Reformation

LUTHER und seine 95 Thesen

Den entscheidenden Durchbruch für die Reformationsbewegung in Deutschland stellen die 95 Thesen MARTIN LUTHERs dar. Am 31. Oktober 1517 hatte LUTHER seine 95 Thesen (siehe PDF "Martin Luther - 95 Thesen über die Kraft der Ablässe") gegen den Ablasshandel und die diesem zugrunde liegende Lehre, man könne Sündenstrafen durch Geld ablösen, zur Begutachtung an seine kirchlichen Vorgesetzten geschickt. Die Legende, dass er sie an die Wittenberger Schlosskirche geschlagen hat, ist nicht bewiesen und erscheint auch deshalb zweifelhaft, da er sie in Latein verfasst hatte, und das Volk dieser Sprache kaum mächtig war.
LUTHER glaubte, mit theologischen Argumenten die Bischöfe überzeugen zu können. Das stellte sich jedoch als Illusion heraus. Der Ablass war ein wesentlicher Eckpfeiler des kirchlichen Finanzwesens. Nach einer längeren Zeitspanne trat LUTHER an die Öffentlichkeit, nachdem seine These ohne sein Zutun inzwischen veröffentlicht worden waren. So erschienen von ihm 1520 drei reformatorische Hauptschriften:

 

  • „An den christlichen Adel deutscher Nation“,
  • „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ und
  • „Von der Freiheit eines Christenmenschen“.

Er forderte eine Kirche als Gemeinschaft im Glauben gleicher und freier Christen, in der der einzelne Gläubige keiner Vermittlung einer – in LUTHERs Augen korrupten – Kirche bedarf.
Unterstützt wurde das Wirken LUTHERs durch den sich stark entwickelnden Buchdruck. Als 1521 der Reichstag die Verbrennung aller Lutherschriften anordnete, waren bereits mehr als ein halbe Million Exemplare verbreitet.

Nachdem LUTHERs Lehre zuerst von Mönchen und Weltklerikern geteilt wurde, erfasste sie bald die Bürger in den Städten. Hier vor allem die humanistisch gebildeten Intellektuellen und Patrizier, aber auch Kaufleute und Handwerker. Sie konnten die durch den Buchdruck verbreiteten Schriften lesen. Aber bald übersprangen LUTHERs Lehren die Standesgrenzen und beeinflussten die Bauernschaft, aber auch den Landadel, die Reichsritterschaft und die Fürsten mit ihren Beamten. Nur der Kaiser und die Mitglieder seiner Dynastie wurden nicht Anhänger LUTHERs. Ähnlich verhielt sich die kirchliche Hierarchie.
Die Kirche war in einem

„nie zuvor und nie danach erreichten Grad“

verweltlicht und musste

„sowohl (mit den) Renaissance-Päpsten in Rom als auch (mit der) der deutschen Hierarchie der Bischofs-Reichsfürsten natürlicher Gegner LUTHERs sein“.

(H. BOOKMANN, H. SCHILLING, H. SCHULZ, M. STÜRMER: Mitten in Europa, Wolf Jobst Siedler Verlag GmbH, Berlin 1999).

Weltliche und geistliche Macht

Die weltliche Macht, durch Kaiser KARL V. repräsentiert, sah in der Reformationsbewegung zunächst nur eine Sorge unter vielen. KARL V. musste eine Ländermasse beherrschen, wie sie spätere Nationalstaaten nie mehr zusammenbrachten.

„Allein in Europa erstreckte sich sein Reich von Spanien im Südwesten über Italien, Ober- und Niederburgund in der Mitte bis hin zu den deutsch-habsburgischen Erblanden im Südosten. Hinzu kamen Böhmen und Ungarn. ... Erst 1543 konnte er sich den deutschen Angelegenheiten kontinuierlich widmen.“ (a.a.O.)

Der Kaiser war um die christliche Einheit Europas bemüht und ließ am 17. und 18. April 1521 LUTHER vor den Wormser Reichstag treten, damit er seine Lehren widerriefe, da ihm bereits 1520 durch den Papst der Bann angedroht worden war. Da LUTHER nicht widerrief („Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“), wurde er vom Reichstag verurteilt und die Reichsacht über ihn verhängt. Kurfürst FRIEDRICH III., DER WEISE, von Sachsen gewährte ihm Zuflucht und Sicherheit auf der Wartburg. Hier übersetzte LUTHER die Bibel.

Die Ausbreitung der Reformation

Die Reformation breitete sich in Deutschland schnell aus. Von vielen Landesherren wurde sie unterstützt, da sie ihre Eigenständigkeit stärkte und die Einziehung kirchlichen Besitzes ermöglichte (Säkularisation). Der Kaiser war aufgrund von Kriegen gegen Frankreich und durch die Bedrohung der Türken gebunden, so stellte der Speyerer Reichstag 1526 den Landesherren ihr konfessionelles Verhalten frei. In vielen Territorien wurden lutherische Landeskirchen eingerichtet.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zu Unruhen, wie dem Bauernkrieg, in denen politische, soziale und religiöse Bewegungen zusammenkamen. LUTHER grenzte sich davon ab.
Vorrangig in Südwest- und Süddeutschland, Bayern ausgenommen, in Mitteldeutschland, besonders Thüringen, griffen die Bauern die neue Idee von der Freiheit eines Christenmenschen auf. Sie richteten ihren Kampf gleichzeitig gegen ihre soziale Bedrückung, die stark von Seiten der klösterlichen und bischöflichen Grundherren ausging. Ziel war ein reformiertes Gemeinde-Christentum mit gemeindlicher Selbstverwaltung. An vielen Orten ging der Kampf in ein revolutionäres Ringen um eine gesellschaftliche Umgestaltung über.

Der große deutsche Bauernkrieg

1525 kam es zum großen Bauernkrieg. 1524 begann der Aufstand in Waldshut und Stühlingen. Er breitete sich schlagartig 1525 bis nach Thüringen und Oberösterreich aus. Reichsritter schlossen sich an, wie FLORIAN GEYER oder gezwungen GÖTZ VON BERLICHINGEN. Nach Anfangserfolgen artete die Erhebung teilweise in Plünderung, Mord und Sengen aus. THOMAS MÜNZER verkündete ein kommunistisches Gottesreich. Die Bauern, von LUTHER im Stich gelassen, unterlagen schließlich dem überlegenen Heer des Schwäbischen Bundes. Im Mai 1525 veröffentlichte LUTHER einen Aufruf an die Fürsten zur Vernichtung der Bauern:

„Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“.

Die Niederlage der Bauern wird mit furchtbaren Strafen besiegelt und in der Folge – bis zum 19. Jahrhundert durch eine Agrarverfassung manifestiert – wurden sie zur leibeigenen Sache der Grundherren gemacht und damit für lange Zeit rechtlos (Ausnahmen: Westfalen, Friesland, Mecklenburg und Tirol). LUTHER hatte sich im Bauernkrieg für die Fürsten entschieden.

Anerkennung der religiösen Spaltung

1529 setzte die katholische Mehrheit auf dem Speyerer Reichstag ein Verbot der Ausbreitung der Reformation durch. Die lutherischen Stände protestierten dagegen und legten auf dem Augsburger Reichstag 1530 das Augsburger Bekenntnis vor. Sie schlossen 1531 ein militärisches und politisches Bündnis, den Schmalkaldischen Bund, der im Krieg 1546/47 unterlag. 1555 wurde im Augsburger Religionsfrieden die Trennung der lutherischen Protestanten von der katholischen Kirche reichsrechtlich anerkannt. Von nun an übernahmen die Untertanen den Glauben des Landesherrn. Der Landesherr übte auch die geistliche Aufsicht aus. Bis 1918 führte das zum Bündnis von Staat und Kirche .

Gesellschaftlich-kulturelle Auswirkungen der konfessionellen Epoche

Tiefgreifende Veränderungen wurden durch die Bürokratisierung der Territorien und die Verrechtlichung des Reiches spürbar. Der Aufstieg eines juristisch gebildeten Bürgertums, die Entwicklung des frühkapitalistischen Großbürgertums und Überseekaufmannschaften standen allerdings im Widerspruch zum politischen Wirken alter Adelsfamilien.
Deutschland profitierte vom Einwanderungsstrom fähiger unternehmerischer und handwerklicher Kräfte.
Eine wahre Bildungsrevolution setzte im 16. und 17. Jahrhundert ein. LUTHER hatte eine allgemeine Bildungsreform gefordert, die den alten scholastischen Ballast abwerfen sollte. Zwischen 1500 und 1625 wurden 18 Hochschulen eröffnet. Es war die Zeit der Territorial- und Konfessionsuniversitäten:

  • Marburg 1529,
  • Königsberg 1544, gefolgt von
  • Jena, Helmstedt, Gießen, Straßburg, Rinteln und Alttorf bei Nürnberg.

Wie die Wissenschaft war auch die Kunst geprägt von der Konfessionalisierung. Während der reformierte Katholizismus mit Prachtbauten wie der Jesuitenkirche St. Michael in München aufwartete, waren die protestantischen Bauten mitunter streng, fast düster. Die wenigen Neubauten waren meistens einfache Predigtkirchen. Die protestantischen Fürsten ließen jedoch prächtige Barockbauten errichten, wie die Hohenzollern in Berlin und Königsberg.

In der Malerei wirkten

  • ALBRECHT ALTDORFER (1480–1538), der Hauptvertreter der Donauschule,
  • der Nürnberger ALBRECHT DÜRER (1471–1528), der z. B. in seinem Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“ Angst und Hoffen einer ganzen Epoche ausdrückte,
  • HANS HOLBEIN (Vater und Sohn),
  • LUCAS CRANACH (Vater und Sohn).

Gerade Letztere stellten mit ihren Altarbildern die Kernaussage der Reformation dar.

Große kulturelle Leistungen sind dem deutschen Protestantismus auf dem Gebiet der Musik zu verdanken.

„Luther hatte als einziger Theologe seiner Zeit die Musik ohne Umschweife als Geschenk Gottes gefeiert, weil sie wie keine zweite Kunst geeignet sei, den Schöpfer zu loben, mit einem Instrument ebenso wie mit der menschlichen Stimme.“ (a.a.O.)

  • HEINRICH SCHÜTZ (1585–1672),
  • DIETRICH BUXTEHUDE (1637–1707),
  • GEORG FRIEDRICH HÄNDEL (1685–1795) und vor allem
  • JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750)

sind die hervorragenden Vertreter protestantischer Musik. Selbst LUDWIG VAN BEETHOVEN, im katholischen Kulturkreis aufgewachsen, stand im Bannkreis der von LUTHER ausgehenden religiösen Begründung der deutschen Musik.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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