Einführung in die Biologie

Die Biologie bestimmt unser Leben

Was haben der Schädlingsbefall im Kleingarten, der Bakterien übertragende Zeckenbiss, das Waldsterben und die Suche nach einem neuen Antibiotikum gemeinsam? Alle diese Erscheinungen und Vorgänge sind biologischer Natur. Stets sind Lebewesen im Spiel. Ihre Verschiedenartigkeit und ihre unterschiedlichen Lebensäußerungen machen die enorme Vielfalt biologischer Phänomene aus. Ziel der Wissenschaft Biologie ist es, diese Vielfalt auf allen Ebenen zu erforschen, das biologische Wissen zu strukturieren und die in der belebten Natur wirkenden Gesetzmäßigkeiten zu erkunden.

Ging es dabei lange Zeit vor allem um das Auffinden, Beschreiben und Ordnen von Lebewesen, so steht heute die experimentelle Erforschung von Lebensvorgängen im Vordergrund. Diese Untersuchungen reichen von der molekularen Ebene bis zur Erforschung globaler Stoff- und Energieflüsse. Dabei haben die molekulargenetischen Erkenntnisse, die durch das Modell der DNA symbolisiert werden, in den letzten Jahrzehnten eine besondere Bedeutung erlangt. Technische Anwendungen biologischer Forschungsergebnisse gewinnen zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung. In der Medizin hofft man auf Heilung bisher unheilbarer Krankheiten und Leiden, in der Pharmaindustrie setzt man auf neue effektive Verfahren der Medikamentenherstellung, in der Landwirtschaft will man mit transgenen Kulturpflanzen und Nutztieren neue Dimensionen der Agrarproduktion erreichen.

Der menschliche Drang nach Erklärungen

Von allen Lebewesen, die es jemals auf der Erde gab, besitzt der Mensch die am weitesten entwickelten geistigen Fähigkeiten. Im Laufe der Geschichte der Menschwerdung entwickelte sich das menschliche Gehirn zu einem hoch spezialisierten, komplexen Organsystem, welches es uns u. a. ermöglicht über uns und unsere Umwelt nachzudenken und Fragen daran zu richten. Als sich die Menschen vor vielen Jahren Fragen über die Welt, die sie umgab und in der sie lebten, stellten, gab es Begriffe wie Biologie oder Wissenschaft natürlich noch nicht. Ausgehend von existierenden Objekten wurden diese zunächst betrachtet oder beobachtet, beschrieben (verbal oder bildlich, Höhlenzeichnungen), verglichen, zusammengefasst und geordnet. Fast bis zum 18. Jahrhundert gab es keine einheitliche oder zusammenfassende Begrifflichkeit für die Phänomene der lebendigen Natur.

Trotzdem gab es auch damals schon Menschen, die sich mit dieser Erklärung allein nicht zufriedengaben und auf vernunftmäßigem Weg nach dem tieferen Sinn des Lebens und der Beschaffenheit der Natur suchten (erstmalig griechische Bewohner im 5. Jahrhundert v.Chr.). Diese Menschen nennt man auch Philosophen oder Naturphilosophen, jedoch war es ihnen ohne technische Hilfsmittel allein an Hand ihrer Beobachtungen nur möglich, Vermutungen darüber anzustellen. Dennoch enthalten einige Theorien früherer Philosophen schon grundlegende Gedanken, die in späterer Zeit lediglich vervollständigt, präzisiert oder korrigiert wurden. Beispielsweise beschäftigte den griechischen Philosophen Demokrit bereits die Idee, dass alle Phänomene auf der Erde aus gleichartigen Teilchen aufgebaut sind, den sogenannten Atomen (griech. atomos = unteilbar). Er nahm an, dass eine unterschiedliche Zusammensetzung dieser auch unterschiedlich gestalteten Teilchen die Vielfalt der Erscheinungen bedingt. Schließlich zerfallen laut DEMOKRIT die Atome einer Naturerscheinung (bei Lebewesen durch Tod), finden sich neu zusammen und bilden somit eine neue Existenzform.

Zunächst erfolgte also so etwas wie eine Bestandsaufnahme der existierenden Erscheinungen, sie wurden beschrieben, miteinander verglichen und schon nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden klassifiziert. Da die äußere Betrachtung nur einen geringen Teil zur Erklärung vieler Phänomene beiträgt, stießen die Menschen noch an Grenzen und viele Fragen blieben ungeklärt oder ließen sich nur lückenhaft beantworten. Der menschliche Drang nach Erklärung ließ schon frühzeitig die Mythologie entstehen, das heißt die Deutung natürlicher Erscheinungen als Werk göttlicher Mächte.

So wurden eine lange Zeit viele Untersuchungen und Forschungen unabhängig voneinander an verschiedenen Naturerscheinungen anhand unterschiedlicher Hilfsmittel vorgenommen. Während der langen Zeit des Mittelalters gab es nur wenige wissenschaftliche Unternehmungen, denn die Mächtigen der Kirche unterbanden fortschrittliches Gedankengut zu Gunsten der religiösen Vorstellungen über Art und Verlauf des Lebens. Trotzdem beschäftigte die Frage nach der Entstehung des Daseins und das Phänomen des Lebendigen die Menschen in allen Zeitepochen. Der Fortschritt auf physikalischem und chemischem Gebiet brachte einige technische Erfindungen hervor, die es ermöglichten, nun auch in innere Strukturen von Naturobjekten vorzudringen.

Die Zelle als Ausgangspunkt alles Lebendigen und der Biologie

1665 beschrieb erstmalig der englische Wissenschaftler ROBERT HOOK den kleinsten Bestandteil eines lebenden Organismus: Er entdeckte nach der Erfindung des Mikroskops zum Vergrößern sehr kleiner Strukturen winzige Kästchen in einer Scheibe Eichenrinde (Kork). Durch das mikroskopische Sehen konnte man nun in Ebenen vordringen, die mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen waren. Da er glaubte, diese Kästchen wären nur eine typische Eigenschaft von Kork, wurde ihm die große Bedeutung seiner Entdeckung nie bewusst. Erst als durch die Verbesserung der optischen Hilfsgeräte andere Wissenschaftler ähnliche Strukturen in unterschiedlichen Objekten entdeckten (LEEUWENHOEK: einzellige Organismen in Wassertropfen, Blutzellen und Spermazellen), leiteten die deutschen Wissenschaftler THEODOR SCHWANN und MATTHIAS VON SCHLEIDEN fast 200 Jahre später (1839) eine universelle Gültigkeit und damit verallgemeinernde Aussage ab: Zellen sind die Grundbausteine (und damit ein Muss) allen Lebens, d. h. alle Lebewesen bestehen aus mehr oder weniger vielen Zellen.

Dieser Kern ihrer Zelltheorie wurde später erweitert um die Vorstellung, dass alle Zellen auch immer von Zellen abstammen. Die Fähigkeit von Zellen, sich zu teilen, nachzuwachsen und dadurch neue Zellen hervorzubringen bildet die Grundlage für jede Art von Fortpflanzung, Wachstum oder Reparatur vielzelliger Organismen. Mit dieser Theorie wurde der Ausgangspunkt für die Entstehung einer selbstständigen Wissenschaft für die Welt des Lebendigen geschaffen.

Der Begriff „Biologie“

Jetzt bestand also die Notwendigkeit und das Interesse, Lebewesen und Lebenserscheinungen gesondert zu erforschen. So schlugen im Jahr 1802 JEAN-BAPTISTE DE LAMARCK (1744–1829) und LUDOLPH CHRISTIAN TREVIRANUS (1779–1864) unabhängig voneinander die Bezeichnung „Biologie“ für die Zusammenfassung und Weiterentwicklung der Kenntnisse über die lebende Materie vor.
Der Begriff Biologie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Lehre vom Leben“ (bios = Leben, logos = Lehre). Nimmt man es mit der Wortbedeutung genau, müsste die Biologie eigentlich Zoologie heißen, denn das griechische Wort „zoe“ bezieht sich auf die Gesamtheit des organischen Lebens (nicht nur der Tiere), während unter „bios“ die Weise zu verstehen ist, wie vor allem ein Mensch lebt. So war in der griechischen Antike der „Biologos“ kein Wissenschaftler, sondern ein Schauspieler, der das menschliche Leben darstellte.

Bezug nehmend auf die bisherigen Forschungsmethoden und -ergebnisse stand anfangs die spezielle Biologie einzelner Lebewesen und die Abgrenzung der Bereiche Botanik (Pflanzenkunde) und Zoologie (Tierkunde) im Vordergrund. Etwa 50 Jahre später setzte sich die Vorstellung durch, dass eine allgemeine Biologie den Gemeinsamkeiten der Lebenserscheinungen aller Organismen am besten gerecht wird. Dabei beinhaltet sie natürlich nicht nur die Erfassung der jeweils gegenwärtigen Besiedlung der Erde sondern schließt frühere und bereits ausgestorbene Lebewesen mit ein. Sie betrachtet also die gesamte lebendige Welt von der Entstehung der ersten Lebensformen bis heute.
TREVIRANUS definiert die Inhalte der Biologie wie folgt: ,,Sie erforscht die verschiedenen Formen und Erscheinungen des Lebens, die Bedingungen und Gesetze, unter welchen dieser Zustand stattfindet, und die Ursachen, wodurch derselbe bewirkt wird''.

Methoden der Erkenntnisgewinnung in der Biologie

Mit der Physik, der Chemie und den Geowissenschaften gehört die Biologie zu den Naturwissenschaften. Ähnlich wie die Vorgehensweise der Menschen beim Erforschen ihrer selbst und ihrer Umwelt gestaltet sich der Ablauf beim wissenschaftlichen Vorgehen und Arbeiten in der Biologie: Auf Grund von Beobachtungen an Objekten wird eine Hypothese (vorläufige Antwort auf eine Frage) formuliert, die es nun zu bestätigen oder zu verwerfen gilt. Diesen Test erreicht man meistens durch die Anlegung eines Experimentes. Dieses Vorgehen wird auch als empirische Vorgehensweise bezeichnet und meint damit den Erkenntnisgewinn aus eigenem Erfahren (von griech. Empeiros für „erfahren, kundig“). Die Ergebnisse lassen dann eine Deutung und Schlussfolgerung zu, die in der Biologie nicht auf ihren Wahrheitsgehalt, sondern ihre Logik und Widerspruchsfreiheit gegenüber bekannten Daten und logischen Anschauungen überprüft wird (hypothetisch-deduktives Denken: Wenn-dann-Beziehung). Durch das Vergleichen der erhaltenen Resultate mit anderen Befunden kann man Beziehungen zwischen Organismen feststellen und die Entstehung und den Verlauf von Veränderungen nachvollziehen.

Die Biologie ist also eine Erfahrungswissenschaft: Ihre Methoden sind die Beobachtung, die Untersuchung, das Experiment und der Vergleich.

Beobachtung ist das Erfassen von Objekten oder Vorgängen mit Hilfe der Sinnesorgane oder Hilfsmittel (z. B. Lupe oder Mikroskop) ohne Beeinflussung und Veränderung derselben. Auf diese Weise können Merkmale, Eigenschaften, Beziehungen oder Prozesse biologischer Erscheinungen ermittelt werden.
Beim Untersuchen erforscht man zielgerichtet innere Zusammenhänge von Objekten und Erscheinungen. Weil für diese Arbeitsweise entsprechende Hilfsmittel wie z. B. Sezierbesteck notwendig sind, kann man sie auch als Beobachten mit Hilfsmitteln bezeichnen.
Im Experiment werden biologische Erscheinungen unter ausgewählten, kontrollierbaren, wiederholbaren und veränderbaren Bedingungen beobachtet (Laborexperiment, Freilandexperiment). Von entscheidender Bedeutung dabei ist die Formulierung von Fragestellungen an die Natur. Sie basieren auf einer Vermutung oder Hypothese, die wiederum meist auf Beobachtungen zurückgeht. Die Ergebnisse werden registriert und bewertet.
Der Vergleich kennzeichnet die Biologie als historische Wissenschaft: er ermöglicht es, die Evolutionskette teilweise zu rekonstruieren. Durch das Herausstellen gemeinsamer und unterschiedlicher Merkmale von zwei oder mehreren Versuchsobjekten lassen sich Beziehungen zwischen ihnen aufdecken und evolutionäre Zusammenhänge herstellen. So lassen sich historische Ursachen der Merkmale der Organismen erklären.

Ursprünglich war die Biologie eine deskriptive (beschreibende) Wissenschaft, der es im Wesentlichen darauf ankam, die kaum zu übersehende Vielfalt der Organismen zu erfassen, zu beschreiben und zu klassifizieren. Anfänglich ausgehend von den unmittelbar erfahrbaren Organisationsebenen Organismus und Organ wurden diese mit der Entwicklung leistungsfähiger Mikroskope um die Ebenen der Zellen und Organellen ausgedehnt.
Ihren ursprünglichen Charakter hat die Biologie im Laufe der letzten Jahrzehnte dementsprechend weitgehend eingebüßt; heute wird mehr eine Forschung betrieben, die sich auf Grund der zunehmenden wissenschaftlichen Entwicklung damit beschäftigt, die Lebensvorgänge der Organismen immer erfolgreicher zu analysieren.

Seit Aufklärung der Erbsubstanz zu Beginn der 1950er-Jahre, durchdringt diese Molekularbiologie zunehmend alle Gebiete der Biologie. Die Biologie heute untersucht, beschreibt und analysiert die Strukturen und Funktionen der Organismen vor allem in einem immer größer werdenden Gesamtkontext verbunden mit vielen Bereichen des täglichen Lebens. Die Zahl der biologischen Einzeldisziplinen, die sich gegenseitig durchdringen und ergänzen sowie die auf andere Bereiche übergreifenden Zweige, wachsen mit dem Verständnis der biologischen Bedeutung für fast alle menschlichen Lebensbereiche.

Die Evolution ist das zentrale Thema der Biologie

Eine der Hauptfragen der Biologie ist die Frage nach der Entstehung des Lebens und seiner unendlichen Vielfalt (Diversität). Bisher haben Biologen über 1,5 Millionen Arten von Lebewesen entdeckt und beschrieben (darunter über 260 00 Pflanzen, fast 50 000 Wirbeltiere und mehr als 750 000 Insekten) und das sind bei Weitem nicht alle. Jährlich wird diese Liste durch Tausende von neuentdeckten Arten erweitert. Schätzungen über die gesamte Diversität des Lebens (Biodiversität) reichen von fünf Millionen bis zu über 30 Millionen Arten.

Schon sehr lange denken die Menschen darüber nach, woher die enorme Fülle und Vielfalt kommt. Betrachten wir einen Schmetterling, einen Schimmelpilz, eine Rose und einen Wal – man könnte denken diese vier Lebewesen hätten nichts gemeinsam. Natürlich ist die Vermutung naheliegend, dass alle diese Individuen in ihrer großen Unterschiedlichkeit völlig unabhängig voneinander entstanden sind und dass ihr jeweiliger Entstehungsprozess in keinem Zusammenhang mit dem der anderen Lebewesen steht. Welche Bedingungen haben nun aber jene Lebewesen vorgefunden, um sich ihrer Art entsprechend entwickeln und ausbreiten zu können?

An diese Gedanken schließt sich unmittelbar die Frage an, wie und wann das Phänomen Leben entstanden sein könnte (Was war zuerst da: das Huhn oder das Ei?). Dass es nicht schon immer lebende Materie gab (sondern dass sie eben irgendwann einmal irgendwie entstanden sein musste), darüber herrschte relativ schnell Einigkeit. Über den Weg und die Art der Entstehung stritten sich die Menschen jedoch lange Zeit (und tun es bis heute). Viele frühe Theorien begründen dieses Phänomen als „Schöpfungsakt“ göttlicher Kräfte. Diese Lehren nehmen die unabhängige Erschaffung der Lebewesen ohne offensichtlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Arten an („Am vierten Tag schuf Gott die Lichter am Himmel: Sonne, Mond und Sterne. Sie sollten über die Erde leuchten und Tag und Nacht anzeigen. Danach machte Gott die Wassertiere und auch die Vögel in der Luft. Am sechsten Tag dann schuf Gott die Landtiere und als den Höhepunkt der Schöpfung den Menschen.“).

Viele alte Völker vor unserer Zeitrechnung hatten für fast jede Naturerscheinung einen verantwortlichen Gott, sei es nun für Klima, Unwetter, Ernte, Krieg oder Liebe (Mythologie). Auch in der heutigen Zeit wird die Erschaffung der lebendigen Welt noch als Tat Gottes beschrieben: „Das Leben ist das größte Geschenk Gottes an das menschliche Wesen. Weil es nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, gehört es IHM, und wir haben kein Recht, es zu zerstören.“ (Mutter Teresa (1910–97), indische Ordensgründerin albanischer Herkunft, 1979 Friedensnobelpreis)
Eine Erklärung für dieses Denken liefert vielleicht ein Zitat von MAX PLANCK:
„Die Naturwissenschaft braucht der Mensch zum Erkennen, die Religion zum Handeln, weil wir mit unseren Willensentscheidungen nicht warten können, bis die Erkenntnisse vollständig, und bis wir allwissend geworden sind.“ (MAX PLANCK (1858–1947), dt. Physiker (Quantentheorie), 1918 Nobelpreis)

Erst die technische Entwicklung und der zunehmende wissenschaftliche Fortschritt brachten die Gemeinsamkeiten aller Lebewesen zu Tage: die Kennzeichen des Lebendigen. In ihnen spiegelt sich (neben der unüberschaubaren Vielfalt) die Einheitlichkeit des Lebens auf der Erde wider, die ihre Anordnung und Untersuchung innerhalb einer übergeordneten Wissenschaftsdisziplin möglich macht.
Ausgangspunkt allen irdischen Daseins ist die Natur mit all ihren Erscheinungen. Dazu gehören die Beschaffenheit der Lebensräume sowie der Objekte, die sich darin befinden bzw. bewegen. Laut der Theorie des „Urknalls“ entstand das Sonnensystem mit unserem Planeten vor einigen Milliarden Jahren als Folge einer enormen Kräfteveränderung im Weltall. Zunächst gab es nur anorganische (leblose) Materie, nämlich Gesteine, Sand, Wasser, Feuer und Luft. Dazu kam die Existenz verschiedener Energieformen wie Sonnenlicht, Wind, Blitze etc. Nach den Erkenntnissen von OPARIN (1894–1980) und MILLER (1930–2007) haben sich vor ca. 4–6 Milliarden Jahren aus diesen anorganischen Verbindungen durch Zufuhr von Energie die ersten sogenannten Lebensformen entwickelt.

Diese Theorie lässt den Entstehungsprozess des Lebens erahnen, jedoch erklärt er sich erst unter Hinzunahme bedeutender Entdeckungen aus anderen Forschungsbereichen dieser Zeit.
Andere Wissenschaftler vermuten wiederum, dass organische Lebensformen mit Meteoriten aus dem Weltall auf die Erde gelangten und sich von da aus weiterentwickelten. Erneute Untersuchungen über organische Substanzen ergaben, dass in der Anfangszeit der Erdentwicklung Lebensbausteine aus dem Weltraum auf unseren Planeten gelangten. Wie schon erwähnt enthält der interstellare Staub, der das All durchzieht, eine Reihe potenziell lebenserzeugender Moleküle, die sich u. a. aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel zusammensetzen. Meteoriten die auf die Erde niedergehen sind Träger solcher organischen Substanzen. Über eine halbe Milliarden Jahre wurde die Erde nach ihrer Entstehung unablässig von Meteoriteneinschlägen überschüttet. Schon bald überzog den leblosen Planeten eine dunkle organische, schmierige Schicht, ein kohlenstoffreicher Film, von Regen und Meteoriten abgelagert. Nach Ansicht des belgischen Biochemikers und Nobelpreisträgers CHRISTIAN DE DUVE ist es möglich, dass sich irgendwo auf der Urerde in diesem organischen Schmierfilm eine größere Molekühlanordnung formte, die sich irgendwann selbst vervielfältigte und schließlich zu den ersten Einzellern führte.
Das Geheimnis um die Entstehung des Lebens wird wohl auch in Zukunft noch genügend Stoff für die Wissenschaften bieten.

Besonderheiten der Biologie

„Wer die Welt nicht von Kind auf gewohnt wäre, müßte über ihr den Verstand verlieren. Das Wunder eines einzigen Baumes würde genügen, ihn zu vernichten.“ (CHRISTIAN MORGENSTERN (1871–1914), dt. Lyriker)

Besonderheiten der Biologie ergeben sich aus den Besonderheiten ihrer Objekte, der Lebewesen:
Organismen sind die kompliziertesten Systeme, die wir kennen. Sie sind nicht nur aus einer unvorstellbar großen Zahl von Bauelementen wie Molekülen, Organellen und Zellen aufgebaut. Diese sind selbst auch komplex strukturiert und miteinander durch vielfältige Wechselwirkungen verknüpft.
Auf Grund ihrer Komplexität können Lebewesen in größter Verschiedenheit existieren. Millionen verschiedener Arten und eine nicht zu beziffernde Zahl unterschiedlicher Individuen zeugen davon.
Leben kann ohne Information nicht existieren. Die in den Molekülen der DNA gespeicherte Erbinformation programmiert nicht nur den regelmäßigen Ablauf und die große Ordnung der Lebensprozesse, sie garantiert auch den Fluss des Lebens von Generation zu Generation. Diese Information hindert lebende Organismen daran, sich – wie leblose Objekte – dem Gleichgewichtszustand völliger Unordnung (= maximale Entropie) zu nähern. Dem hohen Organisationsgrad entspricht ihre niedrige Entropie. Da geordnete Zustände sehr leicht in ungeordnete übergehen, erfordert der unwahrscheinliche, geordnete Zustand permanente Zufuhr von Energie sowie die Abgabe von Entropie (Geordnete Teilchenzustände werden aufgenommen, umgewandelt und als ungeordnete Teilchen wieder abgegeben). Um den Zustand der Ordnung also längerfristig aufrecht zu erhalten, unterliegen Lebewesen einer ständigen Energiezufuhr durch Nahrung oder Sonnenlicht. Lebewesen sind Systeme hoher Ordnung bis in mit bloßem Auge nicht sichtbare Ebenen. Sie bilden eine Hierarchie von Strukturebenen, wobei jede auf der darunterliegenden Ebene aufbaut: Atome Moleküle (Proteine) Organellen Zellen Gewebe Organe Organsystem (Gehirn) Organismus (einzelner) Population (Gruppe von Organismen der gleichen Art) biologische Gemeinschaft (Populationen verschiedener Arten im selben Lebensraum) Ökosystem (Wechselbeziehungen mit unbelebten Faktoren) Biosphäre (Summe aller Ökosysteme). Mit jeder Stufe in der Hierarchie treten neue Eigenschaften auf, die auf den einfacheren Ebenen noch nicht vorhanden waren. Dies bewirkt gleichzeitig eine neue Qualität (= emergente Eigenschaften). Sie resultieren aus Anordnung und Wechselwirkungen (ihrer Teile) zwischen den Komponenten (z. B. ist eine Zelle mehr, als nur eine Menge einzelner Moleküle auf einem Platz).
Die Information lebender Systeme ist darauf angelegt, sich selbst zu erhalten. Damit hat sie einen Zweck. Dies ist der Grund, warum es in der Biologie – und unter allen Naturwissenschaften nur in der Biologie – Sinn macht, nach der Funktion eines Sachverhaltes zu fragen. Jede biologische Erscheinung hat also eine Ursache, nichts existiert ohne einen Zweck.

„Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst.“
(JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749–1832), dt. Dichter).

Als Besonderheiten der Wissenschaft Biologie ergeben sich demnach folgende Sachverhalte:

1. Erkenntnisse der Biologie sind weniger allgemeingültig, selten als „Gesetze“ zu formulieren und kaum oder nur annähernd mathematisch zu beschreiben.
2. Biologische Sachverhalte lassen sich oft nicht begründend erklären.
3. Das Verhalten biologischer Systeme vorher zu sagen, ist schwierig oder unmöglich.

Aufgrund des einzigartig hohen Komplexitätsgrades von Lebewesen, aufgrund ihrer Individualität und aufgrund von Zufallsfaktoren wie Mutationen, Populationsschwankungen und Umweltveränderungen lassen sich viele biologische Phänomene nicht durch streng mathematisch exakte Gesetze erklären: „Das Schlüsselwort der physikalischen Wissenschaft ist das Muß, das der Wissenschaft vom Lebendigen ist das Kann“. (W. ELSASSER)

Biodiversität

Biodiversität

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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