Sprachgesellschaften im Barock

Diese Sprachgesellschaften hatten sich zum Ziel gesetzt, die deutsche Muttersprache zu pflegen, von fremden Einflüssen und Fehlern zu reinigen, ihr eine einheitliche Sprachform zu geben und die deutsche Dichtkunst zu fördern.

Palmenorden

Die erste und einflussreichste dieser Gesellschaften war die 1617 in Weimar gegründete Fruchtbringende Gesellschaft, die sich auch Palmenorden nannte. Initiator des Ordens war der junge FÜRST LUDWIG VON ANHALT-KÖTHEN, der während einer Italienreise 1600 in die seit 1582 bestehende Florentinische Accademia della Crusca aufgenommen geworden war. Diese Art von Gelehrtenvereinen gab es in Italien seit dem 14. Jahrhundert, sie befassten sich vor allem mit den antiken Philosophen und der Pflege der einheimischen Sprache.
In der Fruchtbringenden Gesellschaft und den ihr nachfolgenden Sprachgesellschaften trugen die Mitglieder symbolträchtige Namen aus dem Pflanzenreich, ein Bild oder Emblem und ein Vers war ihnen zugeordnet. Da jedes Mitglied einen solchen Gesellschaftsnamen erhielt, wurden Standesunterschiede gewissermaßen außer Acht gelassen und für diese Zeit neuartige, gleichberechtigte Kommunikationsformen gepflegt. Auch die Gesellschaft als Ganzes gab sich ein solches Emblem nebst einem Motto. Für die Fruchtbringenden war es der nützliche „indianische Palmen- oder Nussbaum“ und entsprechend galt als Wahlspruch „Alles zu Nutzen“. Fürst LUDWIG nannte sich selbst „Der Nährende“, sein Bild war ein Weizenbrot und sein Motto lautete: „Nichts Besseres“. Der zu seiner Zeit hoch angesehene Dichter MARTIN OPITZ hieß der „Gekrönte“ und sein Gemälde war der Lorbeerkranz.

Aufnahme in die Gesellschaft

Die Aufnahme in die Gesellschaft erfolgte nach einem feierlichen Zeremoniell und jedes Mitglied schwor gewissermaßen auf die Satzung. Dazu gehörte beispielsweise die Verpflichtung, sich im schriftlichen und mündlichen Austausch der möglichst reinen deutschen Sprache zu bedienen. Zudem hatte jedes Mitglied Dichtungen in deutscher Sprache vorzulegen. Die Wenigsten waren allerdings zum Dichter geboren, und so waren ihre Erzeugnisse zu Recht schnell vergessen. Wer sich nicht zum Schreiben berufen fühlte, leistete seinen Beitrag, indem er die Gesellschaft anderweitig, etwa finanziell, unterstützte.

Pflege der Sprache

Die erste Sorge der Verbindungen galt zunächst der „Sprachmengerei“ und der „spanisch-welschen“ Überfremdung der Sprache. Im Dreißigjährigen Krieg, dessen Schauplatz vor allem Deutschland gewesen war, hatten zahlreiche fremde Truppen das Land durchzogen und auch in der Sprache ihre Spuren hinterlassen. Das Lateinische galt nach wie vor als Literatur- und Gelehrtensprache, denn im Deutschen standen für bestimmte Sachverhalte keine angemessenen Formulierungen zur Verfügung. Nicht zuletzt wurden vor allem aus dem Französischen unzählige Ausdrücke übernommen und mit dem Deutschen vermengt. Dieser schwülstige, gezierte Sprachstil war in den oberen gesellschaftlichen Kreisen verbindlich.
Die Aktivitäten und der Eifer einiger Mitglieder, jegliche fremde Einflüsse auszumerzen, nahm mitunter groteske Züge an, wenn beispielsweise blindlings versucht wurde, Fremdwörter und Lehnwörter durch deutsche Ausdrücke zu ersetzen. So schlug PHILIPP VON ZESEN, der 1643 in Hamburg die Deutschgesinnte Gesellschaft mitbegründet hatte, vor, das aus dem Lateinischen stammende Lehnwort „Fenster“ durch „Tagleuchter“ zu ersetzen und das Wort „Fieber durch „Zittersucht“. Die menschliche Nase sollte „Gesichtserker“ heißen. Er erntete damit Kritik und Gespött nicht nur bei seinen Zunftgenossen. Was den Sprachgesellschaften jedoch als großes Verdienst anzurechnen ist, sind die zahlreichen Übersetzungen ausländischer Schriften ins Deutsche und ihr Bemühen um eine einheitliche Literatursprache der Deutschen.

Auszug aus der Satzung der Deutschgesinnten Gesellschaft:

Vor allen dingen sollen alle und iede Zunftgenossen verpflichtet sein/ ihren eusersten fleis an zu wenden/ daß gemelter Sprache eigene angebohrne grundzierde nicht allein erhalten/ und vor allem fremden unwesen und gemische bewahret; sondern auch ie länger ie treflicher vermehret/ ja alles eingeschlichene unreine/ ungesetzmäßige/ und ausheimische abgeschaffet/ und in ein besseres/ wo immer tuhnlich/ verändert werde.“


Den politischen Hintergrund jener Bemühungen bildete das Bestreben, ein Bewusstsein für die deutsche Sprache zu wecken und durch eine einheitliche Sprachregelung das angeschlagene Nationalgefühl zu stärken. Über die Pflege der Sprache sollten alte deutsche Tugenden wieder Aufwertung erfahren und „Redligkeit“ sowie „fleissiges und strenges Tapfer-seyn zum Vorschein“ (JUSTUS GEORG SCHOTTELIUS) bringen. Die Hauptaktivität der Mitglieder bestand in Korrespondenzen über Wortschatz- und Stilfragen und in der Erörterung sprachphilosophischer Themen. Auch über Poesie tauschte man sich aus und bemühte sich, poetische Regelwerke zu erarbeiten, denn das Dichten galt als ein erlernbares Handwerk, das man vor allem antiken Vorbildern abschauen sollte (normative Poetik). Die einflussreichste unter diesen Poetiken war MARTIN OPITZ' „Buch von der deutschen Poeterey“ aus dem Jahr 1624.

Die Fruchtbringende Gesellschaft zählte im Laufe ihres Bestehens bis ca. 1680
nahezu 900 Mitglieder, darunter bekanntere Autoren wie

  • JOHANN VALENTIN ANDREAE,
  • ANTON ULRICH VON BRAUNSCHWEIG-LÜNEBURG,
  • SIGMUND VON BIRKEN,
  • AUGUSTUS BUCHNER,
  • ANDREAS GRYPHIUS,
  • GEORG PHILIPP HARSDÖRFFER,
  • FRIEDRICH VON LOGAU,
  • JOHANN MICHAEL MOSCHEROSCH,
  • MARTIN OPITZ,
  • JOHANN RIST,
  • JUSTUS GEORG SCHOTTELIUS,
  • KASPAR STIELER,
  • JOHANN WILHELM VON STUBENBERG,
  • DIEDERICH VON DEM WERDER.


PHILIPP VON ZESEN hatte 1643 zusammen mit JOHANN RIST, der bald sein erbitterter Widersacher wurde, in Hamburg die Deutschgesinnte Gesellschaft gegründet, die bis 1708 nachweisbar ist. Die Gesellschaft vergrößerte sich um aufeinander folgende Zünfte, die jeweils Blumensymbole trugen (Rosenzunft, Lilienzunft, Nägleinzunft, Rautenzunft) und hatte über 200 Mitglieder. Die Zunftgenossen verpflichteten sich, in ihren Äußerungen ein vorbildliches Deutsch zu benutzen und ihre schriftlich niedergelegten Werke zuerst dem Erzschreinhalter, ihrem Präsidenten, zur Beurteilung vorzulegen. Bemerkenswert an dieser Gesellschaft ist, dass hier auch Frauen den Vorsitz führten (KATHARINA REGINA VON GREIFFENBERG, URSULA HEDWIG VON VELTHEIM). Mitglieder waren unter anderem VON JOHANN MICHAEL MOSCHEROSCH, JOHANN KLAJ, GEORG PHILIPP HARSDÖRFFER, SIGMUND VON BIRKEN.
Der 1660 von JOHANN RIST in Hamburg gegründete Elbschwanenorden bestand nur bis zu RISTs Tod im Jahr 1667.
In ihrer Wirkung nur auf den Straßburger Raum beschränkt und nur von kurzem Bestand war die Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen, die 1633 von JOHANN MATTHIAS SCHNEUBER und ESAIAS ROMPLER VON LÖWENTHAL gestiftet worden war.
Bis auf den heutigen Tag besteht der Pegnesische Blumenorden, der 1644 als Löblicher Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz in Nürnberg gegründet wurde und sich das Symbol der Panflöte gab. Seine Stifter waren GEORG PHILIPP HARSDÖRFFER und JOHANN KLAJ, zu seinen berühmten Mitgliedern zählten SIGMUND VON BIRKEN, JOHANN RIST, JUSTUS GEORG SCHOTTELIUS und JOHANN MICHAEL MOSCHEROSCH. Auch Frauen waren hier zugelassen. Im Gegensatz zu den anderen Vereinigungen verstand sich diese Gruppe in erster Linie als Dichtergesellschaft und hat als solche zur Verbreitung der Schäferdichtung in Deutschland Beträchtliches geleistet.

Sprachlehren aus dem Kreis der Fruchtbringenden Gesellschaft

  • CHRISTIAN GUEINTZ : Deutscher Sprachlehre Entwurf (1641)
  • JUSTUS GEORG SCHOTTELIUS.: Teutsche Sprachkunst (1641)
  • PHILIPP VON ZESEN: Hochdeutsche Sprachübung (1643)
  • JUSTUS GEORG SCHOTTELIUS: Ausführliche Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache (1663)
  • KASPAR STIELER: Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprachschatz (1691)

Poetiken

  • MARTIN OPITZ: Buch von der deutschen Poeterey (1624)
  • JUSTUS GEORG SCHOTTELIUS: Teutsche Vers- oder Reimkunst (1645)
  • PHILIPP VON ZESEN: Hochdeutscher Helikon oder Grundrichtige Anleitung zur hochdeutschen Dicht- und Reimkunst (1640-1656)
  • AUGUST BUCHNER: Anweisungen zur Poeterei (1665)
  • GEORG PHILIPP HARSDÖRFFER: Poetischer Trichter, die deutsche Dicht- und Reimkunst ohne Behelf der lateinischen Sprache in sechs Stunden einzugießen (1647, (weitere Ausgaben 1648–1653)
  • SIGMUND VON BIRKEN: Redebind- und Reimkunst (1679)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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