School Drop Outs

School Drop Outs gehören zu Großbritanniens ausgesprochenen Sorgenkindern. Nicht nur, weil sie einem Leben voller Schwierigkeiten und Hindernissen entgegen steuern, wenn sie ohne Abschluss von der Schule gehen. Sondern auch, weil sie (meistens) den Staat kosten, anstatt Steuern zu zahlen. Sie sind eine Belastung für Sozialwesen und Arbeitsmarkt, sie sind hoch gefährdet, in den sozialen Sumpf abzugleiten und stellen damit eine potenzielle Gefahr für die Stabilität der Gesellschaft im Ganzen dar. Das Problem mit all seinen möglichen und tatsächlichen Folgen für die Einzelnen, wie für das Land, hat man in Großbritannien längst erkannt. Doch wie die meisten sozialen Probleme ist auch das der School Drop Outs ein kompliziertes, das in den Griff zu bekommen, Weitsicht, einen langen Atem und Reformen erfordert.

Die meisten Drop Outs verlassen die Schule, wenn sie 15 oder 16 sind. Das liegt zum einen daran, dass die Pubertät mit all ihren Auswirkungen auf die Psyche eines Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt voll in Gang ist. Zum größeren Teil aber liegt es an vier Buchstaben, die wie ein gigantischer Eisberg vor jedem britischen Heranwachsenden dieses Alters aufragen: GCSE. Dahinter verbirgt sich die erste Abschlussprüfung, die jeder englische Schüler bewältigen muss, um für eine weiterführende Schule zugelassen zu werden, oder eine Ausbildung beginnen zu können. GCSE ist die Abkürzung für General Certificate Of Secondary Education und bedeutet für britische Teenager enormen Stress: Lernstress, Leistungsdruckstress und Entscheidungsstress. Kritiker des GCSE sagen, dass ein Brite gezwungen wird, mit 16 über seinen ganzen weiteren Lebensweg zu entscheiden. Denn wer sein GCSE nicht schaffe, verspiele meist mehr als nur ein paar Prüfungen: seine Zukunft. Dem musste die Regierung nach einer 1999 durchgeführten Studie zustimmen. In dieser wurde festgestellt, dass das GCSE für viele Jugendliche ein Wendepunkt ist, wobei die Richtung bei ungefähr der Hälfte in den Abstieg, bzw. Schulabbruch weise. Wer die Motivation und Energie für die Prüfung nicht aufbringe, falle durch - und in ein tiefes Loch.
Gelegenheits-Jobben, stagnierende Entwicklung, Drogenmissbrauch, ja sogar Fälle von Obdachlosigkeit wurden als Folge nicht bestandener Prüfung genannt. Der überwiegende Teil der Betroffenen kommt aus sozial schwächerem Umfeld, also nicht so gut verdienenden Familien (low income families). Und: Viele verlassen die Schule, ohne überhaupt erst an den Prüfungen teilzunehmen, weil sie sich von Vorne herein keine Chancen ausrechnen.

Als Reaktion auf die bestürzenden Befunde leitete die Regierung eine Reihe von Maßnahmen ein, die die Bedingungen an den Schulen verbessern und den Prüfungsdruck für die Schüler lindern sollten. Auch die Universitäten bekamen staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe, damit sie sich um Nachwuchs bemühen und ihren Teil tun, den Schülern weiterführende Schulen schmackhaft zu machen.
Um die Kinder aus schlechter verdienenden Familien zu unterstützen, wurden Education Maintenance Allowances eingeführt, eine Art Schulgeld für 16- bis 19-Jährige, mit Hilfe dessen sie die weiterführende Schule finanzieren können.
Ihr Hauptaugenmerk aber richtete die Regierung auf Prävention, das heißt Vorsorge. Rigorose Konzepte wurden entwickelt, um dafür zu sorgen, dass die Schüler anständig auf die Prüfung vorbereitet werden und vorbereitet werden können. Des Übels Wurzel nämlich steckt in einem dem Drop-Out vorgeschalteten Problem: truancy - Schwänzen.
Auch im Schulschwänzen halten britische Jugendliche einen traurigen Rekord: nirgends sonst in Europa wird so häufig unerlaubt dem Unterricht fern geblieben, wie in Großbritannien. Schätzungen zufolge gehen hier täglich an die 50 000 Kinder ohne Grund nicht in den Unterricht. Zumeist sind es männliche Jugendliche im Teenageralter, die das Klassenzimmer verschmähen, oft kommen sie aus oben genannten low income families. Neben schierer Unlust gelten als am häufigsten genannte Gründe fürs Fortbleiben Gruppenzwang der Clique (peer group) und Angst vor Hänseleien und körperlichen Übergriffen von anderen Schülern (bullying), ein Problem, mit dem auch deutsche Schulen zunehmend zu kämpfen haben. Als ein weiterer Grund fürs Schwänzen wird erachtet, dass viele der Betroffenen nicht gut lesen können und aus Angst vor Blamage nicht in die Schule gehen.

Um der Schwänzerei im großen Stil Einhalt zu gebieten, griff die Regierung Ende der 1990er-Jahre zu strengen Mitteln. Die Polizei wurde beauftragt, in den Städten Patrouillen auf Schwänzersuche zu schicken. Ein Gesetz wurde verabschiedet. Seither drohen den Eltern, wenn Schwänzer aufgespürt werden, Geldstrafen bis zu 1 000 Pfund. An manchen Schulen wurden Chipkarten (swipe cards) zum An- und Abmelden eingeführt. Schulen mit guten Anwesenheitsquoten bekamen Belohnungsgelder.

In Stoke-on-Trent übte in einem Versuch gleich die ganze Stadt Schwänz-Boykott: Kinder wurden während der Unterrichtszeit in Kaufhäusern und Geschäften nicht bedient; Lehrer, die Freistunden hatten, begleiteten die Polizei auf ihrer Streife.
Trotz des strengen Vorgehens hat sich die Zahl der Schwänzer bislang nur geringfügig vermindert, weshalb der Ruf nach grundsätzlichen Schul-Reformen immer lauter wird. Man müsse, so die Kritiker, das ganze System verändern und nicht dessen Folgen bekämpfen. Auch größere soziale Gerechtigkeit wird gefordert, mehr Chancen gerade für Kinder aus sozial schwachen Familien, die ohnehin schwierigere Bedingungen zu meistern hätten.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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