Die Neo-Stile

Rückgriff auf vergangene Stile

In Wörlitz entstanden Gebäude für unterschiedliche Funktionen und in unterschiedlichen Stilen, etwa das „Gotische Haus“.

Neo-Stile – Folgen des wachsenden Nationalbewusstsein

Die Architekten und Architekturkritiker des 20. Jahrhunderts warfen dem 19. Jahrhundert Stillosigkeit und Eklektizismus vor. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie hemmungslos man sich damals, wenn auch interpretierend und umdeutend, bei der Vergangenheit bediente.

Das ist auch zu verstehen als eine Folge des nun einsetzenden großen Interesses an der Geschichte, als Zeichen für die Erweckung von Nationalbewusstsein bei den in der Zeit der napoleonischen Kriege unterdrückten Völker, als Einsicht in die eigene Relativität und als eine Bezeugung von Respekt für die Leistungen der Vergangenheit, etwa für die fragilen gotischen Gewölbekonstruktionen

FRIEDRICH SCHINKEL und die Friedrichwerdersche Kirche

Wegen seiner Einsicht in die eigene Relativiät hat FRIEDRICH SCHINKEL für die Friedrichwerdersche Kirche in Berlin 1824–1830 zwei alternative Entwürfe für den Neubau angeboten: Einen antiken Tempel und eine gotische Backsteinkirche. Der König entschied sich für Gotik, denn sie galt ihm als „christlich germanischer Stil“. Dass die Gotik mit St. Denis bei Paris einsetzte, wollte man nicht wahrhaben.

Im Stil der SCHINKEL-Schule wurde die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel in Berlin errichtet. 1866–1876 erbaute JOHANN HEINRICH STRACK nach den Entwürfen von FRIEDRICH AUGUST STÜLER das Museum, das ursprünglich als Festhalle dienen sollte. Die Alte Nationalgalerie, die im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war, wurde 2002 nach mehrjähriger Sanierung wiedereröffnet.

Die Kritiker des Historismus bezeichneten die Neostile als eklektizistisch (d. h. unselbstständig zusammengetragene Stilelemente). Aber wenn man sich heute die Ringstrasse in Wien ansieht, dann erkennt man ihren Reichtum an Abwechslung.

Projekt der Neugestaltung Wiens nach LUDWIG FÖRSTER

Projekt der Neugestaltung Wiens nach LUDWIG FÖRSTER

die Neostile - Projekt der Neugestaltung Wiens

Gestaltung der Wien-Metropole

1857 hatte Kaiser FRANZ JOSEPH I. (1830–1916) die Schleifung der barocken Wallanlagen und Befestigungen angeordnet, welche die Stadt einschnürten und ihr Wachstum behinderten. Der Architekt LUDWIG FÖRSTER (1797–1863) entwarf an ihrer Stelle eine parkartige Szenerie, an deren Rand er eine Reihe repräsentativer Bauten postierte, die mit ihrem Glanz die Bedeutung und den Ruhm des Herrscherhauses der Wien-Metropole hervorheben sollten.

Wir finden da:

  • Die barocke Hofburg mit ihren neobarocken Anbauten, dem Michaelertrakt (entworfen von KIRSCHNER) und der Neuen Burg (GOTTFRIED SEMPER, KARL HASENAUER),
     
  • das Äußere Burgtor (LUIGI CAGNOLA, PETER NOBIULE) im Stil der Revolutionsarchitektur,
     
  • das Kunsthistorische und das Naturhistorische Museum im Gewand der Neorenaissance (SEMPER),
     
  • das Parlament in den feierlichen Formen des an der Antike geschulten Klassizismus (THEOPHIL HANSEN),

 

  • das neogotische Rathaus (FRIEDRICH VON SCHMIDT),
     
  • die ebenso neogotische Votivkirche (HEINRICH FERSTEL),
     
  • das Burgtheater im Neorenaissancekleid (SEMPER, HASSENAUER),
     
  • das Universitätsgebäude im Neorenaissancestil (FERSTEL) und
     
  • den antikisierenden Theseustempel (NOBILE).

Es fehlen in diesem Ensemble nur Neoromanik und Neorokoko. Aber um ein komplettes Verzeichnis der Stile geht es hier gar nicht. Sondern darum, für die jeweilige Gebäudefunktion eine anschaulich sprechende Architektur zu finden.
Und es ging um die Vermeidung von Eintönigkeit.

Rathaus und Kirche, das waren zwar überkommene Bauaufgaben, aber das Museum, das Theater, das Parlament – die waren für das 19. Jahrhundert neu.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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