Gesundheitsreform

Versicherungsformen im deutschen Gesundheitswesen

Das deutsche Gesundheitswesen wird seit Bestehen der BRD in erster Linie von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Jeder, der dazu in der Lage ist, muss entsprechend seinem Einkommen Beiträge in diese Kassen einzahlen. Als Gegenleistung bezahlen die Kassen im Bedarfsfall die entstehenden Kosten für medizinische Behandlung, Medikamente etc. Neben den gesetzlichen Krankenkassen existieren private Krankenversicherungen, die entweder als Zusatzversicherung mit besonderen Leistungen (zunehmend mehr) oder (vorwiegend für Selbstständige und Beamte) als alleinige Krankenversicherung dienen. Im Gegensatz zu den Beiträgen für die gesetzlichen Krankenkassen besteht bei den privaten Versicherern eine Beitrags-Staffelung unter Einbeziehung des Lebensalters, des Geschlechts und der Krankheitsanfälligkeit des Versicherten. Beamte werden prozentuell in ihren Beitragszahlungen und medizinischen Kosten aus der Staatskasse unterstützt.

In den Achtzigerjahren geriet das System der gesetzlichen Krankenversicherung in eine Finanzierungskrise, die Beiträge und Zuzahlungen deckten nicht mehr die entstehenden Kosten. Dadurch entstand den Krankenkassen ein Defizit, das sie auf lange Sicht nicht tragen konnten. Daher sah sich der Staat verpflichtet, die Finanzierung des Gesundheitswesens neu zu regeln, um die medizinische Versorgung weiterhin sicherstellen zu können.

Umsetzung der Kostenminimierung

Eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ist politisch schwer durchzusetzen, weil sie an die Grenzen der staatlichen Solidarität stößt: 85 % der Bevölkerung sind von einer solchen Erhöhung betroffen, und nur ein Teil davon wird zum Nutznießer der Erhöhung. Daher griff man beispielsweise am 01.07.1997 zum Mittel der Zuzahlungserhöhung: Höhere Kosten entstehen somit nur denen, die tatsächlich Leistungen (Medikamente, Kuren, Behandlungen) in Anspruch nehmen. Diese 97er-Reform zielte auf eine wirtschaftliche Dynamisierung des Gesundheitswesens, z. B. wurde die freie Kassenwahl eingeführt, sodass die Krankenkassen unter verstärkten Konkurrenzdruck gebracht wurden und gezwungen waren, effizienter zu wirtschaften, um keine Kunden zu verlieren.
Ein geschickter Kunstgriff war auch die verpflichtende Kopplung von Erhöhungen des Beitragssatzes mit Erhöhungen der Zuzahlungen. Diese Kopplung setzte die Kassen weiter unter Druck, Kosten zu minimieren. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, und das Defizit schrumpfte zunächst zusammen.

1993, vier Jahre zuvor, hatte die Bundesregierung zur vorübergehenden Kostendämpfung übergangsweise zu einem Mittel gegriffen, das die neue rot-grüne Bundesregierung nun wiederum anwenden wollte, allerdings in wesentlich größerem Ausmaß: zur sogenannten Globalbudgetierung.
In diesem System wird die Menge des zur Verfügung stehenden Gelds von vornherein festgelegt, d. h. die zu erstattenden Kosten richten sich nicht nach dem Bedarf (den tatsächlich entstehenden Kosten), sondern nach dem wirtschaftlich verträglichen Maß. Aus der Sicht der Regierung und der Versicherer wäre dies – rein finanziell – der effizienteste Weg gewesen, das Defizit zu beseitigen. Durch vorherige genaue Planung könnten so die fehlenden Gelder ersetzt und die laufenden Kosten beglichen werden. Aus der Sicht der Ärzte und Patienten birgt dieses Modell jedoch erhebliche Risiken.

Kritik an der geplanten Reform

Durch dieses Globalbudget werden die Ärzte in eine Zwickmühle gebracht: Einerseits müssen sie ihrer Verpflichtung nachkommen, das Beste für ihren Patienten zu tun, andererseits dürfen sie, sobald das Budget erfüllt ist, von den Krankenkassen kein Geld mehr erwarten, sodass erfolgreiche Behandlungen gefährdet werden können. Erschwerend kommt hinzu, dass ein praktizierender Arzt erst mit einer halbjährlichen Verzögerung darüber informiert wird, welche Kosten er durch die Verschreibung von Medikamenten und Behandlungen verursacht hat. Dieser „Kunstgriff“ soll dazu dienen, die Ärzte zu extrem kosteneffizienter Behandlung zu zwingen. Doch nicht nur für die Ärzte hat dies Unsicherheit zur Folge: Auch die Patienten wissen nicht, ob der Arzt ihnen ein Medikament verordnet, weil es ihrer Krankheit angemessen ist oder weil der Arzt sich ein angemesseneres nicht mehr leisten kann. Positives zur geplanten Gesundheitsreform war in der Öffentlichkeit kaum zu hören, und Umfragen zeigten, dass die Mehrheit der Bevölkerung sie nicht guthieß.

Ende Dezember 1999 passierte die heiß diskutierte Gesundheitsreform der rot-grünen Regierungskoalition den Bundestag in einer reduzierten Version als „kleine Gesundheitsreform“. SPD und Grüne hatten die im Bundesrat zustimmungspflichtigen Komplexe aus der Reform ausgeklammert, da die Reform sonst im Bundesrat gescheitert wäre. Von dieser von Gesundheitsministerin FISCHER entworfenen Reform versprachen sich die Regierungsparteien eine Eindämmung der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Bereits 1993 und 1997 wurden unter der christlich-liberalen Regierung KOHL schwer wiegende Veränderungen in der Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens vorgenommen. Eine 1993 eingeführte Budgetierung der Kosten wurde 1997 wieder zurückgenommen und sollte dann 1999 als sogenanntes „Globalbudget“ wieder eingeführt werden. Doch außer der Regierung selbst widersetzten sich fast alle Beteiligten den Plänen, und so wurde das Globalbudget gar nicht und wurden andere Punkte nur zum Teil verwirklicht.

Realisierung der Reform

Mit einer Reihe von Gesetzen hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die Grundlage dafür geschaffen, die Zielsetzungen in die Praxis umzusetzen. Dieser Prozess verläuft zunächst in vier Schritten:

  • Ab 01.01.2003 trat die Gesundheitsreform in Kraft mit folgenden Veränderungen (Wiederaufnahme von Präventionsmaßnahmen in den Leistungskatalog der Krankenkassen, Stärkung von Patientenrechten – chronisch Kranke werden für eine bessere Mitarbeit in der Behandlung geschult, Einführung integrierter Versorgungsformen, Einführung umfassender Maßnahmen zur Qualitätssicherung, z. B. Überprüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus).
  • 01.01.2002 Einführung von Chronikerprogrammen (strukturierte Behandlungsprogramme verbessern die Behandlungsqualität mit einer langfristig auch wirtschaftlicheren Versorgung).
  • Ab 30.04.2002 existiert ein neues Preissystem für Krankenhäuser (statt Entgeld für die Dauer des Aufenthaltes, nun Bezahlung je nach Art der Krankheit-Pauschalbetrag für jede Diagnose).
  • 01.01.2003 erfolgte eine Sicherung der Beitragssätze der Krankenkassen mit einsparenden Maßnahmen.
  • Ab 01.01.2004 ist durch die Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung das neue Finanzierungssystem in Kraft getreten.

Am 1. Januar 2004 ist die Gesundheitsreform zu großen Teilen in Kraft getreten.

Aktuelle Situation

Ab dem Jahr 2000 wurden die geplanten Reformmaßnahmen Schritt für Schritt umgesetzt. Hintergrund ist eine gerechte Kostenverteilung unter veränderten Bedingungen. Da die Lebenserwartung der deutschen Einwohner in den letzten 40 Jahren um ca. 8 Jahre angestiegen ist, die Geburtenrate sich jedoch halbiert hat, reicht die momentane Zahl der Erwerbstätigen nicht aus, um alle Versorgungsbedürfnisse zu decken. Aus diesem Grund traten bis zum Jahr 2004 neue Regelungen in Kraft, die eine finanzielle Mehrbeteiligung der Patienten, die Leistungen in Anspruch nehmen, abverlangen.

Ein weiteres Ziel ist, die Gesundheit des Einzelnen durch vorbeugende Maßnahmen nicht unnötig in Gefahr zu bringen und so vermeidbare höhere Kosten, die bei einer langwierigen Behandlung anfallen würden, einzusparen. Aus diesem Grund haben die Krankenkassen ein Bonussystem eingeführt, welches das regelmäßige Aufsuchen vorbeugender Untersuchungen belohnt. Auf welche Weise die Vergütung erfolgt, bleibt der Krankenversicherung vorbehalten (Vergünstigungen bei Zuzahlungen oder Beitragszahlungen).

Die Reform beinhaltet gleichzeitig eine finanzielle Mehrbeteiligung von Patienten, indem pro Quartal eine Gebühr von 10,00 Euro beim Arztbesuch erhoben wird. Auch bei Krankenhausaufenthalten und anderen Heil- und Pflegeleistungen wird eine Gebühr erhoben. Die Zuzahlungen bei Vergabe von Arzneimitteln oder Hilfsmitteln betragen immer zwischen 5,00 und 10,00 Euro. Kinder und Jugendliche sowie sozial schwächere Bürger sind entweder vom Preissystem ausgenommen oder erhalten individuell angemessene Vergünstigungen. Die Beitragszahlungen an die Krankenkassen sollen im Gegenzug gesenkt werden. Natürlich sind dies nur Ausschnitte aus dem geplanten Programm, das beispielsweise noch beinhaltet, die Patienten durch Aufklärung und Einblick mehr an Entscheidungen über Behandlungsmethoden zu beteiligen und eine gesundheitsbewusste Lebenseinstellung zu fördern.
Da auf den ersten Blick diese Neuerungen doch am meisten den Patienten betreffen und vor allem ältere und kranke Menschen finanziell zur Kasse gebeten werden, gibt es auch für diese Reformvorschläge Kritiker. Einige Krankenkassen betreiben beispielsweise Überlegungen, die Praxisgebühr wieder abzuschaffen.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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