Bernoulli-Experimente

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. (SHAKESPEARE)

Treten zufällige Ereignisse aus Natur und Gesellschaft, wie z.B. eine bestimmte Krankheit, auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf und wie lässt sich diese berechnen?

Dem Schweizer Mathematiker JAKOB BERNOULLI (1654 bis 1705) gingen diese Fragen über viele Jahre nicht aus dem Kopf. Er hegte die Hoffnung, mithilfe des vorhandenen statistischen Materials, d.h. über die relativen Häufigkeiten für das Auftreten einer bestimmten Krankheit, einen Zugang für die Lösung des Problems zu finden. In seinem 1713 veröffentlichten Buch „Ars conjectandi“ (Kunst des Vermutens) untersuchte er wohl als Erster in der Geschichte der Wahrscheinlichkeitstheorie das Stabilwerden relativer Häufigkeiten.

Als Modell verwandte JAKOB BERNOULLI eine Urne mit genau 3000 weißen und 2000 schwarzen Steinchen, aus der rein zufällig ein Stein gezogen wurde. Dieser Vorgang sollte nach Zurücklegen des betreffenden Steines beliebig oft wiederholt werden.

JAKOB BERNOULLI versuchte also, dem oben skizzierte Problem mit einem möglichst einfachen Zufallsexperiment, das nur zwei mögliche Ergebnisse besitzt (entweder schwarzes oder weißes Steinchen), auf die Spur zu kommen. Ihm zu Ehren tragen diese Zufallsexperimente heute seinen Namen.

  • Definition: Ein Zufallsexperiment mit nur zwei möglichen Ergebnissen heißt BERNOULLI-Experiment. Die beiden Ergebnisse werden Erfolg bzw. Misserfolg genannt (mitunter auch Treffer bzw. Niete) und häufig mit 1 bzw. 0 gekennzeichnet.
    Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Erfolg eintritt, nennt man Erfolgswahrscheinlichkeit p.

JAKOB BERNOULLI schlug übrigens die Bezeichnungen „fruchtbares Ereignis" und „unfruchtbares Ereignis“ vor, die sich allerdings nicht durchgesetzt haben. Alle diese Bezeichnungen werden wertfrei gebraucht. Auch höchst unerfreuliche Ereignisse werden mit dem Wort Erfolg belegt, wenn deren Eintreten von Interesse ist.

Die Tatsache, dass BERNOULLI-Experimente „einfache Zufallsexperimente“ sind, darf nicht zu der Annahme verleiten, sie seien nicht bedeutsam.

Zum einen ist es ein generelles Phänomen in der Wissenschaft, dass nicht selten Einsichten über komplizierte Strukturen mithilfe einfacher Strukturen gewonnen werden können. Das trifft auch und gerade für das BERNOULLI-Experiment zu.

Zum anderen können zufällige Vorgänge in vielen Lebensbereichen mit einem BERNOULLI-Experiment hinreichend beschrieben werden, da vielfach nur interessiert, ob ein bestimmtes Ereignis eingetreten ist oder nicht. Als Beispiele dafür seien genannt:

  1. Bei der Gütekontrolle von Bauteilen interessiert oft nur, ob ein bestimmtes vorgegebenes Maß, eine bestimmte vorgegebene Norm eingehalten wird oder nicht. Unberücksichtigt bleibt dabei z.B., wie groß die Abweichung von der Norm ist.
  2. Bei der Beurteilung von technischen Systemen interessiert oftmals nur die Frage, ob sie „intakt“ oder „nicht intakt“ sind. Unberücksichtigt bleibt dabei z.B. das äußere Erscheinungsbild dieser Systeme.

Das Modell „BERNOULLI-Experiment“ wird also wesentlich konstituiert durch das jeweilige Interesse am Eintreten eines bestimmten Ereignisses – mit anderen Worten: durch das jeweilige Beobachtungsziel.

Die Rolle des Beobachtungsziels wird durch das folgende spezielle Beispiel verdeutlicht.

  • Beispiel: Betrachtet wird das einmalige Werfen eines fairen Würfels mit dem hier abgebildeten Netz.

Bild

Macht man keine weiteren Angaben zum Beobachtungsziel, so lautet die zugehörige Ergebnismenge Ω = { 1 ; 2 ; 4 ; 5 } , d.h. es liegt kein BERNOULLI-Experiment vor.

  • Beobachtungsziel 1: Wird eine 1 gewürfelt oder nicht?

Erfolg: Augenzahl 1
Misserfolg: keine Augenzahl 1
Erfolgswahrscheinlichkeit: p = 1 3
Zufallsgröße: X ( 1 0 1 3 2 3 )
Es liegt ein BERNOULLI-Experiment mit p = 1 3 vor.

  • Beobachtungsziel 2: Wird eine ungerade Augenzahl geworfen?

Erfolg: ungerade Augenzahl
Misserfolg: gerade Augenzahl
Erfolgswahrscheinlichkeit: p = 3 6 = 1 2
Zufallsgröße: Y ( 1 0 1 2 1 2 )
Es liegt ein BERNOULLI-Experiment mit p = 1 2 vor, das zugleich ein LAPLACE-Experiment ist.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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