Kinder- und Frauenrechte

Menschenbild und Menschenrechte

Sowohl der „Virginia Bill of Rights“ (1776) wie auch der „Déclaration des droits de l'homme et du citoyen“ (1789) lag das Menschenbild der bürgerlichen Aufklärung zugrunde. Die darin aufgelisteten Rechte galten einem politisch mündigen und freien Subjekt. Damit spiegelten sie den Status und das Selbstverständnis des männlichen Staatsbürgers wider. Das Wahlrecht, die Verfügung über das Eigentum, die Interessenvertretung vor Gericht blieben lange Zeit Privilegien der freien männlichen Bevölkerung. Die Menschenrechte waren zunächst Männerrechte, und zwar die Rechte der freien weißen Männer europäischer Abstammung. Frauen und Kindern blieben diese Rechte dagegen verwehrt.

Kampf um Gleichberechtigung

Erst durch den von Frauen- und Bürgerrechtsbewegungen geführten Kampf um Gleichberechtigung vollzog sich eine Änderung – etwa durch OLYMPE DE GOUGES.

Im 19. Jh. begann sich die Frauenbewegung in Frankreich, Großbritannien und den USA zu formieren. Eine Pionierin der französischen Frauenbewegung, JEANNE DEROIN, stellte sich als Kandidatin für die Parlamentswahlen, obwohl Frauen nicht kandidieren durften. Sie begründete das folgendermaßen:

„Gerade deshalb, weil die Frau dem Mann zwar gleich ist, aber doch nicht mit ihm identisch, sollte sie sich an der Arbeit für soziale Reformen beteiligen und darin die notwendigen Elemente verkörpern, die dem Mann fehlen, damit das Werk vollständig sein kann.“

JEANNE DEROIN war auch die Mitbegründerin des „Club de l'Émancipation des Femmes“ („Verein für die Emanzipation der Frauen“). Zu diesem Verein gehörte ebenso EUGÉNIE NIBOYET, die Heraugeberin einer politischen Frauenzeitschrift. In Deutschland lassen sich die Ursprünge der Frauenbewegung bis in die Frühromantik zurückverfolgen, als sich AMALIE HOLST (1758–1829) für das Recht der Frau auf Bildung und Gleichbehandlung einsetzte. Während der Revolution 1848 entstand eine in lokalen Vereinigungen organisierte Frauenbewegung mit dem publizistischen Sprachrohr „Die Frauen-Zeitschrift“. Darin forderten Frauen wie LOUISE OTTO(-PETERS) u. a. die „Teilnahme der weiblichen Welt am Staatsleben“. Gleichzeitig beharrten sie jedoch auf der

„prinzipiellen, naturgegebenen Bindung aller Frauen an Familie und Mutterschaft“.

Im deutschen Kaiserreich verstärkten sich die Aktivitäten der Frauenbewegung. Dabei rückte die Forderung nach dem Frauenwahlrecht immer mehr in den Mittelpunkt. Als am Ende des Ersten Weltkriegs die alten Herrschaftsstrukturen in Europa zusammenbrachen, wurde in den neuen Verfassungen der Staaten das Wahlrecht für jeden Bürger festgeschrieben – nach und nach auch für jede Bürgerin. So erhielten die Frauen das Wahlrecht in Deutschland 1918, in Österreich und den Niederlanden 1919, in den USA 1920, in Großbritannien 1928, in der Türkei 1934, in Frankreich 1946, in Belgien 1948, in Griechenland 1952 und in der Schweiz 1971 (im Kanton Appenzell Innerrhoden allerdings erst 1990).

Frauenrechte gegen Diskriminierung und Misshandlung

Mit der Erlangung des Wahlrechts war der Kampf der europäischen Frauen um Gleichberechtigung und Selbstbestimmung jedoch keinesfalls zu Ende. Faktische gesellschaftliche Ungleichheiten hatten und haben weiter Bestand. Verwiesen sei hier nur auf die Forderungen nach

  • gleichem Lohn für gleiche Arbeit,
  • Aufstiegschancen in Bildung und Beruf und
  • sexueller Selbstbestimmung (Abtreibungsdebatte – „Mein Bauch gehört mir.“).

Daraus leitete sich auch der Anspruch ab, den Katalog der Menschenrechte zu erweitern.

In vielen Ländern der Welt werden Frauen weiterhin unter Verweis auf kulturelle und religiöse Wertvorstellungen unterdrückt, misshandelt oder gar getötet. Beispiele für die Diskriminierung und Misshandlung von Frauen sind:

  • der Schleierzwang (oder die komplette Verhüllung) für Frauen in einigen islamischen Ländern, sobald sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Angeblich würden sie unverschleiert die sexuelle Begierde der Männer erregen. Indem die Frauen der Öffentlichkeit verborgen bleiben, lässt sich ihre Rolle auf Haushalt, Mutterschaft und als Sexualobjekt des Ehemannes beschränken;
     
  • die Praxis der Klitoris-Beschneidung, ein äußerst schmerzhafter Eingriff, dem weltweit ca. 2 Mio. Mädchen ausgesetzt sind. Die Beschneidung der Mädchen wird von keiner der Weltreligionen vorgeschrieben, sondern dient allein der Kontrolle der weiblichen Sexualität;
     
  • die Verschleppung, der Verkauf und die Zwangsprostitution von Mädchen und Frauen;
     
  • die Abtreibung weiblicher Föten und die Tötung kleiner Mädchen als Folge staatlich verordneter Geburtenkontrolle (Chinas Ein-Kind-Politik) oder weil die herrschende Kultur (etwa die Indiens) Mädchen als minderwertig ansieht;
     
  • die Entrechtung geschiedener oder verwitweter Frauen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden und keine Unterstützung erhalten.

Um gegen die Diskriminierung von Frauen vorzugehen, haben die Vereinten Nationen am 20. Dezember 1993 eine Resolution verabschiedet, deren 1. Artikel lautet:

„Im Sinne dieser Erklärung bedeutet der Ausdruck 'Gewalt gegen Frauen' jede gegen Frauen auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit gerichtete Gewalthandlung, durch die Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Schaden oder Leid zugefügt wird oder zugefügt werden kann, einschließlich der Androhung derartiger Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsberaubung, gleichviel, ob im öffentlichen oder im privaten Bereich.“

Die UN-Resolution verurteilt jegliche Art der körperlichen Misshandlung (Beschneidung, Vergewaltigung, Zwangsprostitution) und Diskriminierung (sexuelle Belästigung, Herabwürdigung) in allen gesellschaftlichen Bereichen, Ehe, Familie und Partnerschaft. Sie unterstreicht – dem Grundsatz der Gleichberechtigung entsprechend –, dass die Frauen weltweit Anspruch auf die in der UN-Menschenrechtserklärung verbrieften Rechte und Freiheiten haben.

Kinderrechte

Im Rahmen der allgemeinen Menschenrechte haben

  • der Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt,
  • ihre Gesundheit und Ernährung,
  • ihr Zugang zu schulischer Bildung

zunehmend Beachtung gefunden. Viele der bereits für Frauen aufgezeigten Menschenrechtsverletzungen betreffen Kinder, Mädchen wie Jungen. Sie sind Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, zusammenhängend vor allem mit dem Sextourismus in einigen asiatischen Ländern. Geschätzt wird, das jedes Jahr mindestens 1 Mio. Kinder zur Prostitution gezwungen werden.

Insgesamt müssen laut Informationen der Hilfsorganisation „terre des hommes“ weltweit etwa 300 Mio. Kinder arbeiten. Sie leisten Kinderarbeit in Fabriken, Handwerksbetrieben, Bordellen, Steinbrüchen, Bergwerken oder Plantagen. Die Betreiber dieser Unternehmen machen sich die Geschicklichkeit und Wendigkeit der Kinder zunutze, beuten die Armut der Familien aus und profitieren von den niedrigen Löhnen. Mit ihrer bis zu 16 Std. am Tag dauernden, schlecht bezahlten Arbeit müssen Kinder in den ärmsten Ländern der Welt maßgeblich zum Familieneinkommen beitragen.
In Indien werden sie hauptsächlich in Streichholzfabriken und der Textilindustrie eingesetzt. Ihre Fingerfertigkeit macht sie in arabischen Ländern zu begehrten, billigen Arbeitskräften beim Teppichknüpfen. Auch Untertage arbeiten Kinder, so z. B. in Kolumbien, weil die Grubenbesitzer dadurch nicht nur die Lohnkosten senken, sondern auch auf den Ausbau mannshoher Stollen verzichten können. Selbst die Versklavung und der Verkauf von Kindern zur Zwangsarbeit sind in einigen Ländern noch an der Tagesordnung. Ein weiterer, vornehmlich in Schwarzafrika verbreiteter Missbrauch von Kindern ist ihr Einsatz als Soldaten in den Stammeskriegen. Schon 10-jährige Kinder werden dort angeworben oder verschleppt, unter Drogen gesetzt und als Kindersoldaten in den Krieg geschickt.

Die Hauptursachen für Kinderarbeit und -ausbeutung liegen in Armut und Unterentwicklung. Viele Familien in den Entwicklungsländern sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder zum Lebensunterhalt beitragen. Und viele Unternehmer machen sich diese billige Arbeitskraft zunutze, statt erwachsene Arbeiter zu beschäftigen. Produkte aus Kinderarbeit können daher preisgünstiger angeboten werden, sodass sich diese Arbeit auf dem Weltmarkt als Wettbewerbsvorteil auszahlt. Auch internationale Konzerne profitieren von ihr. Den Kindern wird die Chance auf eine ordentliche Schulausbildung verbaut, die einen Ausweg aus sozialer und wirtschaftlicher Not bahnen könnte. Deshalb ist der Kampf gegen die Kinderarbeit eine Aufgabe der Entwicklungspolitik. Die Entwicklungsländer müssen, unterstützt von den reichen Staaten, die Bedingungen schaffen, die es den Familien ermöglichen, ihre Kinder ausbilden und lernen zu lassen, ohne dass dadurch ihr Lebensunterhalt gefährdet ist. Dies beinhaltet natürlich insbesondere den Ausbau sozialer Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser) und die Bekämpfung des Hungers.

In diese Richtung zielt die Erweiterung der Menschenrechte um kollektive Entwicklungsrechte, die den ärmsten Ländern der Welt den Anspruch auf eine gerechtere Verteilung des Reichtums (der Ressourcen und Güter) sichern soll, um die wirtschaftliche und soziale Situation dieser Länder zu verbessern. Viele Entwicklungsländer sind aufgrund von Verschuldung, Kriegen, Dürrekatastrophen, Epidemien nicht in der Lage, soziale Mindeststandards wie eine ausreichende Ernährung, medizinische Versorgung oder ein flächendeckendes Schulsystem zu unterhalten. Deshalb lässt sich die Durchsetzung von Kinderrechten nicht von der internationalen Unterstützung der Entwicklungsländer trennen.

Die Kinderrechtskonvention (KRK) der UNO

Von Polen ging 1978 die Initiative zur Ausarbeitung einer Konvention zum Wohle der Kinder aus, die im folgenden „Jahr des Kindes“ beschlossen werden sollte. Doch dauerte es noch über ein Jahrzehnt, bis am 20. November 1989 die 44. Vollversammlung der Vereinten Nationen die Konvention über die Rechte des Kindes (KRK) einstimmig verabschiedete .
Die Konvention ist insofern einmalig, als sie die bisher größte Breite fundamentaler Menschenrechte – ökonomische, soziale, kulturelle, zivile und politische – in einem einzigen Vertragswerk zusammenfügt. Die in den 54 Artikeln dargelegten völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandards haben zum Ziel, weltweit die Würde, das Überleben und die Entwicklung von Kindern (bis 18 Jahren) und damit von mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung sicherzustellen. Inzwischen wurde die Konvention von über 190 Staaten ratifiziert, wobei einige von ihnen – darunter auch Deutschland – mit der Unterschrift Vorbehaltserklärungen hinterlegt haben.

Von zentraler Bedeutung sind die folgende zwei Grundsätze: Erstens das Konzept des „besten Interesses“ (Art. 3), demzufolge das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der bei allen Gesetzes-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen vorrangig zu berücksichtigen ist. Und zweitens das Prinzip der bestmöglichen Unterstützung und Entwicklung, das besagt, dass alle, die für die Entwicklung des Kindes Verantwortung tragen, das Kind in der Wahrnehmung seiner Rechte entsprechend seinem Entwicklungsstand unterstützen. Weitere wichtige Elemente sind:

  • die Festschreibung von Beteiligungsrechten von Kindern und die Verpflichtung, Kinder über ihre Rechte zu informieren;
     
  • das Recht von misshandelten oder ausgebeuteten Kindern auf Maßnahmen zu ihrer Rehabilitierung und die Verantwortung der Regierungen, traditionelle Praktiken abzuschaffen, die der Gesundheit von Kindern schaden;
     
  • die verbindliche Festschreibung von Prinzipien, die vorher in unverbindlichen Texten erwähnt waren, z. B. in Bezug auf Adoption und das Jugendgerichtssystem.

Die Verabschiedung der Kinderrechtskonvention hat bei den Vereinten Nationen selbst zu Reformen geführt. So wurden die Kinderrechte z. B. zum Verbindungselement zwischen dem Entwicklungsprogramm und der humanitären Hilfe. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat 1996 die Förderung und den Schutz der Kinderrechte als Leitlinie seiner gesamten Arbeit festgelegt. Seit 1997 nehmen Kinder an den vom Kinderrechteausschuss der UN regelmäßig durchgeführten Anhörungen teil.
Dem Vorbild auf internationaler Ebene folgend, haben sich seit 1995 rund 90 Organisationen – darunter die „Deutsche Liga für das Kind“– in einer „National Coalition“ zusammengeschlossen, mit dem Ziel , die Umsetzung der Konvention in Deutschland zu fördern. Zu den Aufgaben der „National Coalition“ gehören:

  • die nach Art. 44 der KRK erforderliche Berichterstattung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem UN-Ausschuss kritisch zu begleiten;
  • einen breiten fachlichen Dialog über die Verwirklichung der KRK zu organisieren;
     
  • Formen der direkten Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Diskussion um die Umsetzung der KRK zu unterstützen;
     
  • den internationalen Austausch über die Verwirklichung der KRK zu fördern und den Kontakt mit der „International Coalition“ nichtstaatlicher Organisationen in Genf zu pflegen.
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