Symbioseforscher

Die Symbioseforschung ist ein interessantes aber lange Zeit nicht im Mittelpunkt des Interesses stehendes Forschungsgebiet der Biologie. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Augenmerk der Biologen zunehmend auf diesen Bereich gelenkt, nicht zuletzt durch die Aktivitäten der amerikanischen Forscherin LYNN MARGULIS (*1938).

Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Symbioseforschung im 19. Jahrhundert war die Entdeckung, dass Flechten keine eigene Pflanzenklasse darstellen, sondern dass sie „Doppelorganismen“ aus Pilz und Alge sind (SIMON SCHWENDENER 1868). Trotz großer Proteste der Flechtenforscher, die sich ihres Forschungsgegenstandes beraubt sahen, setzte sich die Ansicht von der dualistischen Natur der Flechten relativ schnell durch. Wichtige Verfechter waren z.B. ANTON DE BARY (1831-1888), ALBERT BERNHARD FRANK (1839-1900), ERNST STAHL (1848-1919), GASTON BONNIER (1853-1922) und ANDREY FAMINZYN (1835-1918). Ein grundlegendes Werk zur Symbioseforschung war das Botaniklehrbuch von ALBERT BERNHARD FRANK, in dem zahlreiche Beispiele für Symbiosen gegeben werden (1892).

Einige frühe Symbioseforscher:

HEINRICH ANTON DE BARY (1831-1888)

In Frankfurt am Main geboren, studierte er Medizin in Tübingen und war ab 1859 ordentlicher Professor für Botanik an der Universität Freiburg i. Br.
1867 wurde er an die Universität Halle berufen, 1872 an die Universität Straßburg. DE BARY hat sich besonders mit der Entwicklungsgeschichte und den Lebenszyklen von Pilzen, insbesondere pathogenen Pilzarten, und Bakterien beschäftigt. Dabei gelangen ihm grundlegende Entdeckungen über die Sexualität, den Entwicklungszyklus und die Wirtsspezifität - z. B. der Brand- und Rostpilze.
Bei diesen Forschungen stieß er auf die Frage des Zusammenlebens verschiedener Arten, für das er den heute meist enge gefassten Terminus „Symbiose“ einführte. Bei den Formen der Symbiose unterschied er Parasitismus (Vorteil und Nachteil), Kommensialismus (einseitiger Vorteil) und Mutualismus (beidseitiger Vorteil). Er erkannte den symbiotischen Charakter von Gallertflechten.
Die Ergebnisse seiner vielen detaillierten Forschungen hat DE BARY 1866 in der „Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten und Myxomyceten“ und 1884 in der „Vergleichenden Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoen und Bakterien“ zusammen gefasst.

SIMON SCHWENDENER (1829-1919)

SCHWENDENER wurde 1829 in Buchs (Kanton St. Gallen, Schweiz) als Sohn eines angesehenen Landwirts geboren. Er sollte den väterlichen Hof übernehmen. Nach Absolvierung der Volksschule besuchte er eine Sekundarschule und wollte anschließend den Lehrerberuf ergreifen. Ein kleines Erbteil gestattete ihm jedoch das Studium der Naturwissenschaften an der Universität Zürich, wo er 1856 mit summa cum laude promovierte. 1867 wurde er ordentlicher Professor in Basel, 1877 erhielt er einen Ruf nach Wien und darauf nach Berlin, wo er über 30 Jahre bis zur Vollendung seines 80. Lebensjahres wirkte. Seine Studien über den Aufbau der Flechten erbrachten den Nachweis, dass es sich bei diesen Lebewesen um einen Doppelorganismus handelt, der aus Pilz und Alge besteht. Diese revolutionierende Auffassung brachte ihm zunächst viel Gegnerschaft ein, setzte sich aber relativ rasch durch.
Ein Schwerpunkt von SCHWENDENERS Forschungen lag auf funktionsanatomischen Untersuchungen (1874: „Das mechanische System im anatomischen Bau der Monokotylen“).

EDUARD VAN BENEDEN (1846-1910)

BENEDEN wurde 1846 in Leuwen, Belgien, geboren. Er studierte Medizin und Zoologie und wirkte als Professor für Zoologie an der Universität Leyden. Er untersuchte Entwicklungsstadien des Säugereis (Kaninchen und Fledermäuse). Später führte er entwicklungsbiologische Untersuchungen an Seeigeln und anderen Wirbellosen durch. Dabei entdeckte er das Verhalten der Chromosomen bei der Meiose (Reduktionsteilung). Er führte den Begriff „Mutalismus“ ein: „Die Hilfe, die von Tieren gegenseitig dargebracht wird, ist so variantenreich wie die, die man innerhalb der Menschen findet. Einige erfahren lediglich Schutz, andere Ernährung, andere Schutz und Ernährung. Wir finden ein perfektes System von Verpflegung und Unterkunft kombiniert mit in der perfektesten Weise arrangierten lebensfördernden Einrichtungen.“

VAN BENEDEN, ein gläubiger Katholik, blieb sein Leben lang ein Gegner der Ansicht, dass der „Kampf ums Dasein“ und die natürliche Selektion die Evolution vorantreiben würden.

ALBERT BERNHARD FRANK (1839-1900)

ALBERT BERNHARD FRANK wurde 1839 in Dresden geboren. Er studierte in Leipzig und wurde 1865 Kustos am dortigen Universitätsherbar, 1878 außerordentlicher Professor. Bekannt wurde er durch sein großes Werk „Die Krankheiten der Pflanzen“ (1880).
1881 wurde er als Professor für Pflanzenphysiologie an die Königlichlandwirtschaftliche Hochschule in Berlin berufen. Während seiner dortigen Forschungstätigkeit erweiterte er vor allem die Kenntnisse über die Symbiose der Pflanzen mit Pilzen und Bakterien. So konnte er Mykorrhizen an Wurzeln von Buchen und Kiefern nachweisen. Weiterhin untersuchte er Symbiosen von Höheren Pflanzen mit Luftstickstoff assimilierenden Bakterien (Knöllchenbakterien) und die Actinomycetensymbiosen von Erlen, Sanddorn und anderen. Nach FRANK wurde eine Familie und eine Gattung der fädigen Strahlenpilzbakterien benannt (Frankia und Frankiaceae). Besondere Bedeutung erlangten FRANKs Forschungen über phytopathogene Pilzen an Kulturpflanzen.

IVAN E. WALLIN (1883-1969)

Im Gegensatz zu Forschungen in Europa gab es in den Vereinigten Staaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige Symbioseforscher. Einer von ihnen war der aus Skandinavien eingewanderte IVAN E. WALLIN. Er stellte als einer der Ersten die Hypothese auf, dass die 1902/1903 von dem Berliner Pathologen KARL BENDA entdeckten Mitochondrien endosymbiontische Bakterien in Zellen höherer Lebewesen darstellen würden. Diese Hypothese wurde jedoch von vielen zeitgenössischen Biologen heftig abgelehnt. Auch die 1927 von WALLIN vorgetragenen Hypothesen zum Symbiotizismus, in denen er auf die große Bedeutung obligater Symbiosen unter Mikroben bei der Entstehung der Arten hinwies, wurden von den meisten zeitgenössischen Biologen abgelehnt. So kehrte sich WALLIN in den letzten 40 Jahren seines Lebens, während er an der University of Colorado (Medical School) arbeitete, weitgehend von der Symbioseforschung ab.

ANDREY SERGEJEVITSCH FAMINZYN (1835-1918)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich in Russland und später in der Sowjetunion mehrere Forscher intensiv mit der Symbiose und der Symbiogenese beschäftigt. Prominenter Vertreter war ANDREY SERGEJEVITSCH FAMINTSYN, der mit der Isolation von Chloroplasten aus Pflanzenzellen experimentierte. Im Gegensatz zu dem russischen Flechtenforscher ALEXANDER ELENKIN und dem deutschen SCHWENDENER (s. o.) vertrat FAMINZYN die Ansicht, dass es sich bei Flechten nicht um eine parasitäre, sondern um eine mutualistische Beziehung zwischen Algen und Pilzen handele. FAMINZYN forderte, dass man experimentell versuchen sollte, Teile von Pflanzenzellen zu isolieren und zu kultivieren. Damit sollte der symbiotische Charakter der Pflanzenzellen nachgewiesen werden. Dies gelang ihm zwar nicht, doch blieb FAMINZYN bei seiner Hypothese und erklärte dieses Scheitern damit, dass die verschiedenen symbiotischen Zellbestandteile in einer sehr weit zurückliegenden Zeit mit ihrer Zusammenarbeit begonnen haben mussten und dass deshalb heute eine isolierte Kultur nicht mehr möglich wäre.

KONSTANTIN SERGEJEVITSCH MEREZHKOWSKY (1855-1921)

MEREZHKOWSKI schrieb zwschen 1905 und 1918 eine Reihe von Veröffentlichungen, in denen die Chloroplasten als symbiotische Mikroorganismen dargestellt wurden und in denen auch ausgeführt wurde, dass der Zellkern ebenfalls durch Symbiose in die eukaryotische Zelle gelangt war. 1910 verwendete er den Begriff „Symbiogenese“ für den „Ursprung von Organismen durch Kombination und Zusammengehen von zwei oder mehr Lebewesen in einer Symbiose“. Wichtige Werke waren „Über Natur und Ursprung der Chromatophoren im Pflanzenreich“ (1905) und „La Plante considéré comme un complexe symbiotique“ (1920).

VLADIMIR IVANOVITSCH VERNADSKY (1863-1945)

VERNADSKY ist vielleicht nicht direkt als ein Erbforscher von Symbiosen anzusehen, wohl aber hat er den Gedanken der gegenseitigen Wechselwirkungen in der Biosphäre intensiv vertreten. So kann man seine Theorien als Vorläufer der Gaia-Hypothese ansehen.

VERNADSKY sah das Leben als eine „geologische Kraft“. Er betonte, dass Leben und Lebewesen Materie in globalem Maßstab verändern. Tiere und Pflanzen verwandeln durch ihre Stoffwechselaktivitäten, durch ihre Ortsveränderung und durch ihre weiträumigen Wanderungen die Oberfläche des Planeten und wandeln sie chemisch um. Mit dem Begriff „lebende Materie“, den VERNADSKY prägte, betonte er, dass Leben weniger eine Sache als vielmehr ein Ablauf oder ein Geschehen darstelle. Zwar geht der Begriff Biosphäre ursprünglich auf den österreichischen Geologen EDUARD SUESS zurück, aber VERNADSKY machte ihn in seinem 1926 erschienenen Buch publik. Während DARWIN dokumentierte, dass alles Leben von einem gemeinsamen Urahn abstamme und so eine zeitliche Verknüpfung alles Lebens hergestellt wurde, stellte VERNADSKY eine räumliche Verknüpfung her: Die Biosphäre ist eine materielle Einheit, die durch die Sonnenenergie erhalten wird. VERNADSKY stellte zwei Hypothesen auf, die den Einfluss der Lebensvorgänge auf dem Planeten beschreiben:

1.Mit der Zeit beteiligen sich immer mehr chemische Elemente an den Zyklen des Lebens.
2.Menge und Geschwindigkeit der Stofftransporte in der Biosphäre werden mit der Zeit immer größer.

Bei dieser Betrachtungsweise bezog VERNADSKY die Aktivitäten des Menschen, insbesondere die industrielle Produktion, ausdrücklich mit ein.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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