Rosalind Franklin

ROSALIND FRANKLIN wuchs in einer Zeit auf, als Frauen durchaus noch Ausnahmeerscheinungen unter den Naturwissenschaftlern waren. Entsprechend hatte sie mit Vorurteilen ihrer männlichen Kollegen zu kämpfen. Der Beginn ihrer wissenschaftlichen Arbeit fiel in die schwierige Zeit des Zweiten Weltkriegs, in der Mangel und Einschränkungen in den naturwissenschaftlichen Ausbildungsstätten und Laboratorien die Regel waren. Trotzdem gelang es ihr in ihrer kurzen Lebenszeit, einen bedeutenden Beitrag zum Fortschritt der Wissenschaften zu leisten.

Jugend und Ausbildung

ROSALIND ELSIE FRANKLIN wurde am 25.07.1920 in London in eine der wohlhabendsten jüdischen Familien Englands geboren. Sie war das zweite Kind von insgesamt fünf Geschwistern und die erste Tochter von ELLIS und MURIEL FRANKLIN, geb. WALAY. Ihr Vater war Lehrer. Wegen des Ersten Weltkriegs und seiner frühen Heirat konnte er nicht wie gewünscht Naturwissenschaften studieren, doch bildete er sich selbst fort und unterrichtete erfolgreich am Working Men‘s College. Das Physiklabor dieser Bildungseinrichtung für Arbeiter wurde später sogar nach ihm benannt. Trotz des relativen Wohlstands der Familie wurde ROSALIND nicht von einem Kindermädchen großgezogen, sondern verbrachte die meiste Zeit mit ihren Eltern und Geschwistern. Das Familienleben war ausgesprochen glücklich. Doch bis zur Geburt ihrer acht Jahre jüngeren Schwester musste sich ROSALIND als einziges Mädchen gegen ihre drei Brüder durchsetzen. In der Erziehung allerdings machten die FRANKLINs keinen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen. ROSALIND entwickelte sich so zu einem Mädchen von großer Intelligenz und Energie. Allerdings galt sie auch als dickköpfig, was ihr dann später in der Grundschule Probleme bereitete und dazu führte, dass sie eine Zeit lang in ein Internat geschickt wurde.

Auch wenn die Familientradition sehr liberal war, hatte eine Frau nach Ansicht des Vaters einen sozialen Beruf zu ergreifen, um sich später besser der eigenen Familie widmen zu können. Ein weiterer Grund für diese Einstellung war seine Angst vor ungenügender beruflicher Achtung vor der Arbeit seiner Tochter beim Einschlagen für Frauen so unüblicher Wege. Obwohl keine finanzielle Notwendigkeit für die Ausübung eines Berufs bestand, widersetzte sich ROSALIND seinem Wunsch. Schon mit fünfzehn Jahren fasste sie den festen Entschluss, Naturwissenschaftlerin zu werden. 1938 ging sie an die Universität von Cambridge, wo es für Frauen kein Problem war, zu studieren. Allerdings war es bis dahin nicht möglich, einen den Männern ebenbürtigen Abschluss zu erlangen. Dies wurde erst 1947 eingeführt. ROSALIND studierte Physik und Chemie und arbeitete viel im Cavendish-Laboratorium, dem Ort, an dem später die Doppelhelix-Struktur der DNA aufgeklärt wurde. Sie beendete ihr Studium mit einem guten Abschluss in Physik und Chemie. Allerdings ärgerte sie sich sehr, dass sie keine Eins im Examen erhalten hatte und sich aus konservativen Gründen mit einer Zwei begnügen musste.

Promotion und erste wissenschaftliche Arbeiten

Dennoch reichte diese Note für ein Stipendium in Newnham, wo sie unter Anleitung von R. G. W. NORRISH bis 1942 arbeitete. Sie hatte allerdings Probleme mit ihrem Vorgesetzten, da dieser nach ihrer Ansicht die Gleichberechtigung der Frauen nicht voll anerkannte. Sie lernte aber dort auch die Wissenschaftlerin ADRIENNE WEILL kennen, eine Französin, mit der sie sich eng befreundete. Unter dem Einfluss von ADRIENNE gab sie 1942 ihr Stipendium in Newnham auf, um bei der CURA (Cole Utilization Research Association) als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig zu werden. Sie arbeitete dort fünf Jahre und hatte bei der Strukturaufklärung der Kohle erhebliche Erfolge. So führte sie eine Maßeinheit ein, die bis heute in der Kohle-Strukturforschung verwendet wird. 1945 konnte sie mit Erfolg ihre Doktorarbeit abschließen.
1946 lernte sie auf einer Tagung in London den französischen Wissenschaftler MARCEL MATHIEU kennen, der ein Freund ADRIENNEs war. Er verschaffte ihr eine Anstellung am Laboratoire Central de Service Chimique de l‘État in Paris. Im Februar 1947 trat sie die Stelle an und arbeitete dort eng mit JACQUES MÈRING zusammen. Von ihm lernte sie die Technik der Röntgenkristallografie, die später bei der Entdeckung der DNA-Struktur von großer Bedeutung war. Moleküle, die eine kristalline Struktur annehmen können, weisen in dieser Konfiguration eine typische Brechung der Röntgenstrahlen auf, aus der man auf die Anordnung der einzelnen Atome im Molekül schließen kann.

Das King's College und die DNA-Forschung

Als JOHN T. RANDALL, Leiter des King's College in London, ROSALIND FRANKLIN ein Turner-Newton-Forschungsstipendium anbot, stand für sie der Entschluss fest, Paris zu verlassen. Anfang 1951 nahm sie ihre Arbeit in London auf. Sie sollte dort mit einer Gruppe von Biologen und Kristallografen zusammen an der Aufklärung der DNA-Struktur arbeiten. Zwischen ROSALIND FRANKLIN und ihren Kollegen und Mitarbeitern gab es von Anfang an Missstimmung, was vor allem daher rührte, dass sie eine andere Auffassung von ihrem Status hatte als ihr unmittelbarer Kollege MAURICE H. F. WILKINS (1916–2004), der sich als ihr Vorgesetzter betrachtete.
WILKINS sah es als FRANKLINs Aufgabe an, ihre Kenntnisse der Röntgenkristallografie seinen Forschungen als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, während sie selbstständig an der Strukturaufklärung der DNA arbeiten wollte.
Dass ROSALIND FRANKLIN ganz wesentlichen Anteil an der Aufklärung der DNA-Struktur hatte, geht z. B. aus ihren Tagebuchnotizen hervor. Ende Februar 1953 schrieb sie in ihr Tagebuch, dass die Struktur der DNA aus zwei Ketten bestehen müsse. Sie hatte bereits ausgearbeitet, dass das Molekül seine Phosphatgruppen an der Außenseite trägt, und dass es zwei verschiedene Formen von DNA (A- und B-Form) gibt. Zwei Wochen später stellten JAMES WATSON und FRANCIS CRICK am Cavendish Laboratory in Cambridge ihr gefeiertes DNA-Modell, die Doppelhelix, vor. Sie konnten das nicht nur aufgrund genialer Intuition, sondern auch, weil sie die noch nicht veröffentlichten experimentellen Daten von ROSALIND FRANKLIN übernehmen konnten. Diese Daten waren CRICK und WATSON jedoch nicht von der Forscherin selber, sondern durch Dritte (WILKINS und PERUTZ) ausgehändigt worden. Sie wusste nichts darüber und wurde deshalb von der Publikation überrascht.

Zur späten Würdigung von ROSALIND FRANKLIN

In dem 1966 von WATSON veröffentlichten und sehr locker geschriebenen Buch „The Double Helix“, in dem er die Geschichte der Strukturaufklärung des Lebensmoleküls beschreibt, zeichnete er eine sehr negative Karrikatur von der von ihm als „Rosy“ bezeichneten ROSALIND FRANKLIN (Sie selber hasste diesen Kurznamen.). In der 1975 veröffentlichten Biografie von ANNE SAYRE, einer Freundin ROSALINDs, konnte dieses negative Bild der Wissenschaftlerin korrigiert werden. Doch schießt SAYRE in mancher Beziehung über das Ziel hinaus. So zeichnete sie sicherlich ein zu negatives Bild von den Möglichkeiten, die naturwissenschaftliche Forscherinnen in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts am King's College in London hatten. Auch werden die Probleme, die ROSALIND FRANKLIN mit ihren Kollegen hatte, zu sehr auf die Geschlechterebene geschoben. Auch andere Ursachen, wie etwa die Tatsache, dass ROSALIND FRANKLIN aus einer traditionellen jüdischen Familie mit starkem politischen und sozialen Engagement stammte, dürfte an dem aus anglikanischer Tradition hervorgegangenen King's College eine gewisse Rolle gespielt haben. So beklagt sich FRANKLIN in einem Brief an SAYRE: „AmKing's gibt es weder Juden noch Ausländer“. (nach MADDOX 2003). Zweifellos war ROSALIND FRANKLIN keine einfache Kollegin. Sie war ehrgeizig und selbstbewusst und wenig kompromissbereit, wenn es um ihre Überzeugungen ging. Und sie war nicht zimperlich in ihrer Argumentationsweise, um ihrer Meinung nach falsche Theorien zu widerlegen.

Unzweifelhaft war FRANKLIN Anfang 1953 mit ihrer Arbeit am King's College und mit ihren Arbeitsbedingungen dort nicht zufrieden. Sie wollte so schnell wie möglich weg. Und dies war ihr wichtiger als die Beendigung ihrer Arbeit an den Nucleinsäuren. Dabei war ROSALIND FRANKLIN mit der Erforschung der DNA vermutlich sehr weit fortgeschritten, wie ihr späterer Kollege Sir AARON KLUG am Birkbeck College London in zwei Aufsätzen in Nature berichtete. Es hätte nicht mehr lange gedauert und sie hätte selbst die Struktur der DNA aufgeklärt. Vermutlich haben WATSON und CRICK ROSALIND FRANKLIN nie erzählt, was sie später allmählich in der Öffentlichkeit bekannt gaben, lange nachdem FRANKLIN gestorben war: Sie hätten die Struktur der DNA ohne die Informationen, die sie über Dritte von der Arbeit ROSALIND FRANKLINs erhielten, nie herausgefunden. Bei der Vergabe der Nobelpreise für diese bedeutende Entdeckung vier Jahre nach ihrem Tod, konnte ihr Beitrag an der Entschlüsselung der DNA nicht mehr gewürdigt werden, da diese Ehrungen nur an lebende Personen vergeben werden.

Arbeit am Tabakmosaikvirus und Tod

ROSALIND FRANKLIN war froh, 1953 vom King's College ans Birkbeck College wechseln zu können. Dort leitete sie in einer guten Arbeitsatmosphäre eine Arbeitsgruppe, die die Struktur des Tabakmosaikvirus (TMV) erforschte.
Während dieser Zeit war ihr Verhältnis zu WATSON und CRICK nicht schlecht, obwohl sie eine angebotene Zusammenarbeit zu einem früheren Zeitpunkt strikt abgelehnt hatte. Von 1954 bis zu ihrem Tod 1958 stand sie mit beiden in Briefaustausch. Sie hatten über den wissenschaftlichen Austausch hinaus freundschaftliche Kontakte. 1954 bot WATSON FRANKLIN eine Mitreisemöglichkeit quer durch die Vereinigten Staaten zum California Institute of Technology an. Im Frühjahr 1956 reiste sie mit CRICK und seiner Frau ODILE durch Spanien und blieb anschließend einige Zeit bei ihnen in Cambridge.

In den wenigen Jahren in Birkbeck publizierte FRANKLIN 17 Aufsätze vor allem über die Struktur des Tabakmosaikvirus. Sie war stolz auf ihren Weltruf in der Kohle-Strukturaufklärung und in der Virusmorphologie. Nie hätte sie sich vorgestellt, dass ihr Name später vor allem mit der Entdeckung der DNA-Struktur in Verbindung gebracht wird.

ROSALIND FRANKLIN erkrankte 1956 an Eierstockkrebs. Wahrscheinlich trugen auch ungenügende Sicherheitsmaßnahmen während ihrer Arbeit mit Röntgenstrahlen zu dieser Erkrankung bei. Gegenüber Dritten machte sie von ihrem schweren Leiden kein großes Aufhebens. Trotz immer schlechteren Gesundheitszustands forschte sie fast bis zu ihrem Tode am 16. April 1958 mit großer Intensität weiter.

„Science and every day life can not and should not be separated. Science for me gives a partial explanation of life. And so far as it goes it is based on fact, experience and experiment.“ (ROSALIND FRANKLIN in einem Brief an ihren Vater vom Sommer 1940, zit. nach MADDOX 2003).

(Übersetzung: Wissenschaft und tägliches Leben können und sollten nicht getrennt gesehen werden. Wissenschaft bedeutet für mich eine teilweise Erklärung des Lebens. So weit wie diese Erklärung geht, stützt sie sich auf Tatsachen, Erfahrungen und Experimente.)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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