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Naturalistische Programmatiken

Naturalismus bedeutet nicht einfach Nachahmung der Natur. Das Zurückgreifen und der häufig wiederholte Hinweis auf die in der Natur verwurzelten Empfindungen als „Quellpunkt der Dichtung“ zeigt, dass die Natur für den Naturalismus nicht nur der pragmatische Gegenstand der Naturwissenschaften, sondern zugleich poetisches Zentralmotiv ist, in dem eine stimmungsreiche Natur erscheint (Stimmungslyrik).
Die Künstler selbst haben reflektiert, dass es nicht nur um Nachahmen der Wirklichkeit geht, sondern um produktive Gestaltung durch poetisches Bewusstsein, dem sie eine Initialkraft zuschrieben. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die kunstästhetischen Überlegungen. Je nach Akzentsetzung erscheinen die Positionen stärker der Tradition verpflichtet bzw. radikaler in der Bejahung von Neuem.

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Konventionelle Empfindungsästhetik versus Naturwissenschaftlicher Modernität

Charakteristisch für den deutschen Naturalismus ist die Gleichzeitigkeit von

  • szientistischer Wirklichkeitserfassung (Nachahmung durch naturwissenschaftliche Erkenntnis = Mimesis) und
  • stimmungslyrischem Sentiment (schöpferische Initialkraft des poetischen Bewusstseins = Produktivität).

Darin besteht seine Stärke und Eigenart, aber auch sein Problem.
Naturalismus bedeutet nicht einfach kausalmechanische Nachahmung der Natur. Das Zurückgreifen und der häufig wiederholte Hinweis auf die in der Natur verwurzelten Empfindungen als „Quellpunkt der Dichtung“ zeigt, dass die Natur für den Naturalismus nicht nur der pragmatische Gegenstand der Naturwissenschaften, sondern zugleich poetisches Zentralmotiv ist, in dem eine stimmungsreiche Natur erscheint (Stimmungslyrik).
Die Künstler selbst haben reflektiert, dass es nicht nur um kausalmechanisches Nachahmen der Wirklichkeit geht, sondern um produktive Gestaltung durch poetisches Bewusstsein, dem sie eine Initialkraft zuschrieben. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die kunstästhetischen Überlegungen. Je nach Akzentsetzung erscheinen die Positionen stärker der Tradition verpflichtet bzw. radikaler in der Bejahung von Neuem.

Naturalistische Programmatiken

WILHELM BÖLSCHE beschreibt in „Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie. Prolegomena einer realistischen Ästhetik“, dass der Dichter in seiner Weise ein Experimentator ist, wie der Chemiker, wobei der Autor Ausdruck des „poetischen Genius“ ist:

„Der Dichter ... ist in seiner Weise ein Experimentator, wie der Chemiker, der allerlei Stoffe mischt, in gewisse Temperaturgrade bringt und den Erfolg beobachtet. Natürlich: der Dichter hat Menschen vor sich, keine Chemikalien. Aber... auch diese Menschen fallen ins Gebiet der Naturwissenschaften. Ihre Leidenschaften, ihr Reagieren gegen äußere Umstände, das ganze Spiel ihrer Gedanken folgen gewissen Gesetzen, die der Forscher ergründet hat und die der Dichter bei dem freien Experimente so gut zu beachten hat, wie der Chemiker, wenn er etwas Vernünftiges und keinen wertlosen Mischmasch herstellen will, die Kräfte und Wirkungen vorher berechnen muß, ehe er ans Werk geht und Stoffe kombiniert.“
(WILHELM BÖLSCHE: Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie. Prolegomena einer realistischen Aesthetik, Leipzig: Carl Reissner, 1887, vgl. PDF "Wilhelm Bölsche - Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie")

Anmerkung: Hier wirkt der klassisch-romantische Genie-Begriff in der naturalistischen Doktrin weiter.

Dichtung ist für BÖLSCHE die Einheit von „Experiment“ und „Phantasiewerk“ als ein Versuch im poetischen Denken, Tradition und moderne Erkenntnisse miteinander zu verbinden. Dichtung verbindet sich mit dem Versuch, einen Entwurf der besseren Welt zu wagen.

  • BWS-DEU2-0514-03.pdf (156.17 KB)

KARL BLEIBTREU (1859 –1928) schreibt in „Revolution der Literatur“ (1886) „dass die naturalistische Wahrheit der trockenen und ausdruckslosen Photographie sich mit der künstlerischen Lebendigkeit idealer Komposition verbindet“.
CONRAD ALBERTI (1862 –1918) konstatierte im Zeichen der modernen Erfahrungswelt, eines neuen Realismus und einer praxisbezogenen Denkweise die Ablösung der klassisch-idealistischen Kunstphilosophie durch eine moderne, realistische Kunstphilosophie. In seiner Aufsatzsammlung „Natur und Kunst. Beiträge zur Untersuchung ihres gegenseitigen Verhältnisses“ (1890) äußerte er:

„Sie (die alte Ästhetik) ging von Begriffen aus statt von den Dingen, sie war deduktiv statt induktiv, statt praktisch, empirisch, historisch, vergleichend zu sein.“

Die Kunst habe eine empirische, historische Qualität. Sie sei damit nicht mehr klassisch-zeitlos, sondern historisch-modern.
In der Sekundärliteratur gelten die Schriften ALBERTIs als die klarsten und fundiertesten Darstellungen.

ARNO HOLZ („Es ist ein Gesetz, das jedes Ding ein Gesetz hat.“), der Formexperimentator und Anhänger eines naturwissenschaftlichen Denkens, war mit seiner „Wortkunsttheorie“ und seinem „Phantasus-Opus“ einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Theoretiker des deutschen Naturalismus. Für seine Sprachexperimente interessierten sich nicht nur „naturalistische“ Autoren, sondern auch Künstler des Expressionismus und der Konkreten Poesie des 20. Jahrhunderts. HOLZ versuchte eine echte Revolutionierung der Sprache zu erreichen, um neue Bewusstseinshorizonte zu erschließen und kommunizierbar zu machen.

„Lassen wir also alle sogenannte ‚Intuition‘ und ‚Inspiration‘ und wie dergleichen großbrockiges Zeug sich sonst noch betiteln mag ... beiseite ... und halten wir uns lieber ‚hausbacken‘ an die Tatsachen.“
(A. HOLZ: Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze. 1891, PDF "Arno Holz - Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze")

ARNO HOLZ ist unter den Lyrikern Ausnahme und Außenseiter. Im Allgemeinen offenbart die naturalistische Lyrik den Widerspruch zwischen Erneuerungsanspruch und der Praxis, konventionell, schablonenhaft, epigonal zu schreiben am deutlichsten und beschränkte sich vor allem auf stoffliche Neuerungen. In der Regel versuchten die Autoren romantische Natur- und Stimmungsmotive mit neuen, modernen Zeitsujets zu verbinden. In den Texten stehen romantische Naturverbundenheit und neue zivilisatorische Großstadterfahrungen nebeneinander, sodass Klischees und falscher, unangemessener Pathos nicht selten sind.

Programmatische Gegenströmungen

  1. „Die Welt sei nur ästhetisch zu retten.“
    – Neoklassik und Neoromantik (Verehrung der geistigen Werte der Vergangenheit
    – Symbolismus, Jugendstil (Drang zur Stilisierung und zum Symbol)
    – Impressionismus (Betonung der Gefühlsintensität)
  2. Die Welt sei nur durch politisches Engagement zu retten.
    – sozialistische Literatur (Naturalismus sei unparteiisch. Kunst müsse auch politisch Positionen beziehen.)

Zur selben Zeit gibt es traditionsbetonte Literatur, die in verschiedenen Lesergemeinden (ländliche, städtische, Mundartengruppen, konfessionell gebundene wie katholische und protestantische) verankert ist.

  • BWS-DEU2-0514-06.pdf (192.31 KB)
Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Naturalistische Programmatiken." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/index.php/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/naturalistische-programmatiken (Abgerufen: 14. June 2025, 23:32 UTC)

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Bunte Steine

Der Schriftsteller, Pädagoge und „begeisterte Landschaftsmaler“ (mehr als 160 Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder stammen aus seiner Hand) ADALBERT STIFTER (1805–1868) veröffentlichte seine Erzählungen „Bunte Steine“ 1853. Benannt sind diese sechs Geschichten nach Gesteinsvorkommen in seiner Heimat Oberösterreich. Außer der Erzählung „Katzensilber“ waren sie alle bereits in Zeitschriften abgedruckt worden. „Kalkstein“, z. B., erschien 1848 unter dem Titel „Der arme Wohltäter“, „Granit“ 1849 als „Die Pechbrenner“ und „Turmalin“ 1852 unter dem Titel „Der Pförtner im Herrenhause“.

STIFTER gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Autoren des 19. Jahrhunderts. Unumstritten ist er jedoch der bedeutendste Biedermeierautor Österreichs. In unnachahmlicher Detailtreue und Ausdrucksgabe schilderte er Menschen, Landschaft und Natur. Seine Figuren „sollen nur durch das wirken, was sie sind ...“, bemerkte der Autor in der Vorrede zu seiner Sammlung. Er bevorzugte den mittleren Helden:

„Großes oder Kleines zu bilden, hatte ich bei meinen Schriften überhaupt nie im Sinne ...“

THOMAS MANN sagte über den Verfasser der „Bunten Steine“:

„Stifter ist einer der merkwürdigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur“.

Der Erzählband war ursprünglich als Kinderbuch geplant. Die Erzählung „Bergkristall“ geht auf eine Begegnung des Autors mit zwei Kindern in Hallstatt zurück, die beim Erdbeerensammeln von einem Unwetter überrascht worden waren und unter einem Felsen Schutz gesucht hatten. Er komponierte daraus eine Weihnachtsgeschichte (1845: „Der heilige Abend“), der einen glücklichen Ausgang schenkte: Die Kinder werden zwar von den Gewalten der Natur geprüft, können aber gerettet werden .

 

Der historische Roman

Nach den großen politischen Ereignissen in Europa und den wirtschaftlichen sowie sozialen Veränderungen (wie z. B. der französischen Revolution von 1789) wuchs das allgemeine Interesse für Geschichte und damit auch die Akzeptanz der Geschichtswissenschaft. In jene Zeit fällt die Gründung von Historikergesellschaften und das Aufblühen der Geschichtswissenschaft.

Johannes Schlaf

* 21.06.1862 in Querfurt
† 02.02.1941 in Querfurt

JOHANNES SCHLAF war, gemeinsam mit seinem Freund ARNO HOLZ, der Verfasser des ersten deutschen naturalistischen Werkes. Mit ihm gemeinsam wurde er zum Wortführer des Naturalismus in Deutschland. Sie wählten sich für den ersten naturalistischen Text „Papa Hamlet“ das Pseudonym „Bjarne P. Holmsen“.

Zwar kehrte SCHLAF 1890 nach Magdeburg zurück, die Gemeinschaftsarbeit mit HOLZ bestand aber noch zwei Jahre weiter. Ihr Drama „Familie Selicke“ wurde 1890 in Magdeburg und Berlin uraufgeführt. Zusammen schrieben sie 1892 auch die Novelle „Neue Gleise“. SCHLAF und HOLZ trennten sich freundschaftlich. Erst 1898 kam es zu einem erbitterten Streit zwischen beiden wegen der Anteile an den gemeinsamen Arbeiten.

SCHLAF hatte öffentlich behauptet, er habe den größeren Anteil an der Arbeit gehabt. HOLZ musste darauf erwidern. Der Streit war irreparabel. HOLZ und SCHLAF wandten sich vom Naturalismus ab und gingen künstlerisch getrennte Wege.

Der Hessische Landbote

1834 schrieb der damals 21 Jahre alte GEORG BÜCHNER gemeinsam mit FRIEDRICH LUDWIG WEIDIG seine Flugschrift „Der Hessische Landbote“.

In ihr kritisierten die Verfasser die hessischen Staatsausgaben und prangerten sie als Raub am vom Volk erarbeiteten Vermögen an. Die Armen würden immer ärmer, die Reichen immer reicher. Das Geld sei der Blutzehnte, „von dem Leib des Volkes genommen“. Diese Wahrheit, das wusste BÜCHNER, war eine unbequeme Wahrheit, und sie war verboten. Trotzdem deckte er schonungslos auf, was im Namen und Gesetz des Fürsten geschah.

Der Autor glaubte viele Protestierer hinter sich, denn zwei Jahre vorher war das Hambacher Fest (Mai 1832) gewesen, auf dem sich die deutsche Opposition versammelt hatte. BÜCHNER kam zu der Erkenntnis, das deutsche Volk müsste „sich die Freiheit erringen“. Ein Traum, der auch 14 Jahre später, während der bürgerlich-demokratischen Revolution nur von kurzer Dauer war.

Der bekannteste Ausspruch der Flugschrift ist: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ („Paix aux chaumières! Guerre aux châteaux!“ riefen die französischen Soldaten während der Französischen Revolution, der Ausspruch wird dem französischen Schriftsteller NICOLAS CHAMFORT zugeschrieben).

Der Urtext von BÜCHNER ist verloren gegangen, erhalten blieben zwei Versionen des von WEIDIG bearbeiteten und abgeschwächten Textes. Trotzdem musste BÜCHNER 1835 wegen seiner politischen Flugschrift „Der Hessische Landbote“ seine Heimat verlassen.

Der realistische Roman

Der Roman setzt sich, als Genre umstritten, gegenüber dem hochgeschätzten Epos in diesem Jahrhundert durch und wird zur modernen Großform des Erzählens im beginnenden Zeitalter der Soziologie.

Schwerpunkte sozialkritischer Dichtung des poetischen Realismus waren die Darstellung:

  • des Stadtlebens,
  • des Industriealltags und
  • der Massenverelendung (vor allem in den Vierzigerjahren),
  • der Arbeit der bürgerlichen Schicht im Unterschied zum Leben der aristokratischen, adligen Schicht,
  • der scheiternden Liebes- und Eheverbindungen vor allem aus der Perspektive der Frau zwischen Partnern aus
  • unterschiedlichen sozialen Schichten.
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