EDWARD JENNER lebte in einer Zeit, in der Infektionskrankheiten noch verheerende Auswirkungen auf das Leben der Menschen hatten. So starben beispielsweise 1753 in Turin 31 000 und von 1794 bis 1796 in Nord- und Ostdeutschland etwa 200 000 Menschen an den Pocken.
Einige empirische Erfahrungen aus Gebieten, in denen Pocken häufig auftraten, lagen vor. Zum Beispiel wusste man, dass Menschen, die sich mit Absonderungen Pockenkranker infiziert und eine leichte Erkrankung durchgemacht hatten, immun gegen diese Krankheit waren.
Bereits im 12. Jahrhundert entnahm man z. B. in China von Pockenkranken Eiterkrusten, verrieb sie im Mörser und schnupfte dann den Staub. In Indien ritzte man das Krustenmaterial in die Haut ein. Die Frau des englischen Gesandten in der Türkei, Lady MARY WORTLEY MONTAGU, hatte diese Methode erfolgreich bei ihren eigenen Kindern angewendet und machte sie nach ihrer Rückkehr 1721 in England bekannt.
Allerdings war diese Methode nicht ganz ungefährlich, da man die Erreger nicht dosieren konnte und häufig auch echte Pocken mit schwerer Haut- und Hirnbeteiligung auslöste, an der auch Patienten starben.
In diese Zeit hinein wurde EDWARD JENNER am 17. Mai 1749 in der englischen Kleinstadt Berkeley als Sohn eines Pfarrers geboren. Nach erfolgreichem Schulbesuch absolvierte er von 1762 bis 1770 eine Ausbildung als Chirurg bei einem Wunderarzt. 1770 begann er bei dem damals berühmtesten englischen Mediziner JOHN HUNTER (1723–1793) sein Studium. HUNTER bemühte sich, der Medizin eine wissenschaftlich physiologische Grundlage zu geben. Dazu führte er eine Reihe von Experimenten durch. Sein bekanntestes Experiment war die Selbstinfektion mit dem Eiter eines Gonorrhoe-Kranken. HUNTER wollte feststellen, ob die Erkrankung die gleiche Ursache hatte, wie die Syphilis. JENNER wurde durch diesen Arzt in seinem wissenschaftlichen Streben nachhaltig beeinflusst und er lernte auch die Impfung (Inokulation) als Schutz gegen die Pocken kennen.
1775 übernimmt JENNER eine Landarztstelle in Berkeley. Er findet in zahlreichen Beobachtungen bestätigt, was eine Bäuerin ihm während seiner Chirurgenausbildung sagte: „Wer die Kuhpocken gehabt hat, der kann die Menschenpocken nicht bekommen.“ Nach zwanzigjähriger systematischer Beobachtungs- und Vergleichsarbeit der Zusammenhänge zwischen Kuh- und Menschenpocken kommt JENNER zu folgenden Schlussfolgerungen:
Am 21. Mai 1796 impfte JENNER einen achtjährigen Jungen mit der Kuhpockenlymphe. Diese entnahm er von einer Magd, die an Kuhpocken erkrankt war. Nach sechs Wochen infizierte er den Jungen mit den Erregern der tödlichen „Schwarzen Blattern“, so wurden die Pocken im Volksmund genannt, und das Kind erkrankte nicht. JENNERs Hypothesen hatten sich bestätigt. Der Mediziner hatte erstmals erfolgreich einen Schutz gegen Pocken angewandt.
Die Reaktionen auf seinen Erfolg waren sehr unterschiedlich. Sogar im eigenen Land stieß er auf Ablehnung, vor allem bei den Mitgliedern der Royal Society, die einem Landarzt eine solche Entdeckung nicht zutrauten. JENNER ließ sich deshalb von seiner Forschung nicht abbringen. Er impfte weiter und stellte dabei fest, dass die Kuhpockenlymphe nur in einem bestimmten Stadium ihrer Entwicklung Schutz bietet. Auch ohne öffentliche Anerkennung verbreitetet sich seine Impfmethode und die Todesfälle gingen zurück.
Jedoch erst 1874, 80 Jahre nach JENNERs Entdeckung, wurde in Deutschland, als erstes Land, die Pockenschutzimpfung gesetzlich eingeführt.
„Von der Liebe und den Pocken wird keiner verschont...“ mit diesem Spruch suchte man sich früher darüber hinwegzutrösten, dass es gegen die gefürchtete Virusinfektionskrankheit Pocken keinen (zuverlässigen) Schutz gab. Die Pocken (= Pustel, Tasche; früher auch „Blattern“ genannt = Blase) sind seit dem Altertum bekannt und haben immer wieder durch Epidemien für Angst und Unheil gesorgt. Ihren Höhepunkt erreichte die Seuche in Europa im 18. Jahrhundert, als ihr insgesamt etwa 60 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Die Seuche konnte in den folgenden Jahrzehnten immer weiter bekämpft werden.
Am 26. Oktober 1979 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dank weltweiter Impfkampagnen die Pocken für ausgerottet. Zwölf Jahre zuvor gab es jährlich noch 2,5 Millionen Erkrankungen.
Noch zu Lebzeiten erfuhr JENNER viele Ehrungen. Er wurde Präsident der Royal Jennerian Society, einer in London neu gegründeten Akademie. Mit den Geldern, die er für seine Entdeckung erhielt, finanzierte er seine weiteren Forschungsarbeiten. Am 26. Januar 1823 starb EDWARD JENNER in seiner Heimatstadt Berkeley.
In einem irrte JENNER bis zu seinem Lebensende. Er nahm an, dass eine einmalige Impfung gegen Pocken eine lebenslange Immunität hervorruft. Das ist jedoch nicht der Fall. Deshalb wurden Kinder dann zweimal geimpft, einmal im Kleinkindalter und einmal im Schulalter.
Stand: 2010
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