Umdenken in der Forstwirtschaft Kanadas

Holz – Reichtum Kanadas

Die von borealen Nadelwäldern sowie Laub- und Mischwäldern bedeckte Landesfläche in Kanada umfasst etwa 4,2 Mio. km². Das sind ohne Binnengewässer 45 % der Fläche des Landes.
Etwa 60 % der Waldgebiete gelten als wirtschaftlich nutzbares „timber productive forest land“. Knapp zwei Drittel des Holzbestandes sind dabei Weichhölzer, 15 % Harthölzer, und 20 % entstammen dem Mischwald.

Im 17. Jahrhundert begann mit der Besiedlung Kanadas durch die ersten europäischen Einwanderer auch die wirtschaftliche Nutzung der reichen Holzvorkommen in immer größerem Umfang, zunächst als Baumaterial für Blockhäuser und als Brennstoff. Unentbehrlich war Holz außerdem für den Schiffbau an der Atlantikküste sowie für den Deichbau an der Fundy Bay.

Anfang des 19. Jahrhunderts gewann der Holzexport an Bedeutung. Holz und Holzprodukte wurden anfänglich hauptsächlich nach England exportiert. Dazu gehörten u. a. Maste für Segelschiffe, für die sich die hohen Fichten und Eichen der kanadischen Mischwälder besonders eigneten, sowie Balken und Bretter. Letztere gingen später zunehmend auch in die USA.

Im 19. Jahrhundert stieg dann der Holzeinschlag aufgrund der wachsenden Nachfrage immer weiter an. Er dehnte sich dabei von der atlantischen Ostküste ins Landesinnere, in die Provinzen Quebec und Ontario, und von dort bis zu den Gebirgen an der pazifischen Küste im Westen aus. Es entstand eine ganze Industrie von forstwirtschaftlichen Betrieben für den Holzeinschlag, den Holztransport und die Verarbeitung des Holzes, u. a. zu Brettern und Balken.

Im Jahre 1864 begann in der Provinz Quebec die Papier- und Zelluloseproduktion. Dadurch wuchs der Holzbedarf noch weiter an, denn schon 36 Jahre später, also um die Jahrhundertwende, arbeiteten mehr als 50 Zellstoff- und Papierfabriken in Kanada. Da die Technologie der Papierherstellung stark verbessert und die technischen Möglichkeiten zur Produktionssteigerung genutzt wurden, konnte Kanada bald die USA mit dem benötigten Zeitungspapier versorgen. Die steigende Nachfrage in den USA nach kanadischem Papier wiederum war Anlass für die Gründung neuer Betriebe bzw. für die Erweiterungen der Produktionskapazitäten in den bestehenden Betrieben.
Das wiederum zwang zur Ausweitung des Holzeinschlags in die nördlicheren Gebiete des Kanadischen Schildes. Von Vorteil waren dabei die großen wasserreichen Flüsse dieser Regionen, die, in den Rocky Mountains entspringend, in die Hudsonbai münden. Einerseits waren sie billige Transportwege; andererseits waren Möglichkeiten zur Gewinnung von Wasserenergie für die sich ansiedelnden Betriebe der Holz-, Papier- und Zellstoffindustrie vorhanden.

Reichtümer sind erschöpflich

Lange Zeit galt der Holzreichtum der kanadischen Wälder als unerschöpflich. Lange Zeit stand deshalb auch ausschließlich die wirtschaftliche Ausbeutung dieses Reichtums im Vordergrund. Darum gab es in Kanada beispielsweise auch keine Behörde, die den Schutz und die Pflege der Wälder überwachte. Erst im Jahre 1900 wurde als ein erster Schritt die Forest Association und im Jahr 1966 das Forestry Development and Research gegründet.
Doch es dauerte noch Jahrzehnte, bis ein Umdenken einsetzte, bis im Sinne nachhaltiger Nutzung die Einsicht heranreifte, die Wälder auch für die kommenden Generationen erhalten zu müssen.
Ihre Durchsetzung in der Praxis wurde aber durch die Besitzverhältnisse erschwert. So verfügen die einzelnen Provinzen über 70 %, private Personen über 6 %, die Bundesbehörde aber nur über 23 % des Nutzwaldes. Der ökonomische Interessenkonflikt war damit vorprogrammiert:
Um u. a. neue Firmen anzusiedeln, Arbeitsplätze zu gewinnen und damit höhere Steuereinnahmen zu erzielen, wurden von der Bundesbehörde weiterhin Lizenzen für den Holzeinschlag vergeben, ohne dabei in jedem Fall die notwendige Wiederaufforstung zu sichern. Das führte zu gewaltigen Kahlschlägen.

Oft liegen die Waldflächen auch sehr abseits, sodass vor dem Holzeinschlag Forstwege angelegt werden müssen. Zumeist sind diese Transporttrassen aber aus Kostengründen nicht genügend befestigt, was zu Bodenerosion führen kann. Diese wird noch durch die Kahlschläge vermehrt, da es eine neue Vegetation schwer hat hochzukommen und damit den Boden vor Ausspülung zu schützen. Damit sind die von der Abholzung betroffenen Flächen meist auf Jahre auch ökologisch gestört.

Ein weiteres großes Problem für den kanadischen Wald sind die von der Industrie herrührenden Schadstoffemissionen, die zu saurem Regen und damit zu Waldschäden bis hin zum Waldsterben führen, selbst in den industriearmen nördlichen Landesteilen.

Seit etwa 1980 haben sich deshalb kanadische Umweltschutzverbände verstärkt für die Belange und gegen die Unzulänglichkeiten der Forstwirtschaft engagiert:
Besonders gefährdet waren seinerzeit die Waldbestände in der Provinz British Columbia. Hier drohte die Abholzung der letzten Regenwaldgebiete der gemäßigten Breiten. Die Umweltschützer organisierten deshalb in den Abnehmerländern Kampagnen gegen die Einfuhr kanadischer Zellstoff- und Papierprodukte. Dies führte z. B. in einigen europäischen Ländern dazu, dass die kanadischen Produkte boykottiert wurden. Damit fielen der kanadischen Wirtschaft wertvolle Einnahmen aus, und der Imageschaden im In- und Ausland war groß.

Der ökonomische Druck und das „erzwungene“ Umdenken bei ökologischen Fragen haben schließlich dazu geführt, dass 1995 durch die Provinzregierung British Columbias ein Raumordnungsplan für den Clayoquot Sound, ein Regenwaldgebiet an der Außenküste von Vancouver Island, erarbeitet wurde, welcher ein Drittel des Gebietes gänzlich unter Naturschutz stellte und für weite Teile den Holzeinschlag stark limitierte.
Im Jahr 2000 wurde dann der Clayoquot Sound als Biospären-Reservat von den Vereinten Nationen ausgewiesen, um den Erhalt dieses Ökosystems nachhaltig zu gewährleisten.
Ein Jahr später unterzeichnete dann die Provinz mit europäischen Papierherstellern und Verlagen noch einen Vertrag zur Erhaltung des sogenannten Great-Bear-Regenwaldes. Danach gilt für bestimmte Täler ein absoluter Stopp des Holzeinschlags.

Das Umdenken innerhalb der Forstwirtschaft und der Gesellschaft führte dazu, dass Regierung, Wirtschaft, Umweltverbände, Öffentlichkeit und die Stammesräte der Indianer gemeinsam die Probleme angehen, um sicherzustellen, dass die kanadischen Wälder nicht nur ausgebeutet, sondern erhalten und regeneriert werden.
Beispielsweise sollen Kahlschläge bestimmte Flächengrößen nicht überschreiten dürfen: 40 ha im Küstenbereich und 60 ha im Landesinneren. Darüber hinaus müssen die abgeholzten Flächen in einem bestimmten Zeitraum wieder aufgeforstet sein. Umweltorganisationen, wie Greenpeace, erhalten bei der Planung von Holzeinschlägen ein Mitspracherecht eingeräumt.
Nicht zuletzt sollen diese Maßnahmen auch das Image des Landes im In- und Ausland wieder verbessern. So ist es jetzt auch möglich, dass sich die Firmen mit einem Zertifikat, welches die nachhaltige Bewirtschaftung und die Wiederaufforstung des Waldes bestätigt, gegenüber ihren Kunden ausweisen können.

Mit dem Umbruch in der kanadischen Forstwirtschaft wird den wirtschaftlichen Interessen nicht mehr die alleinige Priorität wie in den früheren Jahren eingeräumt. Von mindestens gleicher Bedeutung ist auch die Erhaltung der Wälder, auch unter Beachtung von Aspekten der Tourismusentwicklung.

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