Gewaltfreiheit, eine Alternative?

Gewaltloser Widerstand

Als Gewaltloser Widerstand werden Aktionen bezeichnet, die von Gruppen oder einzelnen Personen unter Berufung auf die Gewissensfreiheit zwar ohne Mittel der Gewalt, aber oft unter bewusster Hinnahme von Gesetzesverletzungen gegen die Staatsgewalt durchgeführt werden. Vertreter des gewaltfreien Widerstandes begründen ihr Vorgehen damit, dass es nur auf diesem Wege möglich ist, ohne revolutionäre Mittel gegen ein als ungerecht empfundenes Herrschafts- und Gesellschaftssystem vorzugehen bzw. als Verstoß gegen die Grundrechte gewertete Maßnahmen zu bekämpfen. Damit soll die Entwicklung von Gewalt und Gegengewalt verhindert sowie die Demokratisierung der Gesellschaft und die Emanzipation der Menschen in ihr gefördert werden. Träger dieses Widerstandes sind oft Bürgerinitiativen. Erfolge bei dieser Art des Widerstandes sind durchaus möglich, aber schwierig und nur durch Ausdauer zu erreichen.

Gewaltloser Widerstand hat sich als wirksames Mittel gegen Unterdrückung, Diskriminierung und Ausbeutung bewährt. Obwohl er auch als passiver Widerstand bezeichnet wird, ist er keineswegs passiv.

  • Es ist also keine Widerstandslosigkeit. Der Gegner wird aber physisch nicht angegriffen. Geist und Gefühle der Widerstand Leistenden sind immer sehr aktiv.
     
  • Der Gegner soll nicht vernichtet oder gedemütigt werden, sondern man will seine Freundschaft und sein Verständnis gewinnen. In Form des Protestes durch Boykott oder Versagen der Mitarbeit soll beim Gegner Scham erzeugt werden. Zweck ist die Wiedergutmachung und Aussöhnung.
     
  • Angriffe richten sich niemals gegen Vertreter des Systems. Es werden nur das Unterdrückungssystem, seine Ideen oder seine Politik verurteilt.
     
  • Ein wesentliches Merkmal des gewaltlosen Widerstandes ist die Bereitschaft, Demütigungen und körperliche Angriffe zu ertragen, ohne selbst körperlich zurückzuschlagen.
     
  • Die Anhänger des gewaltlosen Widerstandes lassen sich weder äußerlich noch innerlich zu Gewalttätigkeiten hinreißen. Im Mittelpunkt steht ihr guter Wille allen Menschen gegenüber.
     
  • Der gewaltlose Widerstand gründet sich auf die Überzeugung, dass das Universum auf Seiten der Gerechtigkeit steht, d. h. die Anhänger haben einen tiefen Glauben an die Zukunft.

Methoden des gewaltlosen Widerstandes sind:

  • Überzeugungsarbeit, die sich an andere richtet
    z. B. Demonstrationen (wie 1989/90 in der DDR), öffentliche Reden, Briefe, Verbreitung verbotener Literatur;
     
  • Verweigerung der Zusammenarbeit,
    z. B. Boykotte, Streiks, Aktionen des zivilen Ungehorsams;
     
  • gewaltlose Interventionen,
    z. B. Hungerstreiks, Sit-in-Aktionen.

Wichtigste Vertreter des gewaltlosen Widerstandes

MAHATMA GANDHI (1869–1948) forderte seine Anhänger auf, im Rahmen der Hingabe an die Wahrheit an dem als wahr Erkannten festzuhalten und aus diesem Wissen heraus sich dem Unrecht und der Gewalt gewaltlos entgegenzustellen (Satyagraha). Er bekämpfte die britische Kolonialherrschaft in Indien vor allem

  • durch Nichtbeteiligung an Institutionen der Regierung („non-cooperation“),
  • durch Boykott britischer Firmen und ihrer Produkte („be Indian, buy Indian“), sowie
  • durch die gewaltlose Überschreitung ungerechter Gesetze („Salz-Satyagraha“).

Er setzte als Einziger die Waffe des Fastens konsequent ein.
GANDHIs Motto lautete:

„Die Macht der Liebe und des Mitleids ist unendlich stärker als die Macht der Waffen.“

MARTIN LUTHER KING (1928–1968) sagte über GANDHI:

„Gandhi war der erste Mensch in der Geschichte, der Jesu Liebesethik über eine bloße Beziehung zwischen Einzelpersonen hinaushob und sie zu einer gewaltigen und wirksamen sozialen Macht in großem Maßstab steigerte.“

Für MARTIN LUTHER KING (1929–1968) war GANDHI ein Vorbild in Lebenshaltung und Friedensauffassung. Er entwickelte den gewaltlosen Widerstand und den zivilen Ungehorsam seines Vorbildes zur wirksamen Waffe der Bürgerrechtsbewegung gegen Diskriminierung und Rassenhetze in den USA. KING propagierte den Widerstand des Einzelnen gegen als unmoralisch bewertete staatliche Maßnahmen und betrachtete ihn als Befreiung vom Zwang, die herrschenden Werte der Gesellschaft zu imitieren. KING wollte

  • den Gewaltzirkel durchbrechen,
  • den Gegner in einen politischen Lernprozess einbeziehen und somit
  • die Befreiung der Unterdrückten wie der Unterdrücker erreichen.

In seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedensnobelpreises 1964 führte MARTIN LUTHER KING aus:

„Gewaltlosigkeit ist die Antwort auf die entscheidende politische und moralische Frage unserer Zeit – die Notwendigkeit, dass der Mensch Unterdrückung und Gewalt überwindet, ohne zu Unterdrückung und Gewalt Zuflucht zu nehmen.“

Nach dem Beginn des Vietnam-Krieges schloss sich KING der Antikriegsbewegung an. Er war nun immer stärker der Auffassung, dass es nicht ausreichte, gegen den Rassismus der Weißen gegenüber den Schwarzen anzukämpfen, sondern, dass man gegen den bestehenden sozialen Rassismus, der Weiße wie Schwarze einschloss, ankämpfen müsste.

NELSON MANDELA (1918-2013), der maßgeblich zur Überwindung der Apartheid-Politik in Südafrika beitrug, favorisierte die Ablehnung von Hass, trat während seiner Zeit als Präsident Südafrikas für Vergebung und Versöhnung zwischen den ehemals verfeindeten Parteien ein und brachte alte Feinde zusammen. Er wollte aus Südafrika eine „Regenbogennation“ machen: Alle Menschen sollten die gleichen Rechte genießen, die gleichen Pflichten ausüben. Er soll, so wird kolportiert, sogar seine früheren Gefängniswärter zu seiner Amtseinführung eingeladen haben. Außerdem zeigte er in Verhandlungen sanfte und feste Beharrlichkeit. Sein Motto lautete:

„Unsere Fähigkeit zu leiden, wird euch besiegen!
... frei zu sein, bedeutet nicht nur, seine Ketten abzuwerfen, sondern auch so zu leben, dass die Freiheit anderer geachtet wird und wächst. Wir stehen gerade am Anfang der wirklichen Erprobung unserer Freiheit.“

Auch nach seiner Präsidentschaft schlichtete MANDELA in diversen multinationalen Konflikten. Ex-US-Präsident BILL CLINTON sagte über ihn:

„Sie haben der Welt viel geschenkt. Sie haben uns die Freiheit der Vergebung und die Kraft der Demut gelehrt. Sie haben Hoffnung und Geschichte einen gemeinsamen Rhythmus gegeben.“

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