Johann Gregor Mendel

Zeitgeschehen

Viele Wissenschaftler versuchten im 19. Jahrhundert das Rätsel der Vererbung zu lösen. Noch 1859 schrieb DARWIN (1809-1882) in seinem Werk „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“, „… dass die Gesetze der Vererbung vollkommen unbekannt sind“. In seinem Buch „Die Vererbung und die Grundprobleme der Biologie“ schrieb DELAGE (1895) gleichsam als Resümee: „Es gibt keine Gesetze für die Ähnlichkeit zwischen dem Kind und seinen Eltern. Hier ist nichts richtig und alles möglich, angefangen damit, dass zwischen Kind und Eltern überhaupt nichts Gemeinsames besteht, über alle Zwischenstufen der Vermischung von Merkmalen und der Kombination von Ähnlichkeiten bis zu fast völliger Übereinstimmung zwischen dem Kind und einem Elternteil ….“

Doch die Suche nach den Gesetzen der Vererbung wurde in vielen Ländern intensiv weitergeführt. In der Landwirtschaft bestand ein riesiger Bedarf an neuen und ertragreichen Pflanzensorten und Tierrassen. Er ergab sich aus der mit der industriellen Revolution einhergehenden Bevölkerungsentwicklung und Urbanisation.

Zur Jahrhundertwende schrieb CORRENS: „Heute kennen wir solche Gesetze, und diese Gesetze bieten uns in vielen Fällen die Möglichkeit vorauszusagen, was bei einer Befruchtung herauskommt.“ Die Vererbungsgesetze wurden im Jahr 1865 vom Augustinerpater JOHANN GREGOR MENDEL erkannt, gerieten in Vergessenheit und wurden erst im Jahr 1900 von CORRENS (1864-1933), de VRIES (1848-1935) und TSCHERMAK (1871-1962) unabhängig voneinander wiederentdeckt.

Kindheit, Schule und Ausbildung

JOHANN GREGOR MENDEL wurde am 22.07.1822 als Sohn eines fronpflichtigen Bauern geboren. Dieser hielt im Garten seines Hauses Bienen und züchtete edle Obstsorten. Durch ihn und auch durch den Pfarrer und den Lehrer seines Heimatorts wurde MENDEL in seiner Liebe zur Natur bestärkt. Frühzeitig lernte er einige biologische Veredelungsmethoden kennen, z. B. das Pfropfen der Obstbäume.

Trotz großer finanzieller Schwierigkeiten studierte er am Philosophischen Institut Olomouc (Olmütz), um Geistlicher zu werden. 1843 trat er als Novize in das Augustinerkloster von Brno ein und erhielt den Klosternamen GREGOR. MENDEL begann sein Theologiestudium an der Universität Brno 1844 und wurde 1847 zum Priester geweiht. Während des Studiums besuchte er auch Vorlesungen über Landwirtschaft, Obst- und Weinanbau. Diese Vorlesungen wurden von DIEBL gehalten, der zusammen mit dem Abt des Brünner Klosters NAPP im Klostergarten Versuche mit Pflanzen durchführte. Diesen Versuchsgarten übernahm MENDEL 1848.

Da MENDEL die Lehramtsprüfung für Griechisch, Deutsch und Mathematik nicht bestanden hatte – er sollte diese Fächer an einem Gymnasium unterrichten – ging er nach Wien und studierte Naturwissenschaft. 1854 übernahm er in Brünn die Lehrstelle für Naturwissenschaft an der Deutschen Staatsoberrealschule. Im Kloster beschäftigte er sich mit Fragen der Meteorologie und widmete sich der Pflanzen- und Bienenzucht.

Wissenschaftliche Arbeit

1855 begann MENDEL mit den Kreuzungsexperimenten an Erbsen. Dabei erwies er sich als sehr guter Experimentator und auch als ein talentierter Theoretiker, der die Mängel und Grenzen in den Arbeiten seiner Vorgänger erfasste.

  • MENDEL wählte ein günstiges Forschungsobjekt und eine geeignete Versuchsdurchführung. Das Objekt fand er in der Saaterbse (Pisum sativum). Die Saaterbse ist ein Selbstbestäuber und Selbstbefruchter. Wenn MENDEL z. B. gelbe mit grünen Erbsen kreuzte, ging er wie folgt vor: Er entnahm der geöffneten Blüte einer Pflanze, die aus gelbem Samen hervorgegangen war, mit einem Tuschepinsel Pollen und übertrug diesen auf die Narbe einer noch ungeöffneten Blüte einer Pflanze, die aus einem grünen Samen gezüchtet war, und entfernte anschließend deren Staubblätter. So konnte sich diese Pflanze nicht mehr selbst bestäuben.
  • MENDEL arbeitete mit reinerbigem Saatgut. Über zwei Jahre lang prüfte er, ob die äußeren Merkmale der Nachkommen noch denen der Eltern entsprachen. Nur dann wurden sie für weitere Kreuzungen ausgesucht.
  • MENDEL verglich nicht die Nachkommen als Ganzes mit den Eltern, sondern er griff jeweils nur ein Merkmal, z. B. die Samenfarbe, heraus. Dadurch wurde das Vererbungsgeschehen überschaubarer.
  • MENDEL führte seine Kreuzungsexperimente mit einer Vielzahl von Individuen durch und wertete die Ergebnisse mithilfe statistischer Methoden aus.

MENDEL führte seine Kreuzungsexperimente sehr gewissenhaft aus. Er kreuzte reinerbige Erbsenpflanzen, deren Samen eine grüne und eine gelbe Farbe hatten. Aus dieser Elterngeneration gingen in der 1. Tochtergeneration ausschließlich Nachkommen mit gelber Samenfarbe hervor.

In einem weiteren Experiment kreuzte MENDEL die gelbsamigen Erbsenpflanzen der 1. Tochtergeneration miteinander. Überraschend traten in der 2. Tochtergeneration gelbe und grüne Samen auf.

Von den 8 023 Samen der 2. Tochtergeneration waren 6 022 gelb und 2 001 grün. Das entspricht einem Zahlenverhältnis von 3,009 : 1. Die Kreuzung mit vertauschter Elternrolle (reziproke Kreuzung) ergab dieselben Farben mit ähnlichen Häufigkeiten.

Leistungen MENDELs

Wenn man MENDELs Kreuzungsergebnisse deutet, so besteht seine besondere Leistung darin, die Entstehung der Zahlenverhältnisse erkannt und interpretiert zu haben. Er ging damit als Begründer der modernen Genetik in die Geschichte ein. MENDELs Leistungen bestehen u. a. in Folgendem:

  • MENDEL kam zur Erkenntnis, dass nicht Merkmale, sondern Anlagen zur Ausbildung von Merkmalen vererbt werden. Ansonsten wäre es nicht möglich, dass aus der Kreuzung von Erbsenpflanzen, deren Samen eine gelbe und grüne Schale haben, nur Erbsen mit gelben Samen hervorgehen. Diese Anlagen nennen wir heute Erbanlagen (Gene).
  • MENDEL war überzeugt, dass die Anlagen zur Ausbildung der Merkmale in den Geschlechtszellen lokalisiert sind. Da sich bei der Befruchtung zwei Geschlechtszellen zur befruchteten Eizelle (Zygote) vereinen, müssten je zwei Erbanlagen für die Ausbildung eines Merkmales verantwortlich sein. Dies erklärt auch die Kreuzungsergebnisse in der 2. Tochtergeneration.
  • Die beiden Erbanlagen, durch die ein Gen gekennzeichnet ist, werden heute als Allele bezeichnet. Allele bewirken die Ausbildung desselben Merkmals (z. B. Farbe der Erbsensamen). Dieses Merkmal kann aber in verschiedenen Versionen auftreten, z. B. gelb oder grün. Allele kennzeichnen also die verschiedenen Zustandsformen eines Gens.
  • Die Einheitlichkeit der Nachkommen in der 1. Tochtergeneration ( F 1 -Generation) begründet MENDEL damit, dass es Merkmal bestimmende (dominante, lat. dominare = herrschen) und zurücktretende oder Merkmal unterlegene (rezessive, lat. recedere = zurücktreten) Anlagen gibt.
  • MENDEL führte eine Buchstabensymbolik ein, um den Erbgang eines Merkmals genauer verfolgen zu können. Dabei unterschied er zwischen dem Erbbild (Genotyp) und dem äußeres Erscheinungsbild (Phänotyp) eines Organismus.

Das Erbbild ist die Gesamtheit der in den Genen verschlüsselten genetischen Informationen eines Organismus. Merkmal bestimmende Allele werden mit großen Buchstaben und Merkmal unterlegene Allele mit kleinen Buchstaben gekennzeichnet.

Sind die Allele für die Ausbildung eines Merkmals gleich (z. B. Farbe der Blüte rot), ist der Organismus in Bezug auf diese Erbanlage reinerbig (homozygot). Sind die Allele für die Ausbildung eines Merkmals verschieden (z. B. Farbe der Blüte rot und Farbe der Blüte weiß), ist der Organismus in Bezug auf diese Erbanlage mischerbig (heterozygot). Die Körperzellen können folgende Allele enthalten:

  • AA: reinerbig mit zwei dominanten Allelen,
  • aa: reinerbig mit zwei rezessiven Allelen,
  • Aa: mischerbig mit einem Merkmal dominanten und einem rezesiven Allel.

Mendelsche Regeln

MENDEL untersuchte nicht nur das Merkmal Farbe bei Erbsensamen, sondern auch die Samenform (rund bzw. runzlig), die Sprossachsenabschnitte (kurz bzw. lang) sowie Form und Farbe der Früchte (Hülsen).

MENDELs Beobachtungen und Ergebnisse der Kreuzungsversuche werden in den Mendelschen Regeln (Mendelsche Gesetze) zusammengefasst.

1. mendelsche Regel: Kreuzt man zwei Individuen einer Art, die in einem Merkmal unterschiedlich, aber jeweils reinerbig sind, so sind die Nachkommen in der 1. Tochtergeneration in diesem Merkmal alle gleich (Uniformitätsgesetz).

2. mendelsche Regel: Kreuzt man die Individuen der 1. Tochtergeneration miteinander, so spalten sich die Nachkommen in der 2. Tochtergeneration in Bezug auf die Merkmale der Eltern nach festen Zahlenverhältnissen auf (Spaltungsgesetz).

3. mendelsche Regel: Werden zwei reinerbige Eltern gekreuzt, die sich in mehreren Merkmalen unterscheiden, so werden die Erbanlagen (Gene) frei kombiniert und unabhängig voneinander vererbt. In der F 2 -Generation treten sämtliche Merkmalskombinationen der Elterngeneration auf. Es können reinerbige Individuen mit neu kombinierten Erbanlagen entstehen.

Wie wir heute wissen, gilt diese dritte Regel nur für Erbanlagen, die auf verschiedenen Chromosomen liegen.

Kreuzungsergebniss des Erbsen-Experiments

Kreuzungsergebniss des Erbsen-Experiments

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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