Direkt zum Inhalt

Pfadnavigation

  1. Startseite
  2. Deutsch Abitur
  3. 4 Literaturgeschichte
  4. 4.8 Literatur des 19. Jahrhunderts
  5. 4.8.7 Naturalismus
  6. Naturalistische Programmatiken

Naturalistische Programmatiken

Naturalismus bedeutet nicht einfach Nachahmung der Natur. Das Zurückgreifen und der häufig wiederholte Hinweis auf die in der Natur verwurzelten Empfindungen als „Quellpunkt der Dichtung“ zeigt, dass die Natur für den Naturalismus nicht nur der pragmatische Gegenstand der Naturwissenschaften, sondern zugleich poetisches Zentralmotiv ist, in dem eine stimmungsreiche Natur erscheint (Stimmungslyrik).
Die Künstler selbst haben reflektiert, dass es nicht nur um Nachahmen der Wirklichkeit geht, sondern um produktive Gestaltung durch poetisches Bewusstsein, dem sie eine Initialkraft zuschrieben. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die kunstästhetischen Überlegungen. Je nach Akzentsetzung erscheinen die Positionen stärker der Tradition verpflichtet bzw. radikaler in der Bejahung von Neuem.

Schule wird easy mit KI-Tutor Kim und Duden Learnattack

  • Kim hat in Deutsch, Mathe, Englisch und 6 weiteren Schulfächern immer eine von Lehrkräften geprüfte Erklärung, Video oder Übung parat.
  • 24/7 auf Learnattack.de und WhatsApp mit Bildupload und Sprachnachrichten verfügbar. Ideal, um bei den Hausaufgaben und beim Lernen von Fremdsprachen zu unterstützen.
  • Viel günstiger als andere Nachhilfe und schützt deine Daten.
Jetzt 30 Tage risikofrei testen
Your browser does not support the video tag.

Konventionelle Empfindungsästhetik versus Naturwissenschaftlicher Modernität

Charakteristisch für den deutschen Naturalismus ist die Gleichzeitigkeit von

  • szientistischer Wirklichkeitserfassung (Nachahmung durch naturwissenschaftliche Erkenntnis = Mimesis) und
  • stimmungslyrischem Sentiment (schöpferische Initialkraft des poetischen Bewusstseins = Produktivität).

Darin besteht seine Stärke und Eigenart, aber auch sein Problem.
Naturalismus bedeutet nicht einfach kausalmechanische Nachahmung der Natur. Das Zurückgreifen und der häufig wiederholte Hinweis auf die in der Natur verwurzelten Empfindungen als „Quellpunkt der Dichtung“ zeigt, dass die Natur für den Naturalismus nicht nur der pragmatische Gegenstand der Naturwissenschaften, sondern zugleich poetisches Zentralmotiv ist, in dem eine stimmungsreiche Natur erscheint (Stimmungslyrik).
Die Künstler selbst haben reflektiert, dass es nicht nur um kausalmechanisches Nachahmen der Wirklichkeit geht, sondern um produktive Gestaltung durch poetisches Bewusstsein, dem sie eine Initialkraft zuschrieben. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die kunstästhetischen Überlegungen. Je nach Akzentsetzung erscheinen die Positionen stärker der Tradition verpflichtet bzw. radikaler in der Bejahung von Neuem.

Naturalistische Programmatiken

WILHELM BÖLSCHE beschreibt in „Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie. Prolegomena einer realistischen Ästhetik“, dass der Dichter in seiner Weise ein Experimentator ist, wie der Chemiker, wobei der Autor Ausdruck des „poetischen Genius“ ist:

„Der Dichter ... ist in seiner Weise ein Experimentator, wie der Chemiker, der allerlei Stoffe mischt, in gewisse Temperaturgrade bringt und den Erfolg beobachtet. Natürlich: der Dichter hat Menschen vor sich, keine Chemikalien. Aber... auch diese Menschen fallen ins Gebiet der Naturwissenschaften. Ihre Leidenschaften, ihr Reagieren gegen äußere Umstände, das ganze Spiel ihrer Gedanken folgen gewissen Gesetzen, die der Forscher ergründet hat und die der Dichter bei dem freien Experimente so gut zu beachten hat, wie der Chemiker, wenn er etwas Vernünftiges und keinen wertlosen Mischmasch herstellen will, die Kräfte und Wirkungen vorher berechnen muß, ehe er ans Werk geht und Stoffe kombiniert.“
(WILHELM BÖLSCHE: Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie. Prolegomena einer realistischen Aesthetik, Leipzig: Carl Reissner, 1887, vgl. PDF "Wilhelm Bölsche - Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie")

Anmerkung: Hier wirkt der klassisch-romantische Genie-Begriff in der naturalistischen Doktrin weiter.

Dichtung ist für BÖLSCHE die Einheit von „Experiment“ und „Phantasiewerk“ als ein Versuch im poetischen Denken, Tradition und moderne Erkenntnisse miteinander zu verbinden. Dichtung verbindet sich mit dem Versuch, einen Entwurf der besseren Welt zu wagen.

  • BWS-DEU2-0514-03.pdf (156.17 KB)

KARL BLEIBTREU (1859 –1928) schreibt in „Revolution der Literatur“ (1886) „dass die naturalistische Wahrheit der trockenen und ausdruckslosen Photographie sich mit der künstlerischen Lebendigkeit idealer Komposition verbindet“.
CONRAD ALBERTI (1862 –1918) konstatierte im Zeichen der modernen Erfahrungswelt, eines neuen Realismus und einer praxisbezogenen Denkweise die Ablösung der klassisch-idealistischen Kunstphilosophie durch eine moderne, realistische Kunstphilosophie. In seiner Aufsatzsammlung „Natur und Kunst. Beiträge zur Untersuchung ihres gegenseitigen Verhältnisses“ (1890) äußerte er:

„Sie (die alte Ästhetik) ging von Begriffen aus statt von den Dingen, sie war deduktiv statt induktiv, statt praktisch, empirisch, historisch, vergleichend zu sein.“

Die Kunst habe eine empirische, historische Qualität. Sie sei damit nicht mehr klassisch-zeitlos, sondern historisch-modern.
In der Sekundärliteratur gelten die Schriften ALBERTIs als die klarsten und fundiertesten Darstellungen.

ARNO HOLZ („Es ist ein Gesetz, das jedes Ding ein Gesetz hat.“), der Formexperimentator und Anhänger eines naturwissenschaftlichen Denkens, war mit seiner „Wortkunsttheorie“ und seinem „Phantasus-Opus“ einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Theoretiker des deutschen Naturalismus. Für seine Sprachexperimente interessierten sich nicht nur „naturalistische“ Autoren, sondern auch Künstler des Expressionismus und der Konkreten Poesie des 20. Jahrhunderts. HOLZ versuchte eine echte Revolutionierung der Sprache zu erreichen, um neue Bewusstseinshorizonte zu erschließen und kommunizierbar zu machen.

„Lassen wir also alle sogenannte ‚Intuition‘ und ‚Inspiration‘ und wie dergleichen großbrockiges Zeug sich sonst noch betiteln mag ... beiseite ... und halten wir uns lieber ‚hausbacken‘ an die Tatsachen.“
(A. HOLZ: Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze. 1891, PDF "Arno Holz - Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze")

ARNO HOLZ ist unter den Lyrikern Ausnahme und Außenseiter. Im Allgemeinen offenbart die naturalistische Lyrik den Widerspruch zwischen Erneuerungsanspruch und der Praxis, konventionell, schablonenhaft, epigonal zu schreiben am deutlichsten und beschränkte sich vor allem auf stoffliche Neuerungen. In der Regel versuchten die Autoren romantische Natur- und Stimmungsmotive mit neuen, modernen Zeitsujets zu verbinden. In den Texten stehen romantische Naturverbundenheit und neue zivilisatorische Großstadterfahrungen nebeneinander, sodass Klischees und falscher, unangemessener Pathos nicht selten sind.

Programmatische Gegenströmungen

  1. „Die Welt sei nur ästhetisch zu retten.“
    – Neoklassik und Neoromantik (Verehrung der geistigen Werte der Vergangenheit
    – Symbolismus, Jugendstil (Drang zur Stilisierung und zum Symbol)
    – Impressionismus (Betonung der Gefühlsintensität)
  2. Die Welt sei nur durch politisches Engagement zu retten.
    – sozialistische Literatur (Naturalismus sei unparteiisch. Kunst müsse auch politisch Positionen beziehen.)

Zur selben Zeit gibt es traditionsbetonte Literatur, die in verschiedenen Lesergemeinden (ländliche, städtische, Mundartengruppen, konfessionell gebundene wie katholische und protestantische) verankert ist.

  • BWS-DEU2-0514-06.pdf (192.31 KB)
Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Naturalistische Programmatiken." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/index.php/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/naturalistische-programmatiken (Abgerufen: 24. May 2025, 10:03 UTC)

Suche nach passenden Schlagwörtern

  • Naturalistische Programmatiken
  • Karl Bleibtreu
  • Conrad Alberti
  • Wilhelm Bölsche
Jetzt durchstarten

Lernblockade und Hausaufgabenstress?

Entspannt durch die Schule mit KI-Tutor Kim und Duden Learnattack.

  • Kim hat in Deutsch, Mathe, Englisch und 6 weiteren Schulfächern immer eine von Lehrkräften geprüfte Erklärung, Video oder Übung parat.
  • 24/7 auf Learnattack.de und WhatsApp mit Bildupload und Sprachnachrichten verfügbar. Ideal, um bei den Hausaufgaben und beim Lernen von Fremdsprachen zu unterstützen.
  • Viel günstiger als andere Nachhilfe und schützt deine Daten.

Verwandte Artikel

Theodor Fontane

* 30.12.1819 in Neuruppin
† 20.09.1898 in Berlin

THEODOR FONTANE zählt zu den bedeutendsten Erzählern des poetischen Realismus im 19. Jahrhundert. Er hat entscheidend auf die Entwicklung des deutschen Romans eingewirkt und hatte u.a. großen Einfluss auf THOMAS MANN.

Erst im Alter von ungefähr sechzig Jahren entschloss FONTANE sich, ausschließlich als Schriftsteller zu arbeiten. So entstanden die meisten seiner Werke in seinem letzten Lebensabschnitt, in den Jahren nach 1876. Es sind vor allem Romane, die die preußische Geschichte behandeln und sich mit Problemen von Liebe und Ehe und sozialen Fragen auseinandersetzen. So wurde FONTANE zum Chronisten der preußisch-deutschen Realität.

Seine Romane spiegeln die überkommenen und sich auflösenden, aber noch gültigen Formen der damaligen Gesellschaft wider. Der bekannteste und mehrfach verfilmte Roman von FONTANE ist seine „Effi Briest“ (1895).

Der Untertan

„Der Untertan“ ist eine sozialkritische Satire über das wilhelminische Deutschland. In seinem Mittelpunkt steht der Typ des vaterlandstreuen deutschen Untertanen, der sich den Mächtigen um seiner Karriere Willen anbiedert, seine nationale Gesinnung zur Schau trägt und skrupellos an seinem gesellschaftlichen Aufstieg arbeitet, während er die ihm Untergebenen rücksichtslos unterdrückt.

Begriff des Naturalismus

Als Naturalismus bezeichnet man eine Strömung in der Literatur und Kunst etwa ab den Siebzigerjahren bis Mitte der Neunzigerjahre des 19. Jahrhunderts, die an den späten (poetischen) Realismus anschloss und deren programmatische Grundüberzeugungen zu z. T. kontroversen künstlerischen Praxen führte.

Vererbung und Milieu sind zentrale Begriffe, mit denen der Zustand der Menschen und ihrer Realität erklärt wird. Milieuprägung und Vererbung waren die beiden Faktoren, die aus dem Menschen das machen, was er ist. Bildung, Konvention und Moral galten als „Masken“. ÉMILE ZOLA gilt als Biograph, Pionier und Repräsentant des europäischen Naturalismus.

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

* um 1621 in Gelnhausen (Hessen)
† 17.08.1676 in Renchen (Baden)

HANS JAKOB CHRISTOFFEL VON GRIMMELSHAUSEN war der bedeutendste deutsche Erzähler des 17. Jahrhunderts. In einer Zeit des galanten höfischen Romans erregte er durch seine volkstümliche, urwüchsige Sprache und seinen humoristischen Realismus Aufsehen und Interesse. Er schrieb fast alle seine Werke unter verschiedenen Pseudonymen, so auch den Schelmenroman „Simplicissimus“, der als erster deutscher Prosaroman von Weltrang seinen Ruhm begründete. Neben Romanen verfasste er Moralsatiren, Streitschriften sowie Kalender- und Anekdotenbücher.

Woyzeck

In BÜCHNERs fast naturalistischem Drama „Woyzeck“ (1836) wird der einfältige, aber gutmütige Soldat Woyzeck von seinem Vorgesetzten ausgenutzt und geschunden. Der Hauptmann philosophiert mit ihm über Moral und Tugend. Beides könnten sich die Armen nicht leisten, meint Woyzeck: „Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl!“ Um sich einige Groschen zu verdienen, dient er dem Arzt als Versuchsperson. Dieser will anhand einer Erbsendiät Obskures beweisen. Als ihm der Tambourmajor auch noch seine Geliebte fortnehmen will, wird Woyzeck zum Mörder.

Er tötet seine Freundin Marie im Affekt. Sprachlich nähert sich das Drama, das nur als Fragment vorliegt, dem Naturalismus an: Die Figuren sprechen größtenteils Darmstädter Dialekt.

„Woyzeck“ wurde 1979 mit KLAUS KINSKI in der Hauptrolle verfilmt. Der vorliegende Text lehnt sich in der Reihenfolge der Auftritte an diesen Film an.

Ein Angebot von

Footer

  • Impressum
  • Sicherheit & Datenschutz
  • AGB
© Duden Learnattack GmbH, 2025