Die Brutpflege ist eine im gesamten Tierreich weitverbreitete Fürsorge der Elterntiere (meist der Weibchen), die den Schutz der eigenen Nachkommen und deren Versorgung, Ernährung, Betreuung und Verteidigung, sowie deren Führung bzw. Anleitung beinhaltet.
Meist wird zwischen den Begriffen Brutpflege und Brutfürsorge unterschieden. Die Brutfürsorge (oder Brutvorsorge) wird als Bezeichnung für das angeborene Verhalten der Elterntiere bezeichnet, die für ihre Jungtiere im Voraus günstige Entwicklungsbedingungen bereit stellen, z. B. durch das Bauen der Schutzbehausungen (Kokon, Nest etc.) oder aber durch die Bereitstellung eines ausreichenden Nahrungsangebotes für den Nachwuchs. Das Verhalten innerhalb des Zeitraumes in dem die Eier untergebracht werden, wird als Brutfürsorge bezeichnet, die darauf folgende Betreuungszeit wird als Brutpflege tituliert.
Die Vermehrungsstrategie von Tieren, die in Ökosystemen leben, in denen ausreichend Ressourcen vorhanden sind, besteht darin, möglichst viele Nachkommen zu produzieren und aufgrund der großen Anzahl wenig oder gar keine Brutpflege zu betreiben. Diese Strategie wird auch als r-Strategie bezeichnet (z. B. Muscheln, Korallen).
Neben der r-Strategie gibt es noch die sogenannte K-Strategie, diese Vermehrungsstrategie wird von den Tieren verfolgt, die in Ökosystemen leben, in denen das Ressourcenangebot, das für die Aufzucht der Jungen notwendig ist, begrenzt ist. Nur wenige Nachkommen werden gezeugt und deren Aufzucht wird durch Brutfürsorge bis hin zu intensiver Brutpflege gewährleistet (z. B. viele Säugetiere).
Diese r- und K-Strategien ermöglichen es dem Betrachter das Ausmaß der geleisteten elterlichen Investition (Elterninvestment) in die Nachkommen abzuschätzen bzw. zu benennen. Vergleicht man also z. B. die Investitionen eines Kaninchens mit einer Auster, so ist das Kaninchen ein K-Stratege, verglichen mit den Schimpansen wird es allerdings als r-Stratege bezeichnet. K-Strategen weisen in der Regel ein höheres Lebensalter, ein größeres Körpergewicht, eine geringere Wachstumsgeschwindigkeit und eine stammesgeschichtliche Höherentwicklung auf. Da man in der Natur meist alle denkbaren Übergänge zwischen diesen beiden geschilderten Extremen findet, könnte man es für die praktische Verwendung dieser Strategien folgendermaßen formulieren: Eine Art wird sich vermutlich in erster Linie vornehmlich einer dieser beiden Strategien bedienen, ohne allerdings die Anteile der anderen Strategie zu übersehen. So können äußere Umstände, wie z. B. nicht vorhersehbare Änderungen der bestehenden Lebensbedingungen, einen Wechsel von der einen zur anderen Strategie mit sich bringen.
Biologisch gesehen, nutzt Brutpflege den Individuen nur in den Fällen, wo sie den eigenen Nachkommen zugutekommt (HAMILTON-Regel, inklusive fitness). Brutpflege bedeutet ein hohes Maß an Investitionen für die Eltern, aber diese Investitionen sind soziobiologisch sinnvoll, weil dadurch die Reproduktionschancen der Jungtiere gesteigert werden. Die Aufwendungen für die Jungtiere werden aber nicht gleichermaßen von beiden Elternteilen investiert: Sehr häufig im Tierreich verbreitet ist, dass nur ein Teil der Eltern intensive Brutpflege betreiben, in der Regel das Weibchen, aber es gibt auch einige wenige Beispiele, wo auch das Männchen diesen verantwortungsvollen Part übernimmt. Betreiben beide Elternteile Brutpflege (wie z. B. bei vielen Vogel- und Säugetierarten), leben sie in der Regel monogam. Brutpflege bzw. Brutfürsorge kann sich in vielerlei Verhaltensäußerungen bzw. Verhaltenskontexten widerspiegeln, z. B.:
Eltern sind bei Gefahr bei den meisten Brut pflegenden Tierarten für die Jungtiere Fluchtziel bzw. Ort der Beruhigung und des Trostes.
Die Brutpflege ist ein einseitig gerichtetes altruistisches Verhalten, mit zunehmendem Lebensalter der Jungtiere kommt es aber zum Eltern-Kind-Konflikt, ein Interessenskonflikt zwischen den Jungtieren und den Eltern scheint unausweichlich. Jungtiere versuchen das Maximum an Brutpflege von ihren Eltern einzufordern, mehr, als Eltern bereit sind zu geben.
Sehr weit entwickelt ist die Brutpflege bei sozialen, Staaten bildenden Insekten (Ameisen, Termiten, Bienen, Wespen), bei Vögeln und bei Säugetieren. Säugetiere werden durch hormonelle Umstellungen zur Brutpflege veranlasst (Prolactin-Ausschüttung bei der Eiablage und bei der Geburt). Das Kindchenschema - ein Reiz, der vom zu pflegenden Jungtier initiiert wird, fördert die anhaltende Bereitschaft der Eltern zur Brutpflege.
Bei vielen Vögeln und höheren Säugetieren bauen Eltern und Kinder durch gegenseitiges Kennenlernen eine intensive Bindung zueinander auf, die ebenfalls die Bereitschaft zur weiteren Brutpflege aufrecht erhält. Ein gegenseitiges Kennenlernen setzt allerdings die Erforderlichkeit bestimmter kognitiver Leistungen voraus, die die Tierarten, die keine Brutpflege betreiben, nicht erbringen können.
Von einigen Huftierarten weiß man, dass diese Bindung zwischen Mutter und Kind wenige Minuten nach der Geburt geschlossen werden muss, sonst ist die Bereitschaft der Mutter zur Brutpflege nicht mehr gegeben. Die Brutpflegebereitschaft mütterliche Tiere der Säugetierarten wird durch die Ausschüttung von Oxytocin ausgelöst. Das Oxytocin ist in der Neurohypophyse von Fötus und Mutter lokalisiert und ist auch für die Geburtswehen verantwortlich, indem es die Kontraktionen des Uterus stimuliert. Auch die Abgabe der Milch aus der Brustdrüse wird durch das Oxytocin kontrolliert. Diese sensible Phase kurz nach der Geburt ist auch bei den Primaten von Bedeutung, unter ihnen gibt es ebenfalls einen Zeitpunkt kurz nach der Geburt, in der die vom Kind ausgehenden Reize die Pflegebereitschaft der Mutter massiv verstärken.
Es gibt einige Tierarten, wo sich nicht nur die Eltern, sondern auch andere Individuen um den Nachwuchs bzw. sein Wohlergehen bemühen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Bruthelfern oder Brutpflegehelfern. Es gibt sogar Vogelarten, die regelrechte Kinderkrippen für ihre Jungtiere einrichten. Von Straußen und Pinguinen weiß man, dass sich mehrere erwachsene Weibchen herdenweise jeweils mit ihren Jungtieren zusammenschließen. Einige Mütter gehen auf Nahrungssuche, die anderen passen auf die Jungtiere auf und verteidigen diese ggf. auch sehr energisch gegen potenzielle Angreifer. Auch der in Florida vorkommende Buschblauhäher (Aphelocoma coerulescens) bietet den anderen Weibchen gegenseitige Hilfe beim Brutgeschäft an. Sie bilden sogar über mehrere Jahre anhaltende Brutgruppen aus. Nur ganz bestimmte Alttiere brüten und die anderen kümmern sich um die Nahrungsbeschaffung für den Nachwuchs bzw. halten die Räuber fern. Bestimmte Faktoren sind für die Herausbildung solcher Brutgruppen verantwortlich: Solche Brutgruppen bilden sich meist in Lebensräumen aus, die für ein erfolgreiches Brutgeschäft nicht die Voraussetzungen mitbringen. In der Regel sind also die Nahrungsressourcen knapp oder aber es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Nistplätzen. Die Erfolgsaussichten für ein einzelnes Brutpaar wären nur sehr gering. Mittelfristig gesehen ist also die Beteiligung an einer Brutgruppe besser bzw. erfolgreicher. Hinzu kommt, dass die Helfertiere bereits sehr früh wertvolle Erfahrungen in der Jungenaufzucht sammeln, die ihnen später bei der eigenen Jungenaufzucht zu Gute kommt. Die Helfertiere steigen in der Gruppe nach und nach in ranghöhere Positionen auf, wenn die älteren Gruppenmitglieder sterben und werden schließlich selbst die Rolle eines Brutvogels übernehmen. Meist sind die Helfer mit den Jungtieren ihrer Aufzuchtgruppe genetisch enger verwandt. Sie steigern also ihre Gesamtfitness, da sie die Erbanlagen ihrer engverwandten Schützlinge verbreiten.
Das Phänomen des Brutparasitismus (Nestparasitismus) ist uns allen vom Kuckuck wohl bekannt. Es handelt sich um die Aufzucht aus Eiern, von Larven oder Jungtieren durch die Brutpflege bzw. Brutfürsorge einer anderen Tierart (interspezifischer Brutparasitismus: z. B. einige Vögel: Kuckuck, Witwenvögel, einige Fische, solitäre Hymnopteren: Kuckucksbienen, soziale Insekten) oder aber von Individuen der eigenen Art (intraspezifischer Brutparasitismus: hauptsächlich bei Vögeln und Insekten). Der eigene Brutpflegeaufwand (Elternaufwand) in die eigenen Nachkommen wird auf diese Weise reduziert, indem z. B. eine Elster ihre Eier zwecks Aufzucht in ein fremdes Elstern-Nest legt. Der Kuckuck z. B. als Brutparasit passt sich den Signalen und angeborenen auslösenden Mechanismen seines Wirtes an, da aber der Wirt sein Signalsystem immer wieder optimiert, kommt es zu einer schnellen Evolution. Wenngleich die Eier des fremden Kuckucks in Farbe und Größe mit den Wirtseiern übereinstimmen, kann man beobachten, dass trotzdem viele Wirtsvögel ihre Nester verlassen, wenn ein Kuckucksei dort abgelegt wurde.
Beispiele aus dem Tierreich:
Insekten:
Amphibien:
Fische:
Reptilien :
Krokodile und Alligatoren legen ihre Eier in große Nester ab und lassen die Eier von der Sonne ausbrüten. Die Weibchen bewachen das Nest, um es ggf. gegen Räuber zu verteidigen. Nach dem Schlüpfen der Jungen trägt das Weibchen seinen Nachwuchs vorsichtig ins nächste Gewässer. Die Temperatur während des Brutvorgangs entscheidet beim Misssissippi-Alligator (Alligator mississippiensis) über das Geschlecht der Jungtiere. Wenn die Temperaturen zwischen dem 7. und 21. Bruttag unter 30° C bleiben, schlüpfen ausschließlich Weibchen aus den Eiern, bei Bruttemperaturen über 34 ° C entwickeln sich nur Männchen.
Vögel:
Säugetiere:
Stand: 2010
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