Heinrich VIII. und die Entstehung der anglikanischen Kirche im 16. Jh.

HEINRICH VIII. – ein gläubiger und gebildeter Katholik

HEINRICH VIII. wurde 1491 geboren. Nach dem Tod seines Vaters war er seit 1509 König von England. Er wuchs als gläubiger Katholik auf, war auf humanistischem und theologischem Gebiet hoch gebildet und an der Kunst und den Wissenschaften interessiert. HEINRICH VIII. hatte an seinen Hof viele bekannte Gelehrte und Künstler berufen, darunter den Maler HANS HOLBEIN DEN JÜNGEREN.
In einer Schrift gegen den Kirchenreformator LUTHER setzte er sich 1521 für die Beibehaltung der sieben Sakramente der Kirche ein, woraufhin ihm der Papst den Titel „Defensor Fidei“ (lat.: Verteidiger des Glaubens) verlieh. Einige Jahre später löste er die Kirche in England von Rom und dem Papst. Er ließ sich selbst zum „Obersten Haupt der Kirche“ (engl. supreme haed) ernennen und gestaltete die römische zur anglikanischen Kirche um. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

HEINRICHS VIII. erste Ehe und das Problem der Ehescheidung

Noch im Jahr seiner Thronbesteigung hatte er KATHARINA VON ARAGON geheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, die mit Ausnahme eines Mädchens alle starben. Es fehlte also der ersehnte männliche Thronfolger. Deshalb strebte HEINRICH VIII. die Auflösung der Ehe an.
Da es seitens der Kirche keine Ehescheidung gab, verlangte HEINRICH VIII. vom Papst die Annullierung seiner Ehe. was ihm aber von diesem verweigert wurde. Wie bei einem Großteil seiner Regierungsgeschäfte hatte HEINRICH VIII. die Scheidungsangelegenheit zunächst seinem Lordkanzler überlassen. Als es diesem nicht gelang, die Annullierung der Ehe in Rom zu erreichen, setzte er seinen Kanzler ab und ernannte den hochbegabten Humanisten THOMAS MORUS zu dessen Nachfolger. Dieser sprach sich als gläubiger Katholik wie andere Geistliche aber auch gegen die Scheidungspläne aus.

Die Trennung von Rom ...

Die Verweigerung der Eheauflösung durch den Papst war auch der Hauptgrund, weshalb HEINRICH VIII. ab 1527 die Loslösung der englischen Kirche von Rom betrieb.
Und da eine Ehescheidung weder vom Papst noch von der englischen Geistlichkeit zu erreichen war, bediente sich HEINRICH VIII. der Hilfe des Unterhauses, in dem überwiegend der ihm geneigte Land besitzende mittlere englische Adel saß:
Aufgrund eines von ihm herbeigeführten Parlamentsbeschlusses verlangte HEINRICH VIII. 1532 von der Geistlichkeit des Landes, ihn als Oberhaupt der englischen Kirche, als „supreme head“, anzuerkennen. Um die Kirche ganz von Rom zu trennen, hob das Parlament weiter die Unabhängigkeit der kirchlichen Gerichte auf und verbot außerdem jegliche Zahlungen an Rom. Damit war die völlige Trennung von Rom vollzogen. Die „Kirche von England“, die bald als anglikanische Kirche bezeichnet wurde, war jetzt eine National- bzw. Staatskirche, deren Oberhaupt naturgemäß der Monarch war.

... und die Unterwerfung der englischen Geistlichkeit

Nach dem Willen des Königs beschloss das Unterhaus im November 1534 die Suprematsakte. Danach mussten alle Geistlichen, aber auch alle Beamten den sogenannten Suprematseid leisten. Dieser Eid war Ausdruck der persönlichen Anerkennung HEINRICHS VIII. als Oberhaupt des Staates und der anglikanischen Kirche. Wer ihn verweigerte, wurde unweigerlich hingerichtet wie Lordkanzler THOMAS MORUS.
In den darauffolgenden Jahren wurden in England die Klöster aufgelöst. Ihr Besitztum wurde von der Regierung eingezogen. Wie in anderen Ländern während der Reformationszeit, war die Auflösung der Klöster auch in England ein Akt der Herrschenden, um ihren Besitz zu vergrößern.
HEINRICH VIII. verkaufte die enteigneten Kirchenländereien an das gehobene Bürgertum und den ihm ergebenen Adel. Teilweise schenkte er Adligen auch diesen Grund und Boden als Belohnung für deren Wohlverhalten im Parlament bei der Loslösung von Rom. Damit schuf er sich unter dem englischen Adel und dem Bürgertum viele neue Parteigänger.

Die Festigung der anglikanischen Kirche

Die Glaubensinhalte oder die Form des Gottesdienstes wurden in der anglikanischen Kirche zunächst jedoch kaum verändert. Mit der Loslösung der anglikanischen Kirche in England von der römischen Papstkirche ging folglich keine Reform der theologischen Lehre und des geistlichen Lebens insgesamt einher. Im Gegenteil: Die 1539 verkündeten „6 Artikel“ hielten in wesentlichen Punkten an der Glaubenslehre der katholische Kirche fest. Sie wurden auch „Six Bloody Article“ genannt, weil Verstöße gegen sie blutig unterdrückt und mit dem Tode geahndet wurden.
Dennoch gab es eine von Reihe Veränderungen in der anglikanischen Kirche:
Im Jahre 1535 erschien die erste aus dem Latein übertragene englische Bibel und einige Jahre danach das erste englische Gesangbuch, das auch deutsche reformatorische Kirchenlieder enthielt.
Die anglikanische Staatskirche wurde auch inhaltlich weiter abgesichert:
In den sogenannten „10 Artikeln“ wurde 1536

  • die Heilige Schrift als alleinige Grundlage des Glaubens festgelegt.
  • Die Zahl der Sakramente wurde auf drei, Taufe, Buße und Abendmahl, reduziert.
  • Alle anderen Sakramente wurden abgelehnt, da sie angeblich nicht aus der Bibel abzuleiten waren.

Die Festigung der anglikanischen Kirche wurde nach dem Tod HEINRICHS VIII. im Jahre 1547 von seinen Nachfolgern mit unterschiedlichen Zielen und unterschiedlichen Ergebnissen fortgesetzt. Zum Verständnis ist es notwendig, die „Heiratspolitik“ HEINRICHS VIII. genauer zu betrachten.

Das Problem der Thronfolge – die 6 Ehen HEINRICHS VIII.

In den meisten europäischen Ländern war in der damaligen Zeit vorgeschrieben, dass nur ein männlicher Nachkomme auf den Königsthron gelangen konnte. Aus diesem Grund ging HEINRICH VIII. sechs Ehen ein, aus denen u. a. ein Junge und zwei Mädchen hervorgingen, die HEINRICH VIII. als englische Königinnen bzw. als König nachfolgten:

  • Von den 5 Kindern aus seiner ersten Ehe mit KATHARINA VON ARAGON überlebte nur ein Mädchen, die spätere Königin MARIA I. (1553–1558).
  • Seine zweite Frau, ANNA BOLEYN, gebar HEINRICH VIII. nur eine Tochter, die später England als Königin ELISABETH I. (1558–1603) regierte. Ihre Mutter ließ HEINRICH VIII. nach dreijähriger Ehe wegen angeblicher Untreue enthaupten.
  • Seine dritte Frau, JANE SEYMOUR, die er wenige Tage danach heiratete, gebar ihm seinen ersten Sohn und starb noch im Wochenbett. Ihr Sohn wurde als EDUARD VI. (1547–1553) sein direkter Nachfolger.
  • Aus der vierten Eheschließung HEINRICHS VIII. mit ANNA VON KLEVE, die aus machtpolitischen Gründen erfolgte, gingen keine Kinder hervor.
  • Seiner fünften Frau, der etwa 20-jährigen CATHERINE HOWARD, wurde er bald überdrüssig und ließ sie wie seine zweite Frau wegen angeblichen Ehebruchs hinrichten.
  • Seine sechste Frau, CATHERINE PARR, überlebte HEINRICH VIII. schließlich selbst nicht.

Die Nachfolger HEINRICH VIII. und die anglikanische Kirche

Ausbau der Kirche unter EDUARD VI.

Nach dem Tod HEINRICHS VIII. wurde sein einziger, damals erst 10 Jahre alter Sohn als EDUARD VI. offiziell zum König gekrönt. Die Regierungsgeschäfte übte der Onkel des Minderjährigen aus. Dieser wollte noch mehr reformatorische Elemente in der anglikanischen Kirche durchsetzen. Dazu wurde das „Common Prayer Book“, das allgemeine Gebetbuch, eingeführt. Es enthält die Grundlagen der anglikanischen Kirche, darunter die Gottesdienstordnung und einen Katechismus, in dem die Glaubensinhalte niedergeschrieben waren.
Hinsichtlich der Glaubenslehre steht danach die anglikanische Kirche der protestantischen Kirche nahe, während der Gottesdienst eher an eine Messfeier in der katholischen Kirche erinnert.

MARIA I. und der Versuch zurückzurudern

Wie ihre Stiefschwester ELISABETH war HEINRICHS Tochter MARIA nach der Scheidung HEINRICHS von ihrer Mutter für illegitim erklärt worden. Beide Töchter konnten also nicht auf den Thron gelangen. Durch einen Parlamentsbeschluss wurden jedoch beide 1544 zur Thronfolge zugelassen.
Anders als ihre Halbschwester war MARIA der katholischen Glaubensrichtung treu geblieben, weshalb sie auch „Maria die Katholische“ genannt wurde. Schon bald nach ihrer Krönung begann sie mit einer rigorosen Politik der Rekatholisierung und verzichtete sofort darauf, Oberhaupt der englischen Kirche zu sein. Die Kirchengesetze ihres Vaters ließ sie durch Parlamentsbeschluss aufheben und begann eine scharfe Protestantenverfolgung. Fast 300 Anhänger der anglikanischen Richtung ließ sie hinrichten, was ihr den Namen „Bloody Mary“ eintrug.
Ihre Ehe mit dem König von Spanien, PHILIPP II., blieb kinderlos. Deshalb folgte ihr nach ihrem Tod die Halbschwester ELISABETH auf dem englischen Thron.

Die Wiederaufrichtung der anglikanischen Kirche unter ELISABETH I.

Nach ihrer Krönung vollzog ELISABETH I. erneut die Trennung von Rom, belebte die Suprematsakte und erklärte sich wieder zum Oberhaupt der Kirche in England. Geistliche und Beamte mussten, wie schon unter ihrem Vater, den Suprematseid leisten. Mit einem neuen Gesetz, der Uniformitätsakte, wurde auch das „Common Prayer Book“ wieder eingeführt.
In ihrer Kirchenpolitik ging ELISABETH I. behutsam vor. So erfolgte der Verzicht auf die Hinrichtung ihrer kirchlichen Gegner aus der Überlegung heraus, keine Märtyrer zu schaffen. Anders verhielt sie sich im Konflikt mit der schottischen Königin MARIA STUART. Die bei Auseinandersetzungen mit dem schottischen Adel unterlegene Königin floh 1568 nach England. Als Katholikin und mögliche Anwärterin auf den englischen Thron erhielt sie von ELISABETH I. nicht die erhoffte Hilfe, sondern wurde nach jahrelanger Haft 1587 aufgrund eines Parlamentsbeschlusses hingerichtet.
Kurz vor ihrem Tod bestimmte ELISABETH I. den schottischen König JAKOB VI., den Sohn MARIA STUARTS, zu ihrem Nachfolger. Dieser regierte ab 1603 als JAKOB I. über England und Schottland und war zugleich Oberhaupt der anglikanischen Kirche.

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