Modellanalyse Popmusik

Das siebente Album der BEATLES schloss mit dem Song "Tomorrow Never Knows" ab. Dieser war einer der ersten in der Geschichte der populären Musik, der die technischen Möglichkeiten des Aufnahmestudios nicht nur zur Klangaufzeichnung, sondern auch zur Klangerzeugung nutzte. Der wie ein Musikinstrument behandelte Song war damit seiner Zeit weit voraus.

Das dreiteilige Stück in der Form ABA, eingerahmt von Intro und Outro, basiert auf einem Textzitat aus einem Buch „The Psychedelic Experience“ von TIMOTHY LEARY und RICHARD ALBERT.

Der Song ist im Wesentlichen aus drei Grundelementen zusammengesetzt (die Notation dient nur der Veranschaulichung):

Das erste Element ist die durch Flangereffekt (Kammfilter-/Interferenzeffekt) versehene Singstimme von JOHN LENNON, die mit der achttaktigen Strophenmelodie sieben Mal zu hören ist; die letzten vier Mal sind durch Leslie stark verfremdet.

Das zweite Element umfasst vier Tape-Loops (Tonband-Schleifen):

  • Loop 1 ist ein mövenschreiartiger Effekt, wobei das Ausgangsmaterial dafür das Lachen Paul McCartneys war, das mehrfach aufgenommen, beschleunigt und dann übereinandergemischt wurde. Es ist fünf Mal im Stereoklangbild sowohl von rechts wie von links kommend zu hören.
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  • Loop 2 ist ein orchestraler B-Dur-Akkord mit hinzugefügter Sekunde und Quarte, der acht Mal zu hören ist:
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  • Loop 3 ist eine auf dem Mellotron gespielte Streicherfigur:
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  • Loop 4 (0:56-1:01) ist eine weitere auf dem Mellotron gespielte Streicherfigur, die insgesamt sieben Mal, teils stark beschleunigt, zu hören ist:
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Das dritte Element ist eine ostinate eintaktige Begleitfigur, die von Schlagzeug und einem orgelpunktartigen Bass geliefert wird und unverändert den gesamten Titel durchläuft. Sie ist mittels Kompressor (Regelverstärker zur Pegelbegrenzung) verfremdet, sodass ein etwas dumpfer, aber markanter Klang entsteht, über den ein flimmerndes Beckengeräusch gelegt ist:

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Die Produktion des Songs erfolgte in mehreren Phasen, wobei die vier Tape-Loops zunächst auf vier Spuren gelegt und dann teils übereinander, teils ineinander verwoben auf eine Spur heruntergemischt wurden. Diese ist auf ein weiteres Vier-Spur-Band umkopiert worden, auf dessen drei verbleibenden Spuren dann sowohl die Begleitfigur, Orgel und Sitar sowie die Singstimme aufgenommen wurden. Das Gesamtergebnis ist in einem abschließenden Mischvorgang auf die zwei Stereokanäle verteilt worden.

Insgesamt ist dabei ein komplex geschichtetes, räumlich gestaffeltes und zwischen den beiden Stereokanälen bewegtes Klangbild entstanden, das in eine dreiteilige Songform gebracht wurde. Die drei Teile sind in sich noch einmal gegliedert, sodass sich folgender Aufbau ergibt (die Bezugsebene ist wie im Studio selbst die abgelaufene Zeit in Minuten und Sekunden):

Intro0:00 – 0:11

0:00 – 0:03
0:03 – 0.07
0:07 – 0:11

anschwellender Sitar-Ton
Begleitfigur in Schlagzeug und Bass
Tape-Loop 1
A0:10 – 0:550:10 – 0:25
0:25 – 0:40
0.40 – 0:55
a (achttaktige Strophe)
a (achttaktige Strophe)
a (achttaktige Strophe)
B0:55 – 1:260:55 – 1:10
0:11 – 1:26
Tape Loops 1– 4
Sitarfigur
A’1:26 – 2:261:26 – 1:41

1:41 – 1:56

1:56 – 2:11

2:11 – 2:26
a’ (achttaktige Strophe, elektronisch verfremdet)
a’ (achttaktige Strophe, elektronisch verfremdet)
a’ (achttaktige Strophe, elektronisch verfremdet)
a’ (achttaktige Strophe, elektronisch verfremdet)
Outro2:26 – 2:552:26 – 2:48

2:48 – 2:55
a’’ (die letzten beiden Takte der achttaktigen Strophe wiederholt)
Klavierfigur, ausgeblendet

Das Stück markiert mit der virtuosen Nutzung der Aufnahmetechnik den endgültigen Umschlag von der Musikaufzeichnung zur Musikproduktion, von der Aufzeichnung einer Musikaufführung zu einer Musik, die erst im Studio entsteht und nur mittels der hier eingesetzten Technik zur Klangerzeugung und -bearbeitung realisierbar ist.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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