosigkeit führen, aber auch die Konsonanten können einem Rätsel aufgeben, man denke an Wörter wie knight / night, write / right / ride, no / snow / now oder einfach nur house.

Das englische Vokalsystem

Die englischen Vokale lassen sich grundsätzlich in drei Gruppen unterteilen: die kurzen einfachen Vokale, die langen einfachen Vokale und die Doppelvokale.
Sprachwissenschaftler bezeichnen die verschiedenen Vokale auch mit den griechischen Begriffen Monophthong bzw. Diphthong. Ein Monophthong ist ein einfacher Laut, denn mono- bedeutet allein, einzig. Die Vorsilbe di- steht für die Zahl 2, also ist ein Diphthong ein Laut, der aus zwei Vokalen besteht.

Kurze Monophthonge gibt es in Wörtern wie
put (kurzes u) - shot (kurzes o),

lange Monophthonge finden wir in Wörtern wie
goose (langes u) - door (langes o).

Es gibt viele Diphthonge, z. B. in snow (o und u), joy (o und i), cow (a und u).
Im Englischen finden sich sogar Triphthonge, also drei Vokale in einer Reihe, z. B. in power (a und u und schwaches e).

Im heutigen Englisch gibt es insgesamt:

7 kurze Monophthonge: [ɪ] in pit, [e] in pet, [æ] in pat, [^] in but, [ɒ] in pot, [ʊ] in put, [ə] in another

5 lange Monophthonge: [iù] in bean, [] in barn, [ɔù] in born, [uù] in boon, [Îù] in burn

8 Diphthonge: [eɪ] in bay, in buyɔɪ in boy, [əʊ] in no, [aʊ] in now, [ɪə] in peer, [eə] in pair, [ʊə] in poor


Diese Vokale bzw. Lautketten wurden nicht immer so ausgesprochen wie heute. Der Vokal a in name wurde im späten Mittelalter wie ein langes a gesprochen, so etwa wie im deutschen Substantiv Name.
Zurzeit von WILLIAM SHAKESPEARE (1564-1616) klang das lange a ähnlich wie das deutsche ä. In der Aussprache des heutigen Standardenglisch, der sogenannten Received Pronunciation, hat das lange a die Qualität eines Doppelvokals (e und i) angenommen.

Veränderung der Vokale


Der heutige Lautbestand ist das Resultat des sogenannten Great Vowel Shift, der Großen Lautverschiebung. Diese Veränderung hat sich zum größten Teil im 15. Jahrhundert vollzogen, also etwa 100 Jahre vor SHAKESPEAREs Geburt. Diese Lautverschiebung hat besonders stark auf die Qualität der langen Monophthonge gewirkt (Vokaltrapez nach DANIEL JONES, Cambridge English Pronunciation Dictionary, 2004:16).

Bisher ist es den Sprachwissenschaftlern nicht gelungen, sich auf eine Begründung für den Beginn des Great Vowel Shift zu einigen, sondern es werden verschiedene Theorien diskutiert.
Alle Englischlerner erfahren aber die Auswirkungen dieser Lautverschiebung, wenn sie die Sprache schreiben: Die Rechtschreibung der Sprache wurde festgelegt, bevor der Lautwandel abgeschlossen war. Wir schreiben also ein Englisch, das schon lange nicht mehr die gesprochene Sprache wiedergibt, sondern eine in dieser Hinsicht veraltete Entwicklungsstufe der Sprache!
Mit anderen Worten: Die heute verwendeten Buchstaben bezeichnen nicht mehr dieselben Laute wie vor über 500 Jahren.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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