Schreckensherrschaft der Jakobiner

Zweite Phase der Französischen Revolution bis 1794

Die zweite Phase der Französischen Revolution bis 1794 brachte Frankreich zwar offiziell als Staatsform die Republik. Geprägt war diese Zeit jedoch von einer immer weitergehenden Radikalisierung der Politik. Politische Unruhen und Umsturzversuche endeten schließlich in einer Schreckensherrschaft (terreur), deren Träger die von ROBESPIERRE geführten radikalen Jakobiner im Wohlfahrtsausschuss waren.

Die nationale Krise

Die erneuten militärischen Niederlagen gegen England, Spanien und die deutschen Fürsten im Frühjahr 1793 lösten in Frankreich eine neue Welle von Unruhen aus. Das betraf zunächst die Sansculotten, die städtischen Volksmassen.
Gleichzeitig erhob sich die katholische Landschaft Vendée, südlich der Loire gelegen, gegen Paris. Die anhaltende Kriegswirtschaft hatte das Dahinsiechen der lokalen Industrien verursacht und zu Massenelend geführt. Auch der Verkauf der Nationalgüter, zumeist zugunsten der reichen Stadtbürger, stärkte den Zorn und Unwillen der bäuerlichen Bevölkerung. Unterstützt von royalistischen Adligen und britischem Geld, gingen die Bauern zum offenen Aufstand über.
Auf dem Höhepunkt des Kampfes standen weite Teile West- und Südfrankreichs in Aufruhr. Der bewaffnete Widerstand reichte von der Normandie und der Bretagne im Nordwesten bis zum Südwesten um Bordeaux, von der Provence mit Marseille und Toulon im Süden und bis nach Lyon im Osten.
In dieser nationalen Krise zeigte es sich wieder einmal, dass Frankreich keine wirkliche Regierung hatte. Zwar regierte offiziell der Nationalkonvent, jedoch waren die Parteigruppierungen in ihm untereinander zerstritten.
Hauptgegner waren die Girondisten und eine Gruppe der Jakobiner, die sogenannte Bergpartei. Es handelte sich um besonders radikale Jakobiner, deren Parteiname sich daraus ergab, dass sie im Nationalkonvent die oberen Ränge einnahmen. Noch beherrschten allerdings die Girondisten den Nationalkonvent.
Die Mitglieder der Bergpartei um ihren Führer ROBESPIERRE mobilisierten in der Auseinandersetzung mit den Gorondisten geschickt die unzufriedenen Volksmassen, die Sansculotten: Die von den Sansculotten beherrschten Jakobinerklubs griffen daraufhin immer aktiver in das öffentliche Leben ein. Sie lösten eine breiter werdende Verhaftungswelle aus und setzten einen Revolutionsgerichtshof zur Aburteilung der Verdächtigen ein. Auch ihre Forderungen nach gesetzlicher Festlegung von Höchstpreisen und nach einem Zwangskurs für Assignaten (Papiergeld während der Revolution) konnten sie durchsetzen. Mit der Verwirklichung dieser Maßnahmen wurden das Revolutionstribunal und der Anfang April 1793 eingesetzte Wohlfahrtsausschuss beauftragt. Beim Wohlfahrtsausschuss handelte es sich um einen Parlamentsausschuss, der allerdings in der Folgezeit zur eigentlichen Regierungsgewalt wurde.
Am 2. Juni kam es zum offenen Aufstand der Sansculotten, vermutlich ausgelöst und gelenkt von der Bergpartei um ROBESPIERRE. Eine Menge von über 80 000 Menschen mit mehr als 150 Kanonen belagerte den Nationalkonvent und erzwang die Auslieferung von zwei Ministern und 29 führenden Abgeordneten der Girondisten. Alle wurden später hingerichtet. Dies bedeutete das Ende der gemäßigten Republikaner im Nationalkonvent.
ROBESPIERRE und seine Bergpartei herrschten nun nahezu uneingeschränkt. Eine neue jakobinische Revolutionsregierung wurde gebildet. Deren wichtigstes Machtorgan war das aus dem Wohlfahrtsausschuss hervorgegangene Große Komitee, das aus 12 Persönlichkeiten bestand. Dazu kam das Komitee der Allgemeinen Sicherheit mit ebenfalls 12 Mitgliedern, das die Polizeigewalt innehatte. Wahlen waren abgesagt worden. Damit herrschte in Frankreich nun eine Kriegsdiktatur, gestützt auf die Volksmassen und gesichert durch ein System des Terrors.

Die Sansculotten

Mit diesem Namen wurde jener Teil der Pariser Bevölkerung bezeichnet, der immer wieder der Motor der Radikalisierung der Revolution war. Ihr Name („sans culotte“, deutsch: „ohne Kniehose“) kam daher, dass sie anstelle der zu Zeiten der Monarchie üblichen Kniehose, der Culotte, eine lange Hose trugen.
Die Hauptmasse der Sansculotten bildeten die Handwerker mit ihren Gesellen und kleine Geschäftsleute. Hinzu kamen Arbeitslose und Manufakturarbeiter. Das Band, das diese unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen einte, war vor allem der Hunger. Sie waren sich einig in ihrem Zorn gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Schuldigen ihrer Not. Als solche betrachteten sie vor allem die Großhändler und Unternehmer, auch wenn diese für die jakobinische Regierung arbeiteten, und alle mutmaßlichen Anhänger der Gegenrevolution.
Die Sansculotten stellten soziale Forderungen, wie die Festsetzung von Höchstpreisen, die dem Volk ein Existenzminimum garantieren sollten. Ihr Ideal war auch die wirtschaftliche Gleichheit der Menschen im Staat; nicht mehr nur die rechtliche Gleichheit, welche bereits durch die liberalen Reformen von 1789 bis 1791 hergestellt worden war. Politisch strebten sie die direkte Ausübung der Macht durch das Volk mittels sogenannter Sektionen in der Hauptstadt an. Diese Sektionen, von den Sansculotten kontrollierte Komitees, sollten die Parlamentarier und Beamten im ganzen Land kontrollieren, notfalls absetzen und bestrafen können.
Die Vertreter der jakobinischen Bergpartei konnten an den Wünschen und Forderungen der Sansculotten bald nicht mehr vorbeigehen; verdankten sie ihnen doch den Sieg über die Girondisten. In der zweiten Jahreshälfte 1793 machten sie den Sansculotten bedeutende wirtschaftliche und politische Zugeständnisse, um so den „Druck der Straße“ aufzufangen.

Eines dieser politischen Zugeständnisse war die Verkündung der Levée en masse Ende August 1793. Danach wurden sämtliche unverheirateten Männer zwischen 18 und 25 Jahren unabhängig von Stand und Besitz in die Revolutionsarmee eingezogen. Die gesamte übrige Nation, wiederum alle Stände und Schichten der Bevölkerung, verpflichtete die Levée en masse zur aktiven Teilnahme an den Verteidigungsanstrengungen. Frankreich konnte durch das Gesetz nun eine Million Mann unter Waffen stellen. Das Land verfügte somit über mehr Soldaten als alle seine militärischen Gegner zusammengenommen.
Seit dem Frühjahr des Jahres 1794 stellten sich dann auch wieder außerhalb der Grenzen militärische Erfolge ein. Und auch die Unruhen im Inneren des Landes konnten beendet werden, wenn auch nur mit fast unvorstellbarer Härte und Brutalität.

Terrorherrschaft der Jakobiner

Um die brutale Vorgehensweise im Inneren, d. h. im französischen Bürgerkrieg, zu rechtfertigen, hatte sich der Wohlfahrtsausschuss im September 1793 zum Terror als zulässigem Regierungsmittel bekannt. Es begann die Schreckensherrschaft der Guillotine:
Bespitzelung und Denunziation waren an der Tagesordnung. Keiner konnte mehr vor willkürlicher Verhaftung und Hinrichtung sicher sein. Etwa 35 000 bis 40 000 Menschen fielen in relativ kurzer Zeit der Guillotine zum Opfer. Von Oktober bis Dezember 1793 waren die Opfer des Blutrausches von ROBESPIERRE Vertreter der alten Ordnung und des Adels sowie die verbliebenen Kräfte der ersten Revolutionsphase.

... auch gegen sich selbst

Aber die Revolution fraß auch ihre eigenen Kinder. Um die Wende 1793/94 zerfiel die Bergpartei in drei Gruppierungen. Es gab einen radikalen Flügel der Bergpartei um den Journalisten HÉBERT. Diesem Flügel stand die Gruppe um ROBESPIERRE, den starken Mann in Konvent und Wohlfahrtsausschuss, gegenüber. Die dritte Gruppierung waren die sogenannten Nachsichtigen um DANTON.
Im März 1794 ließ ROBESPIERRE zunächst HÉBERT und seine Anhänger verhaften und hinrichten. Nur wenige Tage später wurden zur allgemeinen Überraschung auch DANTON und seine Freunde eingekerkert. Dem Revolutionshelden DANTON wurde zum Verhängnis, dass er sich öffentlich gegen den Terror als Mittel der Politik ausgesprochen hatte. Obwohl sich die Angeklagten vor dem Konvent unerschrocken verteidigten und das Volk Anstalten machte, ihnen zu Hilfe zu kommen, ließ ROBESPIERRE seine alten Kampfgefährten hinrichten. Nun schien es niemanden mehr in Frankreich zu geben, der ihm gefährlich werden konnte.

Der Terror nahm im Sommer 1794 seinen Fortgang, furchtbarer denn je. Terror schien das einzige Regierungskonzept zu sein, über das ROBESPIERRE noch verfügte. Durch ein Gesetz vom 10. Juni ließ er auch die letzten noch verbliebenen Rechtsmittel abschaffen. Damit begann die Phase des sogenannten Großen Terrors, der sich willkürlich gegen jedermann richtete. Selbst die Sansculotten, die früher den Terror als Mittel zur Verteidigung der Revolution bejaht hatten, wandten sich nun entsetzt ab. Letztendlich verschworen sich Mitglieder des Nationalkonvents, des Wohlfahrts- und Sicherheitsausschusses sowie des Militärs gegen ROBESPIERRE.
Am 27. Juli 1794 sagte sich der Nationalkonvent dann von ihm los und ließ ihn verhaften. Einen Tag später richtete man ihn und 21 seiner engsten Freunde ohne Verhandlung und ohne Urteil hin. Die Wohlfahrtsdiktatur ROBESPIERRES war zu Ende.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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