Der Unabhängigkeitskampf in Lateinamerika unter Führung von Simón Bolívar

Er wird von den Völkern Lateinamerikas noch heute als einer der großen Freiheitshelden verehrt.

Der aus einer wohlhabenden venezoelanischen Kreolenfamilie stammende SIMÓN BOLÍVAR wurde 1783 in Caracas geboren. Durch ein großes Vermögen abgesichert, ging BOLÍVAR in jungen Jahren nach Frankreich und Spanien. Hier erlebte er die triumphalen Erfolge NAPOLEONs mit, begeisterte sich für die Ideen der Französischen Revolution und bewunderte die englische Politik.
BOLÍVAR glaubte zum Befreier Südamerikas von spanischer Kolonialherrschaft berufen zu sein. Deshalb beteiligte er sich auch in seiner Heimat Venezuela 1810 an dem Umsturz, der zunächst die spanische Kolonialherrschaft beendete.
Zum Kampf entschlossen stürzte sich BOLÍVAR in den folgenden Jahren in den Befreiungskrieg gegen die Spanier. Als glänzender Truppenführer und Stratege führte er u. a. ein Befreiungsheer aus den weiten Ebenen des Orinoco über die Anden bis nach Peru. Hier besiegte er die Spanier in einem Überraschungsangriff. Dieser Sieg begründete seinen legendären Ruhm als Libertador, als Befreier Südamerikas.

Die Wurzeln des Unabhängigkeitskampfes

Beginnend mit der Entdeckung Amerikas durch KOLUMBUS im Jahre 1492 drangen spanische und portugiesische Eroberer Schritt um Schritt in Lateinamerika vor und unterwarfen es den Kronen beider Länder zur Ausbeutung seiner Reichtümer.
Im 18. Jahrhundert war der gesamte Subkontinent, von Mexiko im Norden bis zum Kap Horn an der äußersten Südspitze, nahezu vollständig spanischer Kolonialbesitz mit mehreren spanischen Vizekönigreichen. Nur Brasilien war portugiesisch.
Um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jh. setzten in Lateinamerika verstärkt das Ringen um die nationale Unabhängigkeit von den Mutterländern ein. Das Erstarken der nationalen Befreiungsbewegungen in dieser Zeit hatte mehrere Ursachen:

Das Beispiel des erfolgreichen Unabhängigkeitskrieges der USA und die Ideen der Französischen Revolution verfehlten auch ihre Wirkungen in den spanischen Kolonien nicht.

Dazu kam eine wachsende Entfremdung der Kolonien zum Mutterland, die u. a. durch die Geringschätzung und die Willkür spanischer Beamter genährt wurde. Von dieser Entfremdung wurden besonders die Kreolen erfasst. Kreolen waren die in den Kolonien geborenen stolzen Angehörigen der spanisch-stämmigen Oberschicht. Sie waren meist auch die Träger der Befreiungsbewegungen.

Auslöser für die bewaffneten Unabhängigkeitskämpfe am Anfang des 19. Jahrhunderts war eine tiefe Krise im spanischen Mutterland. Diese wurde 1808 durch die Besetzung Spaniens durch napoleonische Truppen und die darauffolgende Absetzung des spanischen Königs ausgelöst. Dadurch verloren die Kolonialbehörden an Autorität, und ab 1810 kam es in allen spanischen Kolonien zu Aufständen.

Die Unabhängigkeitskämpfe in Lateinamerika

Haiti (1804)

Als erste, allerdings nicht-spanische Kolonie erkämpfte in Lateinamerika der als Haiti bezeichnete französische Teil der Karibikinsel Hispaniola seine Unabhängigkeit.
Die Bevölkerungsmehrheit auf Haiti waren Schwarze, Nachkommen geraubter Sklaven aus Afrika. Der Rest, knapp 10 %, waren Mischlinge, sogenannte Mulatten. Nur 6 % der Bevölkerung gehörten zur weißen Oberschicht der Sklavenhalter. Die Sklavenhaltergesellschaft auf Haiti erzeugte fast ausschließlich Zucker für das französische Mutterland.
Im Verlauf der Französischen Revolution geriet Haiti in den Sog der revolutionären Ereignisse, ohne dass das die Weißen verhindern konnten. Vor allem die Mulatten, gewissermaßen die Mittelschicht auf der Insel, verlangten die Menschen- und Bürgerrechte auch für sich. Nach einem Aufstand im Jahre 1791 bekamen sie diese auch zugebilligt. Vier Jahre später, auch nach einem Aufstand, wurde auch den schwarzen Sklaven die Freiheit zugebilligt.
Ermutigt durch diese Erfolge kämpfte die schwarze Bevölkerung Haitis unter dem „schwarzen Napoleon“TOUSSAINT L'OUVERTUREum die Unabhängigkeit von Frankreich. Mit einem Sieg über die napoleonischen Truppen und die Vertreibung der Weißen von Haiti wurde dann 1804 die nationale Unabhängigkeit erreicht.

Die Befreiung von Kolumbien, Venezuela und Ecuador

Im Vizekönigreich Neugranada rief 1811 ein Kongress in Caracas die staatliche Unabhängigkeit Venezuelas aus. Spanien reagierte mit einer Blockade der Häfen und Küsten des Landes. Ein Jahr später stellte es mit Waffengewalt auch in Ecuador wieder die Kolonialherrschaft her. Auch in Kolumbien beendete eine spanische Expeditionsarmee 1815 vorerst die Unabhängigkeit wieder.
Unter Führung des Freiheitskämpfers SIMÓN BOLÍVAR nahmen die Befreiungsbewegungen in den drei Ländern den Kampf jedoch bald wieder auf: Kolumbien wurde 1819 endgültig befreit, zwei Jahre später Venezuela und ein weiteres Jahr später auch Ecuador. Die drei Staaten schlossen sich zur Republik Großkolumbien zusammen.
In der Verfassungsdiskussion hatte sich BOLÍVAR für einen solchen einheitlichen, zentral geführte Staat ausgesprochen. Dabei hatte er sich gegen eine Mehrheit durchgesetzt, die den bundesstaatlichen Charakter des Landes befürworteten. Letzteres war sicher auch der Grund, weshalb das Staatsgebilde auch nach wenigen Jahren wieder zerfiel.
BOLÍVAR wurde der erste Präsident der Republik Großkolumbien. Als im Jahre 1822 Peru befreit wurde, wurde das in den Hochanden gelegene Oberperu ein selbstständiger Staat, der sich nach seinem Befreier Bolivien nannte. Wenige Jahre später wurde BOLÍVAR auch Präsident von Peru.
BOLÍVAR verfolgte als talentierter Staatsmann mit politischem Weitblick eine Vision: Er wollte alle Völker des Kontinentes Südamerika in einem Staatenbund vereinigen. Dieser Bund sollte dann die Gegenmacht zum alten Europa bilden. Für eine gewisse Übergangszeit auf dem Weg zu diesem Staatenbund billigte er auch diktatorische Maßnahmen. Das brachte ihm den Vorwurf ein, diktatorische Ziele zu verfolgen.
Im Jahre 1826 berief er die Völker Südamerikas zu einem Kongress in Panama ein. Dieser nahm jedoch einen enttäuschenden Verlauf. Eigennützige nationale Interessen und Machtkämpfe zwischen den Staaten und Politikern durchkreuzten die Pläne von BOLÍVAR. BOLÍVAR gab daraufhin verbittert und schwer krank alle seine Ämter ab. Er starb wenige Jahre später auf der Flucht nach Europa in Kolumbien.

Die Befreiung von Chile, Peru und Bolivien

BOLÍVAR führte im Norden des Kontinents die entscheidenden Kämpfe gegen die spanientreuen Regierungen und ihre Truppen. In den übrigen Ländern unterstützte vor allem Argentinien die Unabhängigkeitsbewegungen. Von Argentinien aus überquerte auch General SAN MARTÍN mit einem chilenisch-argentinischen Heer die Anden. Nach der Überquerung der Anden besiegte er 1817 und 1818 in zwei Schlachten die Spanier entscheidend.
Mit der Vertreibung der Spanier aus Chile war der entscheidende Schritt zur Befreiung von Peru, der letzten Bastion der spanischen Kolonialherrschaft, getan. Doch die Kämpfe im Land dauerten an. Selbst als 1822 die Hauptstadt Lima in die Hände der Truppen von SAN MARTIN fiel, dauerten die Kämpfe im Land weiter an. Die Situation änderte sich erst, als BOLÍVAR in Peru eintraf. Unter seiner Führung konnte in einer verlustreichen Schlacht der militärische Widerstand der Spanier Ende 1824 endgültig gebrochen werden.
Dieser Sieg bedeute auch das Ende für die letzten Stützpunkte der Spanier in Altó Peru (Oberperu), den in den Hochländern der Anden liegenden Teil des Vizekönigreichs. Im August 1825 wurde seine Unabhängigkeit ausgerufen. Der neue selbstständige Staat hieß Bolivien.

Die Befreiung von Argentinien, Paraguay und Uruguay

Im Vizekönigreich Rio de la Plata endete die spanische Kolonialherrschaft zwischen 1810 und 1813. Drei Jahre später wurde die nationale Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten am Rio de la Plata proklamiert. Die Hoffnungen auf einen dauerhaften Zusammenschluss von Argentinien, Paraguay und Uruguay erfüllten sich aber nicht. Sie scheiterten in der Folgezeit an unterschiedlichen nationalen Interessen und an wechselnden Vorherrschaftsansprüchen der Länder.

Die Unabhängigkeit und weiter?

Alle jungen südamerikanischen Staaten hatten nach Erringung der Unabhängigkeit schwere wirtschaftliche Probleme zu meistern; waren sie doch als Kolonien völlig von Spanien abhängig gewesen.
Hinzu kamen krasse soziale Gegensätze zwischen den wohlhabenden Kreolen und der z. T. bettelarmen indianischen Bevölkerung, die die Situation verschärften. Sie bargen viel Konfliktpotenzial. Das hing auch damit zusammen, dass die Unabhängigkeit für die Masse der Bevölkerung kaum Vorteile gebracht hatte. Anstelle der Spanier war für sie nun die kreolischen Oberschicht getreten. Deren Privilegien blieben unangetastet, und sie erschien nun als neuer Ausbeuter.
Über diese Probleme hinaus wurde in den Staaten Lateinamerikas die Basis für politische Grundkonflikte gelegt, die diese bis heute erschüttern:

Zum einen entzog sich das Militär nach den siegreichen Kämpfen gegen die Kolonialmacht der Kontrolle des Staates. Die Generale verstanden das Militär bzw. die Armee als eigenständigen Machtfaktor, der Staat im Staate ist und sich der politischen Kontrolle entzieht. Diese Denkweise war und ist noch heute der Hintergrund für Militärputsche und militärische Umsturzversuche in den Ländern Lateinamerikas.

Zum anderen kam es in Südamerika immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen schwachen, instabilen Zentralregierungen und mächtigen Lokalgewalten. Solche Auseinandersetzungen, vor allem um die Abtrennung bestimmter Landesteile, die u. a. von der Grenzziehung bzw. Staatenbildung nach der Unabhängigkeit herrühren, wurden und werden bis heute nicht selten mit militärischen Mitteln ausgetragen.

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