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  6. Motette der Ars nova

Motette der Ars nova

Der Epochen- und Stilbegriff „Ars nova“ umfasst etwa die Zeit von 1320 bis 1380. Als Hauptgattung gilt hier die Motette und diese erfährt in jener Zeit eine starke stilistische und notationstechnische Entwicklung. Die Motetteninhalte befassen sich mit diversen politischen, sozialen und romantischen Themen. Die Neuheiten der Motette der Ars nova sind gekennzeichnet durch

  • die Kombination zweizeitiger (imperfekter) und dreizeitiger (perfekter) Notenwerte, außerdem durch
  • Hinzugewinnung kleinerer Notenwerte durch die Erweiterung der Zahl der Mensurarten sowie durch
  • die Möglichkeit des Mensurwechsels.

Entscheidend sind auch die Neuerungen des Aufschreibens von Musik, denn nun existiert ein Gewebe aus verschiedenen Tondauern mit weitreichender Auswirkung auf die Einzelstimmen, ihr Zusammenwirken im Satz und ihren harmonischen Zusammenklang. Die bedeutendsten Komponisten sind PHILIPPE DE VITRY (1291–1361) und GUILLAUME DE MACHAUT (um 1300–1377).

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Im 14. Jh. war Frankreich das Zentrum der Motettenkomposition. Die Motette ist eine der wichtigsten Gattungen mehrstimmiger Vokalmusik und verzeichnet ihre Anfänge im 13. Jh.

Der Ars-nova-Stil umfasste etwa die Zeit von 1320 bis 1380 und führte die Traditionen der spezifisch französischen Musik fort, wobei der vorherige Stil, die sogenannte Ars antiqua (alte Kunst), als Fundament und Ausgangspunkt genutzt wurde. Der Begriff „Ars nova“ bezieht sich auf die neue Kunst des Notierens von Musik und die damit verbundenen kompositorischen Möglichkeiten. Dieser Begriff ist allerdings auf die französische Musik begrenzt, da England und Italien eigenständige musikalische Traditionen führten.

Der Ars-nova-Stil setzte spätestens im zweiten Viertel des 14. Jh. den notationstechnischen Standard und konstituierte sich wesentlich innerhalb der Gattung der Motette, die ihr Zentrum an der Pariser Universität und am Pariser Königshof hatte. Ihr Themenspektrum war sehr breit:

  • Neueste theologisch-philosophische Anschauungsweisen wurden dargestellt und
  • politische Ereignisse kommentiert.
  • Es gibt lateinische Huldigungsmotetten für Angehörige des französischen Königshauses oder Würdenträger (Beispielsweise die Motette von PHILIPPE DE VITRY „Petre/Lugentium“, 1342, zur Papstwahl KLEMENS VI.).
  • Aber auch die Minnethematik, das heißt Texte über die Liebe, sowie volkssprachliche Kompositionen fanden Eingang in diese Gattung.

Aus diesem Grund unterscheidet man verschiedene Arten der Motette wie

  • die Heiligenmotette,
  • die Staatsmotette,
  • die Musikermotette oder
  • die Ite missa est-Vertonung, die lateinisch textiert ist („Ite missa est“ = Entlassungsruf in den Messriten der römisch-katholischen Kirche).

Nach 1350 komponierte Motetten sind zumeist politisch motiviert. Die Inhalte sind demnach weltlich und in der Beliebtheit der Motette zeigt sich der Aufbruch eines neuen weltlichen Musiziergefühls.

Eigenschaften der Motette im Ars nova Stil

Formal zeichnet sich die Motette der Ars nova durch eine reiche Vielfalt in ihrer Anlage aus. Exakt festgelegte kompositorische Anforderungen dieser anspruchsvollen Gattung drücken sich

  • im Tenorfundament – einer Unterstimme, die ein liturgisches Melodiefragment vorträgt (Tenor), steht ein ein- bis dreistimmiger, unterschiedlich textierter, Oberstimmenkomplex gegenüber –,
  • in Mehrtextigkeit,
  • Isorhythmie und
  • Mensuralnotation aus.

Als wesentliche Neuerung gilt die Gleichstellung der zwei- und dreizeitigen Untergliederung der Notenwerte:

  • dreizeitige Notenwerte nennt man perfekt,
  • zweizeitige Notenwerte nennt man imperfekt.

Dass die Unterteilung in dreizeitige Notenwerte perfekt genannt wird, hängt damit zusammen, dass die Zahl drei ein Symbol für die Dreieinigkeit Gottes und somit heilig ist.

Das Gleiche gilt für den Rhythmus der Ars nova. Da die Notenform die Darstellung der Rhythmen angibt (diese Notationsweise nennt man Mensuralnotation), verdeutlichen Mensurzeichen einen Rhythmuswechsel:

  • Tempus perfectum: ein Dreier-Rhythmus, der mit einem Kreis als Symbol der Vollkommenheit angegeben wird;
  • Tempus imperfectum: ein Zweier-Rhythmus, der mit einem Halbkreis angegeben wird.

Nun ist auch die Gleichstellung von zwei- und dreizeitiger Mensur möglich. Ein nur vorübergehender Mensurwechsel einer Stimme wird durch eine Rotkolorierung der jeweiligen Passagen verdeutlicht. Darüber hinaus werden durch die Erweiterung der Zahl der Mensurarten kleinere Notenwerte hinzugewonnen. Die Semibrevis kann in Minima und diese weiterhin in Semiminima geteilt werden.

Eine bedeutende Erweiterung ihrer Kompositionsart erfährt die Motette durch die von PHILIPPE DE VITRY (1291–1361) ausgebildete Isorhythmie, die bei GUILLAUME DE MACHAUT (um 1300–1377) ihren Höhepunkt erreicht. Von DE VITRY sind 13 Motetten überliefert, die sich durch Anwendung der Ars nova-Notation auszeichnen und die Herausbildung der Isorhythmie dokumentieren. 1322/1323 schreibt DE VITRY seinen als „Ars nova“ betitelten Traktat, der das neue Notationsverfahren systematisiert und diesem Stil seinen Namen gibt. Das Werk DE MACHAUTs bildet den Mittelpunkt der französischen Musik des 14. Jh. und gleichzeitig den Höhepunkt der mehrstimmigen Musik des französischen Mittelalters überhaupt. Sein Hauptschaffen konzentriert sich auf die 1340er-Jahre. Insgesamt schrieb er 23 Motetten.

Die isorhythmische Motette

Der isorhythmische Motettentypus wird im weiteren Verlauf der Entwicklung zum dominierenden Satzmodell. Man versteht darunter Tonsätze, in denen unabhängig von Melodie und Text ein rhythmisches Grundgerüst (talea) genau wiederholt wird. Hier setzt sich das Bestreben fort, musikalisch eigenständige, vom Text autonome Strukturen zur Grundlage der Gestaltung zu machen. So werden

  • melodisch gleiche Teile (color) und
  • rhythmisch gleiche Teile (talea)

unabhängig voneinander miteinander kombiniert, wobei sich die melodischen und die rhythmischen Phasen überschneiden. Beispielsweise können zwei Colores auf drei Talea aufgeteilt werden.

An Bedeutung gewinnt in diesem Fall die Anlage der Oberstimme in Phasen gleicher Länge, denn grundlegend war nur der Tenor von diesem Stilmerkmal betroffen. Dieser bestimmt Länge, Aufbau, Tonart und Inhalt der Motette und somit werden Text und musikalische Gestaltung der Oberstimmen im Blick auf den Tenor konzipiert. Mithilfe eines rhythmischen Schemas (talea) wird dabei ein- oder mehrmals eine vollständig durchgeführte Tenormelodie (color) wiederholt. Findet zum Ende der Komposition kein Ausgleich der Stimmen statt, so kann durch das Hinzufügen einer perfekten bzw. imperfekten Mensur die Tenormelodie in verkürzter (Diminution) bzw. verlängerter Form (Augmentation) wiederholt werden. Die meisten Ars nova-Motetten haben jedoch einen Diminutionsteil.

Ebenfalls von Bedeutung ist die Einführung einer mit dem Tenor isorhythmisch verknüpften zweiten Unterstimme (Contratenor). Nun bilden Vierstimmigkeit und eine vollständig isorhythmische Anlage zunehmend die Regel.

Die isorhythmische Motette stellt den Gipfel an rationaler Strukturiertheit dar und schafft den Ausgleich zu der ausdrucksstarken Melodik und der gesteigerten harmonischen Farbigkeit der Kompositionen. Bereits um die Jahrhundertmitte ist mit GUILLAUME DE MACHAUTs Motette „Amors/Fasus Semblant“ ein Beispiel einer vollständig isorhythmisch durchgestalteten Komposition belegbar.

Ferner wird die Motette durch das Kompositionsprinzip der Isoperiodik – der Einteilung in gleiche Perioden – verfeinert. Um auch die Oberstimmen in eine dem Tenor entsprechende Ordnung zu bringen, stimmte DE VITRY deren Periodenbau über den einzelnen Tenorabschnitten aufeinander ab. Das geschieht mittels Zäsuren (Pausen), die stets an der gleichen Stelle erscheinen, wobei kleine Abweichungen möglich sind. Dieses Prinzip nimmt keine Rücksicht auf das melodische Material, z.T. nicht einmal auf den Text. Ein Beispiel hierfür ist die Machaut-Motette „Trop plus-Biauté – Je ne suis“ (Triplum-Motetus-Tenor).

Mit der Motette der Ars nova steht die französische Musik in der Geschichte der artifiziellen Mehrstimmigkeit des Mittelalters jahrhundertelang im Mittelpunkt. Ab etwa der Jahrhundertmitte nimmt die Motettenproduktion am Pariser Königshof jedoch stark ab. Einerseits ist ein bedarfsdeckendes Repertoire vorhanden, andererseits verlagert sich das kompositorische Schwergewicht auf das mehrstimmige Lied und die Motette wird damit zur Gelegenheitskomposition.

Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH): "Motette der Ars nova." In: Lernhelfer (Duden Learnattack GmbH). URL: http://www.lernhelfer.de/index.php/schuelerlexikon/musik/artikel/motette-der-ars-nova (Abgerufen: 20. May 2025, 20:49 UTC)

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Requiem in der Musikgeschichte

Im textlich-liturgischen Kern besteht das Requiem aus neun sehr verschiedenartigen Teilen. Die ältesten mehrstimmigen Requiem-Sätze sind vom Ende des 15. Jh. überliefert; der erste vollständig erhaltene Zyklus stammt von JOHANNES OCKEGHEM (um 1410–1497). Eine der jüngsten Requiem-Kompositionen schrieb HANS WERNER HENZE (1926–2012). Er orientiert sich in der Satzfolge am traditionellen Requiem und verwandelt die Gattung in eine rein instrumentale, politisch dimensionierte Totenklage (1990/92).

Orlando di Lasso

* um 1532 Mons (Hennegau, Belgien)
† 14.06.1594 München

Der franko-flämische Komponist ORLANDO DI LASSO gilt neben GIOVANNI PIERLUIGI DA PALESTRINA als die bedeutendste Musikerpersönlichkeit der 2. Hälfte des 16. Jh. Als Kind war er Chorknabe in seiner Geburtsstadt Mons in Belgien. Persönliche Förderer ermöglichten ihm das Studium der italienischen Musik in Palermo, Mailand und Neapel. Bereits mit 21 Jahren wurde er Kapellmeister im Lateran in Rom. Wenig später erhielt er einen Ruf nach München, wo er bis zu seinem Tode blieb und Leiter der Hofkapelle war. Die enorme Vielseitigkeit seines kompositorischen Schaffens erweckte schon zu Lebzeiten Aufsehen. DI LASSO führte entscheidende Neuerungen auf dem Gebiet der kontrapunktischen Satztechnik ein. Noch bis zur Mitte des 18. Jh. galt seine Musik als klassisches Vorbild für die Kontrapunktik.

Guillaume de Machaut

* um 1300 in der Champagne (Reims [?] bzw. Machault)
†April 1377 Reims

GUILLAUME DE MACHAUT (auch MACHAULT), war einer der bedeutendsten Vertreter der Ars Nova. Er führte die notationstechnischen Experimente der früheren Klerikergeneration (PHILIPPE DE VITRY) in die französische Monarchie ein. Am französischen Königshof trug er entscheidend zur Entwicklung der isorhythmischen Motette bei. Seine mehrstimmigen Balladen, von denen 40 überliefert sind, prägten den weiteren Verlauf der späten mittelalterlichen Mehrstimmigkeit maßgeblich.

Kompositionstechnik der Notre-Dame-Schule

Die Notre-Dame-Epoche wurde nach der gleichnamigen Kathedrale in Paris benannt. Seit dem späten 12. Jh. wurde diese Kirche zum Mittelpunkt der Entwicklung der mehrstimmigen Musik. Die Hauptmeister von Notre-Dame waren die französischen Komponisten

  • Magister LEONINUS (ca. 1135–ca. 1201) und der jüngere
  • Magister PEROTINUS (ca. 1160–ca. 1236).

Die entscheidenden Neuerungen dieser Zeit liegen

  1. in der Einführung einer eindeutigen rhythmischen Notation und
  2. in der Erweiterung der Zweistimmigkeit bis hin zur Vierstimmigkeit.

Mit der Schule von Notre-Dame wurde zum ersten Mal eine Weltkirche und nicht eine Klosterschule zum musikalischen Zentrum. Die Musik gewann außerhalb von Paris an Bedeutung und wurde in der ganzen damaligen Welt bewundert. Ab ca. 1250 schließt sich der Notre-Dame-Zeit die Periode der „Ars antiqua“ an.

Ars nova

Die Epoche der Ars nova (neue Kunst) umfasste etwa die Zeit von 1320 bis 1370 und konstituierte sich im Umkreis des Pariser Königshofes. Erwähnt wurde dieser Begriff erstmals bei PHILIPPE DE VITRY (1291–1361), der in seinem Traktat „Ars nova“ (1322/1323) neu auftretende Phänomene der Notation bespricht. Dabei handelte es sich um die Gleichstellung von zwei- und dreizeitiger Mensur, die Hinzugewinnung kleinerer Notenwerte durch die Erweiterung der Zahl der Mensurarten und die Möglichkeit des Mensurwechsels. Diese Neuerungen bedeuteten eine Erweiterung der kompositorischen Möglichkeiten. Besonders deutlich wird das in der Gattung der Motette. Aber auch das mehrstimmige Lied und das liturgische Repertoire erfuhren grundlegende Veränderungen. Somit wandelte sich der Terminus „Ars nova“ zum Epochen- und Stilbegriff, der das gesamte Repertoire der französischen Musik des 14. Jh. einschloss. Hauptvertreter waren

  • PHILIPPE DE VITRY und
  • GUILLAUME DE MACHAUT (um 1300–1377).
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