Es seien k ein Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r sowie P ein Punkt dieses Kreises.
Dann ist (mit den entsprechenden Ortsvektoren )
eine Gleichung der Tangente an k im Berührungspunkt P.
Wir wollen nun der Frage nachgehen, welche Punktmenge durch die Gleichung (1) beschrieben wird, wenn P ein beliebiger Punkt der Ebene ist.
Für den Fall besitzt (1) offenbar keine Lösung, wir setzen daher für die weiteren Betrachtungen voraus.
Nehmen wir an, wir haben zwei Punkte gefunden, die (1) für einen beliebigen aber festen Punkt P mit erfüllen, für die also gilt:
Aufgrund der Eigenschaften des Skalarprodukts müssen dafür die senkrechten Projektionen der Vektoren auf den Vektor (in der folgenden Abbildung rot markiert) übereinstimmen. Die Gerade p durch steht also senkrecht auf der Geraden g durch M und P.
Offenbar gilt für jeden Punkt X der Geraden p die Gleichung (2). Deren Abstand vom Mittelpunkt M des Kreises ist gleich dem Betrag der in obiger Abbildung rot markierten Projektionen. Damit erhalten wir ein erstes wichtiges Ergebnis:
- Satz: Für jeden Punkt P mit beschreibt die Gleichung
die zu senkrechte Gerade p, für deren Abstand zum Mittelpunkt M des Kreises Folgendes gilt:
Offenbar ist für jeden Kreis die Zuordnung eine eineindeutige Zuordnung der Punkte der Ebene (ausgenommen M) auf die Geraden der Ebene, die nicht durch M verlaufen. Diese Abbildung heißt auch Polarität am Kreis k, der Punkt P und die Gerade p werden Pol bzw. Polare genannt.
Um weitere Eigenschaften von Pol und Polare zu untersuchen, führen wir eine Fallunterscheidung durch:
Fall 1:
Dieser Fall beschreibt unsere Ausgangsposition: Der Punkt P liegt auf dem Kreis k.
Die Gerade p ist daher die (zu senkrechte) Tangente an k im Berührungspunkt P.
Fall 2:
Aus Gleichung (3) folgt, dass die Gerade p den Kreis in zwei verschiedenen Punkten schneidet.
Schreibt man Gleichung (1) für den Punkt auf, so ergibt sich:
Folglich liegt der Punkt P auf der Tangente an den Kreis K im Punkt
Analoges gilt für den Punkt
Die Gerade p ist also Verbindungsgerade der Berührungspunkte der beiden Tangenten durch den Punkt P an den Kreis k.
Fall 3:
Der Punkt P liegt im Inneren des Kreises k, und nach Gleichung (3) ist die Gerade p eine Passante zu k im Abstand
Bezeichnet man den Schnittpunkt von und p mit und die Parallele zu p durch P mit so befinden sich offenbar in der gleichen Konstellation wie P und p in Fall 2.
Der Pol P liegt also auf der Verbindungsgeraden der Berührungspunkte der Tangenten durch an den Kreis K, und die Polare p verläuft parallel zu dieser Geraden.
Aus der Gleichung (1) ergibt sich leicht eine interessante Eigenschaft der Polarität am Kreis, die an dieser Stelle noch angegeben werden soll:
- Für jede Gerade p, die nicht durch den Mittelpunkt M von k verläuft, schneiden sich die Polaren zu den Punkten von p im zur Geraden p gehörigen Pol P.
Umgekehrt liegen die Pole aller durch P mit verlaufenden Geraden (die M nicht enthalten) auf der zum Punkt P gehörigen Polaren p.
Man sieht dies leicht, denn für einen Punkt A von p gilt
und die Gleichung der zu A gehörigen Polaren
wird daher auch vom Punkt P erfüllt.
Ist umgekehrt a eine Gerade durch den Punkt P mit dem Pol A, so gilt
Der Punkt A liegt also auf der Polaren p zum Pol P.