Nicht steigerbare Adjektive

Bei Steigerungen von nicht steigerbaren Adjektiven (Absolutadjektiven) zu unterscheiden ist

  • der sogenannte Hyperlativ, also die regelwidrige Komparationsform,
  • der Elativ (von lat. elatum „hervorgehoben“ = absoluter Superlativ), der in einigen Sprachen vorkommenden vierten Steigerungsstufe.

Als Hyperlativ bezeichnet man die Steigerung von nicht steigerbaren Adjektiven. „Einzig“ ist so ein Adjektiv, das nicht als allereinzigst oder zuallereinzigst auftreten kann und schon gar nicht als am allereinzigsten überhaupt.
Ein fünfeckiger Karton kann nicht noch fünfeckiger sein und sich von einem dritten, am fünfeckigsten, abheben. Auch tot ist man – oder man ist nicht tot. Eine mündliche Überlieferung kann nicht noch mündlicher sein als eine vergleichbar andere mündliche Überlieferung.

Der Komparativ des Adjektivs dient nämlich oft dem qualitativen oder quantitativen Vergleich. Etwas ist größer, schwerer, leichter als etwas anderes. Toter als tot geht nicht, ebenso ist etwas eben ganz oder nicht ganz, aber nie ganzer als ganz.

Auch das ungehobelte, allerdings überall zu hörende „in keinster Weise“ ist so ein Hyperlativ, der toter sein sollte als tot: Wenn der Positiv dieses Ausdruckes „in keiner Weise“ lautet, wie steigern wir dann im Komparativ, „in keinerer Weise“? Oder ist „in keiner Weise“ bereits der Komparativ, wie lautet dann der Positiv? „In kein Weise“? „Kein“ ist nicht steigerbar, und deshalb ist der Superlativ in keinster Weise schön.

Wie arbeitet man zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers? Etwas, das voll ist, kann nicht noch voller werden oder gar am vollsten sein. Protestieren wir allerdings gegen die entsprechende Formulierung in unserem Arbeitszeugnis, stellen wir uns selbst ein Armutszeugnis aus, denn zu vollster Zufriedenheit entspricht in etwa einem Sehr gut, während volle Zufriedenheit nur Befriedigend bedeutet. Allerdings outet sich der Arbeitgeber vielleicht als ehemals schlechter Deutschschüler, wenn er die vollste Zufriedenheit bescheinigt, statt „hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und in besonderer Weise entsprochen“. Auch „die Leistungen haben unsere besondere Anerkennung gefunden“ hebt sich wohltuend vom Hyperlativ  von voll ab.

Einige weitere nicht steigerbare Adjektive sind:

  • falsch
  • unnahbar
  • lauwarm
  • leer
  • optimal
  • minimal
  • schwanger
  • fertig
  • entscheidend

Durchforstet man die deutsche Literatur nach Hyperlativen, wird man schnell fündig, auch bei unseren Klassikern:

Indessen kann man sich des Lachens unmöglich enthalten, wenn wir den unziemlichen Situationen begegnen, die, einzig in ihrer Art, die einzigste Verkehrtheit andeuten!
(Johann Wolfgang Goethe an den Großherzog Carl August)

FAUST:
Durchgrüble nicht das einzigste Geschick!
Dasein ist Pflicht, und wär's ein Augenblick.

(Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragödie zweiter Teil)

„Oh, lassen Sie mir das! Es ist meine einzigste Freude; ich habe ja sonst gar keine Freuden mehr!“
(Theodor Storm: Im Nachbarhause links)

Nicht nur fanden seine Arbeiten die vollste Anerkennung, es ward ihm zugleich die Aussicht zu einer umfassenderen Tätigkeit eröffnet.
(Adele Schopenhauer: Anna)

Ich sage Ihnen, mein Freund, dieses trug ich in mir und das brennende Karthago zugleich; aber es war mehr, es war göttlicher, tierischer; und es war Gegenwart, die vollste erhabenste Gegenwart.
(Hugo von Hofmannsthal: Ein Brief/Chandos-Brief)


Ein Verlagslektor für schöngeistige Literatur würde einem Debütanten folgenden Satz GOETHEs um die Ohren hauen:

Für uns andere, besonders deutsche Zuhörer, blieb es ein unschätzbarer Genuss, in dem Augenblicke, wo wir eine treffliche, längst gekannte verehrte Dame, in den zartesten Tönen sich auf dem Flügel ergehend, vernahmen, zugleich hinab vom Fenster in die einzigste Gegend von der Welt zu schauen und in dem Abendglanz der Sonne mit weniger Wendung des Hauptes das große Bild zu überblicken, das sich linker Hand vom Bogen des Septimius Severus das Campo Vaccino entlang bis zum Minerven- und Friedenstempel erstreckte, um dahinter das Koliseum hervorschauen zu lassen, in dessen Gefolge man dann das Auge rechts wendend, an den Bogen des Titus vorbeigleitend in dem Labyrinthe der palatinischen Trümmer und ihrer durch Gartenkultur und wilde Vegetation geschmückten Einöde sich zu verwirren und zu verweilen hatte.
(Johann Wolfgang Goethe: Italienische Reise)

Dagegen wird in der Übersetzung des Mark-Twain-Romanes „Huckleberry Finn“ einzigst völlig legitim als stilistisches Mittel eingesetzt.

Huck Finn sein arme, alte, schwarze Nigger seine beste Freund, sein alte Jim seine einzigste Freund!
(Mark Twain: Abenteuer und Fahrten des Huckleberry Finn)

Der Elativ als vierte Steigerungsstufe wird, im Gegensatz zum Komparativ und zum Superlativ niemals vergleichend gebraucht. In der Regel wird er im Deutschen mit sehr, äußerst, überaus und dem Positiv des Adjektivs gebraucht oder umschrieben, d. h., dem Elativ fehlt das Vergleichspartikel „am“.

Das äußerst Unangenehme ist demnach das Unangenehmste, so wie das äußerst bzw. sehr Schlechte das Schlechteste ist.

In diesem Sinne wird oft das sehr oder äußerst Einzige zum Einzigsten oder die äußerst bzw. sehr volle Zufriedenheit zur vollsten Zufriedenheit. Man kann sehr herzliche oder die herzlichsten Grüße an die liebste Tante übermitteln oder bei sehr guter bzw. bester Gesundheit sein.

Hin und wieder findet man statt sehr, äußerst, überaus auch Vorsilben, wie hyper-, hoch-, bild-, feder- und andere, die einen Elativ ausdrücken (federleicht, hypermodern, bildschön u.s.w.), dann allerdings steigert man nicht mehr auf „federleichteste“ oder „hypermodernste“.

In zusammengesetzten Adjektiven wird nur ein Teil des Adjektivs gesteigert: Man sollte Fehler weitestgehend / weitgehendst vermeiden.

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