Nibelungenlied

Das Nibelungenlied ist der bedeutendste mittelhochdeutsche Heldengesang. Er entstand auf der Grundlage älterer germanischer Überlieferungen um 1200 im Donauraum. Es liegen heute elf vollständige und 23 fragmentarische Handschriften des Nibelungenliedes vor, die aus der Zeit vom 13. bis zum 16. Jahrhundert stammen. Die drei wichtigsten werden als A, B und C bezeichnet:

  • Hohenems-Münchener Handschrift um 1280 (A),
  • St. Galler Handschrift um 1250 (B),
  • Hohenems-Laßbergische Handschrift um 1230 (C).

Eine Endfassung des Nibelungenliedes entstand wahrscheinlich zwischen 1198 und 1204, vermutlich im Umkreis des Bischofs WOLFGER in Passau an der Donau.

Struktur des Nibelungenliedes

Das Nibelungenlied besteht aus 39 Abschnitten („Aventiuren“, was neuhochdeutsch Abenteuer bedeutet) und gliedert sich in zwei ursprünglich selbstständige Teile:

  • Das „Siegfriedlied“: Geschichte von Siegfried und Kriemhild; umfasst die Aventiuren 1 bis 19;
  • das „Burgundenlied“ (Kriemhilds Rache an den Nibelungen) beinhaltet die Aventiuren 21 bis 39. Die 20. Aventiure bildet ein Übergangskapitel. Dem zweiten Teil liegen geschichtliche Ereignisse zugrunde: die Vernichtung der Burgunden am Rhein durch die Hunnen 436 oder 437 und der Tod ATTILAS 453.

Das Nibelungenlied (Audio 1, PDF 1) ist in etwa 2 400 Nibelungenstrophen, je vier paarweise reimende Langzeilen, abgefasst, wobei die letzte Halbzeile überlängt ist:

1
Uns ist in alten mæren / wunders vil geseit
von helden lobebæren / von grôzer arebeit,
von fröuden, hôchgezîten, / von weinen und von klagen,
von küener recken strîten / muget ir nu wunder hœren sagen.

2
Ez wuohs in Búrgónden / ein vil édel magedîn,
daz in allen landen / niht schoeners mohte sîn,
Kriemhilt geheizen: / si wart eine scoene wîp.
dar umbe muosen degene / vil verlíesén den lîp.

3
Der minneclîchen meide / triuten wol gezam.
ir muoten küene recken, / niemen was ir gram.
âne mâzen schoene / sô was ir edel lîp.
der juncvrouwen tugende / zierten ándériu wîp.

Beleg des Mittelhochdeutschen
Das Nibelungenlied belegt die sprachlichen Veränderungen, die sich seit 1050 vollzogen und das Mittelhochdeutsche kennzeichneten. Das betrifft vor allem Folgendes:

  • Der Artikel wird zu einem wichtigen syntaktischen Mittel (ahd. zungun > mhd. die zungen).
  • Im Plural wird der Umlaut zu einem wichtigen sprachlichen Merkmal (ahd. bruother > mhd. brüeder).
  • Verschiedene Flexionsendungen fallen zusammen (ahd. zala > diu zal = die Zahl).
  • Unbetonte Mittelsilben werden weggelassen (ahd. kiricha > mhd. Kirche, himeles > himels).
  • Die Diphthongierung breitet sich weiter aus (ahd. wip > mhd. weib).

Benennung des Nibelungenliedes

Die Benennung des Nibelungenliedes erfolgte nach einer germanischen Sagengestalt, dem König Nibelung („Sohn des Dunkels“; verwandt mit Nebel). In der deutschen Sage war „Nibelungen“ die Bezeichnung für ein von einem bösen Geist besessenes Zwergengeschlecht. Sie sind die Besitzer des Nibelungenhortes, eines Goldschatzes, an den ein Fluch gekettet ist. Der Schatz wird vom mächtigen Zwerg Alberich behütet. Siegfried besiegt das elbische Zwergengeschlecht: Er tötet die Könige Nibelung und Schildung und überwindet Alberich. Die Bezeichnung Nibelungen übernimmt er für sich und seine Mannen. Nach dem Tod Siegfrieds geht die Bezeichnung auf die Burgunderkönige über.

Zur Wirkungsgeschichte des Nibelungenliedes

Die Wirkungsgeschichte des Nibelungenliedes begann bereits vor der Zeit der Reformation.
Die alten germanischen Motive von Liebe, Krieg und Rache konnten in der sich bildenden neuen Rittergesellschaft verstanden werden. Die realen Fehden zwischen den Staufern und Welfen, den Schwaben und Sachsen etc. konnten sich an denen des Nibelungenliedes messen lassen.
Die Wirkung des Nibelungenlieds auf Literatur und Kunst dauert bis heute an. Bekannt sind u. a.:

  • HANS SACHS (1557): „Tragedia: Von der strengen Lieb Herr Tristrant mit der schönen Königin Isalden“,
  • RICHARD WAGNER (1876): „Ring des Nibelungen“,
  • FRIEDRICH HEBBEL (1861): Trilogie „Die Nibelungen“,
  • FRANZ FÜHMANN (1971): „Das Nibelungenlied“ (Nacherzählung),
  • ROLF SCHNEIDER (1970): „Tod des Nibelungen“ (Roman).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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