Soziologische Grundbegriffe

Die Soziologie ist ein Zweig der Sozialwissenschaften, zu denen auch Politikwissenschaft, Ethnologie, Ökonomie, Sozialpsychologie und Sozialgeografie gehören. Der Begriff „Soziologie“ wurde von dem Franzosen AUGUSTE COMTE (1798–1857) eingeführt. Er ist zusammengesetzt aus

  • lateinisch „socius“: der Gefährte, und
  • altgriechisch „logos“: das Wort/ die Wissenschaft.

Soziologie ist demnach die Wissenschaft vom Zusammenleben der Menschen oder die Wissenschaft von der menschlichen Gesellschaft. Insofern handelt es sich bei ihr um eine Erfahrungswissenschaft, die methodisch vor allem darauf abzielt, gesellschaftliche Phänomene in ihren Strukturen und Gesetzmäßigkeiten zu erfassen und begrifflich zu ordnen.

In diesem Bemühen haben die Soziologen seit den Anfängen ihrer Wissenschaft im 19. Jh. nach und nach so genannte „soziologische Grundbegriffe“ erarbeitet, mit denen sich gewisse gesellschaftliche Phänomene systematisch beschreiben beziehungsweise problematisieren lassen. Diese Begriffe gehen entweder vom Menschen als Individuum in seinem Bezogensein auf die Gesellschaft oder von einem gesellschaftlich abgrenzbaren Kollektiv von Menschen aus. Aufgrund von unterschiedlichen Schulen und Richtungen innerhalb der Soziologie ist die Auffassung und Verwendung der soziologischen Grundbegriffe unter den Soziologen allerdings nicht immer einheitlich.

Neben AUGUSTE COMTE waren bedeutende Soziologen:

  • EMILE DURKHEIM (1858–1917),
  • KARL MARX (1818–1883),
  • MAX WEBER (1864–1920),
  • TALCOTT PARSONS (1902–1979),
  • MICHEL FOUCAULT (1926–1984).

Die größte Nachwirkung auf das Fach hatte bislang MAX WEBER.

Einflussreiche Soziologen der Gegenwart sind z. B.:

  • JÜRGEN HABERMAS (* 1929) und
  • ANTHONY GIDDENS (* 1938).

Rolle und Status

Die Begriffe Rolle und Status wurden von dem Amerikaner RALPH LINTON (1893–1953) in seinem Buch The Study of Man im Jahre 1936 in die Soziologie eingeführt. Mit Status bezeichnete er die Position, die eine Person je nach ihrem sozialen Prestige und Einfluss in der Rangordnung einer Gesellschaft einnimmt. In schriftlosen, noch wenig differenzierten Gesellschaften gibt es nur sehr wenige soziale Positionen, so etwa den „Häuptling“ oder das „unverheiratete Mädchen“, in modernen, hochdifferenzierten Gesellschaften entsprechend mehr.
Mit Rolle bezeichnete LINTON demgegenüber die Verhaltenserwartungen, die eine Gesellschaft an den Inhaber einer sozialen Position richtet und die dieser dann in seinem Verhalten übernimmt. Die soziale Rolle steht demnach in Abhängigkeit zum sozialen Status, d. h. sie ist dessen dynamische Funktion. Der Inhaber einer sozialen Rolle genießt bei deren Ausübung allerdings einen gewissen gestalterischen Spielraum. Je nachdem, wie er diesen auslegt, hat das Verhalten eines Rolleninhabers seinerseits Einfluss auf die Verhaltenserwartungen der Gesellschaft.

Moderne Gesellschaften weisen eine weniger eindeutige Zuordnung von Rollen und Status auf als traditionelle Gesellschaften. Jeder moderne Mensch nimmt parallel und in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedliche Rollen und Status ein. In einer Person vereinigen sich damit so genannte Rollen- und Statusbündel. Dabei können die mit den jeweiligen Rollen und Status verknüpften gesellschaftlichen Verhaltenserwartungen miteinander in Widerspruch geraten und Rollenkonflikte herbeiführen. Wie vielfältig und widersprüchlich die Rollen- und Statusbündel einer Person innerhalb einer Gesellschaft sein können, veranschaulicht folgendes Beispiel: eine Person kann zugleich

  • „Frau“,
  • „Mutter“,
  • „Dörflerin“,
  • „Protestantin“,
  • „Vereinsmitglied“ und
  • „Parteianhängerin“

sein. Die gesellschaftlichen Verhaltenserwartungen an eine „Frau“ können dabei deutlich von denen an eine „Mutter“ oder ein „Vereinsmitglied“ abweichen.

Die Ausübung einer gesellschaftlichen Rolle setzt eine Person grundsätzlich mit anderen Personen in Beziehung. Jede einzelne Rolle ist dabei auf einen jeweils besonderen Personenkreis bezogen. Eine Person ist also je nach Anzahl der von ihr in der Gesellschaft ausgeübten Rollen in mehrere Personenkreise eingebunden. Die Summe dieser Personenkreise wird als soziales Netzwerk einer Person bezeichnet. Unterschieden werden offene Netzwerke und geschlossene Netzwerke. Ein offenes Netzwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Personenkreise, mit denen eine Person in Beziehung tritt, je nach der gesellschaftlichen Rolle, die sie gerade ausübt, unterscheiden. Ein geschlossenes Netzwerk liegt dann vor, wenn die Personenkreise ungeachtet der unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen einer Person jeweils miteinander übereinstimmen. Das ist zum Beispiel bei Bewohnern von Slums der Fall.

Gruppe

Von einer Gruppe sprechen die Soziologen allgemein dann, wenn zwei oder mehr Personen regelmäßige und dauerhafte Beziehungen miteinander unterhalten, d. h. wenn zwischen ihnen eine so genannte „integrierte soziale Struktur“ besteht. Die Gruppe nimmt damit eine Mittelstellung zwischen Individuum und Gesellschaft ein. Umstritten ist in der Fachwelt allerdings, ob das Vorhandensein eines Bewusstseins der Zusammengehörigkeit unter den Gruppenmitgliedern, d. h. ein Gruppenbewusstsein, ebenfalls unverzichtbar ist für die Definition einer „Gruppe“. Diese Frage bejaht zum Beispiel der Soziologe ALFRED VIERKANDT (1867–1953) und definiert den Begriff „Gruppe“ in Abgrenzung von ähnlichen gesellschaftlichen Phänomenen wie etwa Familie, Sippe, Männerbünde, Stämme, Völker und Staaten folgendermaßen:

„Im folgenden ist darunter [d. h. unter einer „Gruppe“] diejenige Form der menschlichen Geselligkeit verstanden, in der die gesellige Natur des Menschen am reinsten ausgeprägt ist (und die demgemäß auch allen geschichtlichen Wandel überdauert). Von anderen Formen geselliger Dauervereinigung unterscheidet sie sich namentlich durch zwei Eigenschaften:

  • erstens ein Eigenleben des Ganzen, d. h. ein vom Wandel der Individuen relativ unabhängiges Leben gegenüber dem persönlichen Leben seiner Mitglieder (z. B. Eigenleben des Staates gegenüber den einzelnen Staatsbürgern), und
  • zweitens eine innere Einheit, d. h. eine Einheit, die als solche von den Mitgliedern erlebt wird oder erlebt werden kann im Sinne eines ‚Wirbewußtseins‘“ (Handwörterbuch der Soziologie, 1959, S. 239).

Gruppen können voneinander grundsätzlich durch die Anzahl ihrer Mitglieder, die Merkmale ihrer Innenstruktur und die Form ihrer Außenabgrenzung unterschieden werden. Verbreitet sind folgende Bezeichnungen – meist als Gegensatzpaare – für spezifische Gruppen:

nach der Anzahl der Mitglieder:

  • Dyade (Paar): wenn die Gruppe aus nur zwei Mitgliedern besteht;
  • Kollektiv: wenn die Gruppe aus drei und mehr Mitgliedern besteht.

nach der Innenstruktur:

  • Primärgruppe: wenn die Mitglieder untereinander in unmittelbarem Kontakt stehen (face-to-face), z. B. Familie, peergroup (Personen in gleicher sozialer Lage);
  • Sekundärgruppe: wenn die Mitglieder untereinander indirekt über Zwischenglieder in Kontakt stehen, z. B. Partei.

nach der Außenabgrenzung:

  • Bezugsgruppe: wenn die Mitglieder sich unabhängig vom Urteil anderer zugehörig fühlen;
  • Zugehörigkeitsgruppe: wenn die Zugehörigkeit unabhängig von der eigenen Wahrnehmung durch das Urteil anderer bestimmt ist.
  • freiwillige Gruppe: wenn der Ein- und Austritt freiwillig erfolgt, z. B. Freundschaft;
  • unfreiwillige Gruppe: wenn die Mitgliedschaft z. B. kraft Geburt begründet wird und nur geringe Austrittsmöglichkeiten gewährt, z. B. Familie, Staatsbürgerschaft.

Organisation

Die moderne Gesellschaft beruht auf Organisation. Das spiegelt sich unter anderem im Vorhandensein einer großen Zahl von komplexen, zweckgerichteten und rational aufgebauten „sozialen Gebilden“ wieder, die deshalb auch allgemein als Organisationen bezeichnet werden. Ihr prägendstes Merkmal ist die Ausrichtung auf einen bestimmten Zweck hin. Die Soziologin RENATE MAYNTZ (* 1929) charakterisiert „Organisationen“ entsprechend folgendermaßen:

„Gemeinsam ist allen Organisationen

  • erstens, daß es sich um soziale Gebilde handelt, um gegliederte Ganze mit einem angehbaren Mitgliederkreis und interner Rollendifferenzierung. Gemeinsam ist ihnen
  • zweitens, daß sie bewußt auf spezifische Zwecke und Ziele orientiert sind. Gemeinsam ist ihnen
  • drittens, daß sie im Hinblick auf die Verwirklichung dieser Zwecke oder Ziele zumindest der Intention nach rational gestaltet sind“ (Soziologie der Organisation, 1971, S. 36).

Organisationen sind in der differenzierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft damit sowohl ein Mittel zur längerfristigen Ordnung der Gesellschaft als auch ein Element der gesellschaftlichen Dynamik, z. B. in Form von Interessen- und Parteiorganisationen. Solche Organisationen sind z. B.

  • Betriebe,
  • Krankenhäuser,
  • Gefängnisse,
  • Schulen,
  • Universitäten,
  • Verwaltungsbehörden,
  • Militärverbände,
  • Kirchen,
  • Parteien und
  • Verbände.

Auch die wenigen Personen, die keiner solchen Organisation angehören, stehen doch mit solchen in Beziehung, z. B. als Empfänger von Sozialleistungen oder als Staatsbürger.

Konflikt

Wie die meisten soziologischen Grundbegriffe ist die Bezeichnung Konflikt auch in der Alterssprache weit verbreitet. In der Soziologie hat besonders RALF DAHRENDORF (1929–2009) auf Begriff und Theorie des Konflikts starken Einfluss genommen:

„Gesellschaft ist Konflikt um menschliche Lebenschancen. Freie Gesellschaft ist gestatteter, ausgetragener, geregelter Konflikt, der schon durch diese Merkmale das Grundniveau der Lebenschancen höher ansetzt, als alle Spielarten der Unfreiheit es können“ (Konflikt und Freiheit, 1972, S. 7).

Für DAHRENDORF wird gesellschaftlicher und politischer Wandel durch soziale Konflikte verursacht. Konflikte werden damit Bestandteil und „Motor“ gesellschaftlicher Entwicklung. Als eine von zwei Grundformen des Sozialen stellt DAHRENDORF den Konflikt dem Konsens entgegen. Konflikte bezeichnen eine Beziehung zwischen unverträglichen Auffassungen oder Ansprüchen (Interessen).

Unterschiedliche Konflikterscheinungen sind z. B.

  • Konflikte innerhalb von Personen (psychische Konflikte),
  • Konflikte innerhalb und zwischen Rollen (z. B. parlamentarische Abgeordnete zwischen den verschiedenen an sie gestellten Erwartungen der Wähler und der Regierung),
  • Konflikte innerhalb von Gruppen, Organisationen, Institutionen (z. B. innerparteiliche Konflikte),
  • gesellschaftliche Konflikte (z. B. Klassenkonflikte, kulturelle Konflikte, Verteilungskonflikte).

Soziale Konflikte entstehen dann, wenn mehrere Personen oder Gruppen gegensätzliche Auffassungen über die Verteilung von knappen Gütern und Dienstleistungen sowie die Geltung von Werten vertreten. Verbreitet sind deshalb Verteilungs- und Wertkonflikte. Moderne Gesellschaften spalten sich in der Regel in die Gruppen derjenigen, die von der gegebenen Verteilungsstruktur (status quo) relativ begünstigt werden, und derjenigen, die die Verteilung zu ihren Gunsten verändern wollen. Auch politische Macht und Herrschaft unterliegen dem Konflikt zwischen den beiden Gruppen der Herrschenden und der Beherrschten.

Soziales Handeln

Soziales Handeln wird von MAX WEBER (1864–1920) folgendermaßen bestimmt:

„Handeln soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (Wirtschaft und Gesellschaft, 1964, S. 3).

WEBERs Definition vollzieht eine schrittweise Einengung ihres Gegenstandes: Abgegrenzt vom Verhalten wird „soziales Handeln“ als Unterfall von „Handeln“ bestimmt und schließlich an „Sinn“ gebunden. WEBER geht es folglich um eine hermeneutische, d. h. verstehende, Aufschlüsselung des Begriffes „soziales Handeln“, weshalb man seine Methode auch verstehende Soziologie nennt.

Vom Verhalten grenzt sich Handeln dadurch ab, dass sein Sinn auf eine andere Person oder Gruppe bezogen ist. Handeln setzt sich aus drei Grundelementen zusammen:

  • der Person,
  • der Handlung selbst und
  • dem Handlungsobjekt.

Die „Person“ handelt aufgrund von Intentionen (zielgerichteten inneren Antrieben) und Motiven. Ihre „Handlung“ ist deshalb irgendwie auf ein „Handlungsobjekt“ bezogen. Sie folgt Zielen, Werten, Emotionen, d. h. den Handlungsorientierungen, auf deren Grundlage die Entscheidungen getroffen werden, die jedem Handeln vorausgehen.

WEBER merkt dazu an, dass das Vorhandensein solcher Handlungsorientierungen der handelnden Person allerdings keinesfalls bewusst sein muss:

„Das reale Handeln verläuft in der großen Masse seiner Fälle in dumpfer Halbbewußtheit oder Unbewußtheit seines gemeinten Sinns. Der Handelnde fühlt ihn mehr unbestimmt, als dass er ihn wüßte oder sich klar machte, handelt in der Mehrzahl der Fälle triebhaft oder gewohnheitsmäßig. Nur gelegentlich, und bei massenhaft gleichartigem Handeln oft nur von einzelnen, wird ein (sei es rationaler, sei es irrationaler) Sinn des Handelns in das Bewußtsein gehoben“ (Wirtschaft und Gesellschaft, 1964, S. 15).

Aus historischen Vergleichen entwickelte WEBER eine Typologie der vier grundlegenden Handlungsorientierungen:

  • zweckrationales Handeln: ist bestimmt durch die Benutzung von Gegenständen und die Einbeziehung anderer Menschen als Mittel für die eigenen Zwecke,
  • wertrationales Handeln: ist bestimmt durch den Glauben an den – z. B. ethischen oder ästhetischen – unbedingten Eigenwert eines Sachverhalts unabhängig vom Erfolg der Handlung,
  • affektives Handeln: ist bestimmt durch innere Erregung und Gefühlslagen,
  • traditionelles Handeln: ist bestimmt durch eingelebte Gewohnheit.

Der Gegensatz von zweck- und wertrationaler Handlung ist dem von Verantwortungs- und Gesinnungsethik verwandt.

Im Anschluss an jüngere Entwicklungen der Sprachtheorie hat JÜRGEN HABERMAS (* 1929) WEBERs Modell des sozialen Handelns im Hinblick auf den Aspekt der Kommunikation erweitert. Danach unterscheidet sich soziales Handeln in zwei Typen:

  • das zweck- und erfolgsorientierte Handeln (strategisches Handeln) und
  • das verständigungsorientierte Handeln (kommunikatives Handeln).

Beim kommunikativen Handeln erfolgt die Handlungsorientierung durch sprachliche Verständigung zwischen mehreren Personen. Die sprachliche Verständigung tritt z. B. als Konversation, als normenreguliertes Handeln oder als expressive Selbstdarstellung (dramaturgisches Handeln) auf.

Funktion

Als Funktion wird umgangssprachlich eine „soziale Position“ bezeichnet, z. B. eine berufliche Stellung mit den ihr zugewiesenen Aufgaben. Die Soziologie erfasst mit dem Begriff „Funktion“ dagegen die Auswirkungen und Folgen gesellschaftlicher Sachverhalte, d. h. die objektiven Konsequenzen von Handlungen, Organisationen und kulturellen Vorstellungen. „Funktional“ ist demnach die Beziehung zwischen zwei Sachverhalten, z. B. zwischen demokratischen Wahlen und Regierungsbildung oder zwischen Familien und Kindererziehung.

Der Bezugspunkt für die Bestimmung einer Funktion kann grundsätzlich beliebig bestimmt werden, z. B. eine Organisation oder Gruppe. Üblich ist allerdings, der Betrachtung die Gesellschaft insgesamt zugrunde zu legen. Dabei stehen zwei soziologische Grundfragen im Mittelpunkt:

  • Welche funktionalen Beiträge leisten bestimmte soziale Sachverhalte wie Rollen, Gruppen, Institutionen für die Existenz der Gesellschaft?
  • Welche funktionalen Voraussetzungen müssen durch die sozialen Sachverhalte gegeben sein, damit Gesellschaften existieren können?

Der amerikanische Soziologe TALCOTT PARSONS (1902–1979) bestimmt vier grundlegende funktionale Erfordernisse für eine jede Gesellschaft (Sozialsystem):

  • strukturerhaltende Werte: Für den Erhalt der inneren Struktur einer Gesellschaft ist es wichtig, dass die in ihr institutionalisierten Werte mit den je subjektiven Wertvorstellungen ihrer Mitglieder im Einklang stehen.
  • zielorientierte Motivation: Die Mitglieder einer Gesellschaft müssen die Motivation besitzen, die Ziele ihres Handelns auf das Funktionieren dieser Gesellschaft abzustimmen und dabei auf veränderte Bedingungen flexibel zu reagieren.
  • verfügbare Mittel: Eine Gesellschaft muss über die notwendigen Mittel verfügen, die ihre Existenz erfordern, z. B. Geldmittel und Wirtschaftsmärkte.
  • innere Anpassung: Eine Gesellschaft muss die ihr innewohnenden Subsysteme, z. B. Politik, Kultur und Ökonomie, durch Anpassung etwa in Form von Gesetzesnormen aufeinander abstimmen und zu einem funktionsfähigen Ganzen verbinden.

Soziales System

Eine Gesellschaft als soziales System zu betrachten, bedeutet zunächst nur, die Bestandteile, aus denen sie sich zusammensetzt, als miteinander verbunden anzusehen. So definiert PARSONS:

„Sozialsysteme entstehen aus Interaktionen zwischen Menschen“ (Zur Theorie sozialer Systeme, 1976, S. 124).

Jedes Mitglied einer Gesellschaft ist zugleich Subjekt und Objekt von Handlungsorientierungen. Die gegenseitige Abhängigkeit der Gesellschaftsmitglieder wird „Interdependenz“, die Verflechtung und wechselseitige Durchdringung ihrer Handlungen „Interpenetration“ genannt. Wenn bisher unverbundene Personen und soziale Sachverhalte in Zusammenhänge gebracht werden, entsteht ein soziales System.

Den Prozess der Entstehung eines sozialen Systems bezeichnet man als Vergesellschaftung, d. h. die allmähliche soziale Verbindung von Personen in gegenseitige Abhängigkeit. Die interdependenten Personen und Sachverhalte eines Systems sind seine Elemente, ihre geordneten Beziehungen untereinander bilden die Struktur. Die Systemstruktur ermöglicht Veränderungen der Elemente, jedoch nur innerhalb bestimmter Grenzen. Wenn alle Systemelemente interdependent sind, wirken Veränderungen einzelner Elemente direkt oder indirekt auf alle anderen Elemente ein und verändern so den Zustand des Systems. Veränderungen folgen einer Struktur, die das Gleichgewicht und den Bestand des Systems sichern will. Damit ist die Tendenz der sozialen Systeme gemeint, auf innere oder systemäußere Veränderungen mit Anpassungen möglichst nur am Rande (Systemperipherie) zu reagieren, um dadurch das Systemzentrum konstant halten zu können. Gelingt dies nicht, bleibt nur übrig, die Struktur zu verändern (Systemwandel bzw. Systemwechsel) oder das System aufzulösen.

Was als Abhängigkeit und damit als System zu gelten hat, ist nicht vorgegeben. So lassen sich verschiedene Bezugspunkte wählen und unterschiedliche Systeme betrachten:

  • Rollen einer Familie (System der Familienrollen),
  • kulturelle Werte (Wertsystem),
  • Personen mit sozialen Beziehungen (Gesellschaftssystem),
  • mehrere Gesellschaften (internationales System),
  • Elemente von Handlungen (Handlungssystem).

Gesellschaftssysteme bestehen nicht isoliert, sondern im Austausch mit einer Umwelt. Sie sind offene Systeme. Innerhalb einer Gesellschaft lassen sich im allgemeinen drei funktionale Subsysteme unterscheiden:

  • kulturelles System: Es besteht aus der Summe von Normen, Werten und expressiven Symbolen wie Worte und Zeichen, die insgesamt das soziale Handeln in einer Gesellschaft strukturieren. Die Elemente des Kultursystems müssen im wesentlichen widerspruchsfrei aufeinander bezogen sein.
  • ökonomisches System: Es besteht aus den Beziehungen, durch die sich Produktion, Verteilung und Konsum von Gütern und Dienstleistungen vollziehen.
  • politisches System: Es besteht aus den Beziehungen, die zur Formulierung und Durchsetzung kollektiver Entscheidungsprozesse führen. Sein typisches Interaktionsmedium ist „Macht“, die die Anwendung der gesamtgesellschaftlich bindenden politischen Entscheidungen sichert.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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