Wilhelm Conrad Röntgen

WILHELM CONRAD RÖNTGEN lebte in einer Zeit, in der die klassische Physik weitgehend vollendet war und um 1900 die Etappe der modernen Physik begann. HEINRICH HERTZ (1857–1894) hatte die elektromagnetischen Wellen entdeckt. Viele Forscher experimentierten mit Katodenstrahlen. Fotografie, Rundfunk und Fernsehen begannen sich ebenso zu entwickeln wie der Automobilbau und der Bau von Flugzeugen und Zeppelinen.

Schule und Ausbildung

WILHELM CONRAD RÖNTGEN wurde am 27.03.1845 in Lennep bei Düsseldorf als Sohn eines Kaufmannes und Tuchfabrikanten geboren. Seine Mutter stammte aus Amsterdam. 1848 übersiedelte die Familie aus unbekannten Gründen nach Holland, wo WILHELM in Apeldoorn und dann in Utrecht die Schule besuchte. Weil er sich weigerte, einen Mitschüler anzuschwärzen, wurde er von der Schule verwiesen, hatte also keine Hochschulreife.

Deshalb ging er im Herbst 1865 nach Zürich und begann am Eidgenössischen Polytechnikum Maschinenbau zu studieren. Dort war ein Studium nach einer Aufnahmeprüfung auch ohne Abitur möglich. Von einer Aufnahmeprüfung wurde er aber aufgrund seiner guten Fachzensuren an der Utrechter Schule befreit. Nach drei Jahren schloss er das Studium mit dem Diplom ab. Während dieser drei Jahre hatte er sich nicht nur mit Technik, Mathematik und Physik beschäftigt, sondern auch mit Geschichte, Kunst und Literatur. Während seines ganzen Lebens war er sehr vielseitig interessiert. In Zürich lernte er BERTHA LUDWIG kennen, die er 1872 heiratete. Sie führten fast 50 Jahre eine glückliche Ehe, die aber kinderlos blieb.

Bereits 1869 legte RÖNTGEN der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich eine physikalische Arbeit mit dem Titel „Studien über Gase“ vor, mit der er zum Dr. phil. promovierte. Über diese Zeit schrieb RÖNTGEN später:
„Ich hatte zwar zwei Diplome - eines als Ingenieur und das zweite als Dr. phil. - in den Händen, konnte mich aber gar nicht entschließen, in die Technik zu gehen, was der ursprünglich beabsichtigte Plan war ... Mit 24 Jahren und so halb und halb schon verlobt, fing ich dann an, Physik zu studieren und zu treiben. Ihr blieb ich treu...“.
Mehr als 50 Jahre widmete RÖNTGEN der Physik seine ganze Arbeitskraft.

Tätigkeit als Physiker

Zunächst war RÖNTGEN Assistent des Physikers AUGUST KUNDT (1839–1894), mit dem er nach Würzburg und dann nach Straßburg ging. Dort habilitierte er sich 1874 und wurde Privatdozent. Gemeinsam mit KUNDT veröffentlichte er eine Reihe von Arbeiten über Elastizität, Wärmeleitung in Kristallen und spezifische Wärme von Gasen.

Das hohe Niveau dieser Arbeiten waren 1875 der Anlass für eine Berufung als Professor für Mathematik und Physik an die Landwirtschaftliche Hochschule in Hohenheim. Ein Jahr später kehrte er als Professor für mathematische Physik nach Straßburg zurück. 1879 wurde RÖNTGEN als Professor für Experimentalphysik an die Universität Gießen berufen.

Seine Art, in der Forschung stets Theorie und Experiment miteinander zu verbinden, führten ihn zu einer Reihe von Erfolgen. Nachdem er 1886 einen Ruf nach Jena und 1888 nach Utrecht abgelehnt hatte, wurde er 1888 Ordinarius für Physik an der Universität Würzburg. Sein hohes Ansehen wurde 1894 durch die Wahl zum Rektor der Würzburger Universität anerkannt.

Ab 1894 beschäftigte sich RÖNTGEN nach Arbeiten in unterschiedlichen Gebieten mit Leitungsvorgängen in Gasen und mit Katodenstrahlen. 1895 entdeckte er eine neue Art von Strahlung - die nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Er wurde dadurch in kurzer Zeit weltberühmt.

RÖNTGEN wurde 1900 als Direktor des Physikalischen Institutes nach München berufen. 1901 erhielt er für seine Entdeckung den ersten Nobelpreis für Physik. In seinem Urlaubgesuch an das Königlich Bayrische Staatsministerium für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom 6. Dezember 1901 (Bild 2) heißt es im Stile der Zeit:

„Nach einer vertraulichen Mitteilung von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften hat der ehrerbietigst, gehorsamst Unterzeichnete den ersten Nobel-Preis für das Jahr 1901 erhalten. Die Königlich Schwedische Akademie legt besonderen Wert darauf, daß die Preisgekrönten am Verteilungstag (10. Dezember laufenden Jahres) die Preise persönlich in Stockholm in Empfang nehmen. Da diese Preise einen ausnahmsweise hohen Wert haben und besonders ehrenvoll sind, so glaubt der ehrerbietigst, gehorsamst Unterzeichnete dem Wunsch der Königlich Schwedischen Akademie, wenn auch nicht leichten Herzens, nachkommen zu müssen, und bittet er deshalb, ihm für die Dauer der nächsten Woche Urlaub gewähren zu wollen.“

Während seiner Zeit in München trat RÖNTGEN wissenschaftlich nicht mehr hervor. Er war als Hochschullehrer tätig und beschäftigte sich auch weiter wissenschaftlich, z.B. mit der Untersuchungen von Kristallen. An physikalischen Kolloquia und wissenschaftlichen Tagungen nahm er aber kaum noch teil.
Er starb vereinsamt am 10.02.1923 in München. Seine Asche wurde in Gießen beigesetzt.

Wissenschaftliche Leistungen

RÖNTGEN war ein hervorragender Experimentator. Hervorzuheben ist eine Entdeckung aus seiner Gießener Zeit: RÖNTGEN wies nach, dass eine zwischen geladenen Kondensatorplatten bewegte elektrische Ladung ein Magnetfeld hervorruft. Das ist als Bestätigung der maxwellschen Theorie bedeutsam und hätte allein ausgereicht, ihm einen würdigen Platz unter den Physikern seiner Zeit zu sichern.

Im November 1895 war er mit der Untersuchung von Katodenstrahlen beschäftigt. Als Experimentiergeräte nutzte er einen Funkeninduktor mit Unterbrecher, eine Vakuumröhre und einen Leuchtschirm, also Geräte, die es um diese Zeit in jedem Hochschullaboratorium gab.

Am Abend des 8. November 1895 hatte er die Vakuumröhre mit schwarzem Papier umkleidet. Als er im verdunkelten Raum den Funkeninduktor einschaltete, bemerkte er ein Aufleuchten kleiner Kristalle, die in der Nähe lagen. Auch ein Leuchtschirm erstrahlte in grünem Licht. Als der Physiker die Hand zwischen Vakuumröhre und Bildschirm hielt, erblickte er das Knochengerüst seiner Hand. RÖNTGEN vermutete eine neue Art von Strahlung. Er erzählte keinem von seiner Entdeckung. Vielmehr arbeitete er die nächsten sieben Wochen einsam in seinem Labor an der Untersuchung der neuen Strahlen und ihrer Eigenschaften. Wichtige Ergebnisse hielt er auf Fotoplatten fest, wobei aufgrund der geringen Empfindlichkeit Belichtungszeiten zwischen 3 und 10 Minuten erforderlich waren. Eine der ersten Röntgenaufnahmen war die Aufnahme der Hand seiner Frau. Bild 3 zeigt eine historische Röntgenaufnahme einer Hand.

Am 28. Dezember 1895 legte RÖNTGEN die erste Mitteilung über seine Entdeckung unter dem Titel „Eine neue Art von Strahlen“ der Würzburger Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft vor. Sie wurde sofort gedruckt. Im März 1896 erschien eine zweite und im März 1897 eine dritte Mitteilung zu der von ihm entdeckten Strahlung, die er selbst X-Strahlung nannte, da ihr physikalischer Charakter zunächst unklar war. Erst 1912 fand man heraus, dass Röntgenstrahlen elektromagnetische Wellen sehr kurzer Wellenlänge sind.

RÖNTGENs Verdienst ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert.
Erstens hat er auf scheinbar nebensächliche Erscheinungen geachtet. Ähnliche Beobachtungen wurden auch von anderen Physikern gemacht, aber nicht weiter verfolgt. Es genügt in der Physik oft nicht, eine Erscheinung zu beobachten. Man muss auch wissen, dass man eine Entdeckung gemacht hat.
Zweitens hat er in sehr kurze Zeit in umfassenden Versuchsreihen alle wesentlichen Eigenschaften der neuen Strahlen untersucht.
RÖNTGEN selbst hat die von ihm entdeckten Strahlen immer als X-Strahlen bezeichnet, eine Bezeichnung, die auch heute international üblich ist. Im englischen Sprachraum bezeichnet man die Strahlung als X-rays.

Der Name „Röntgenstrahlung" geht auf einen Vorschlag aus dem Jahre 1896 zurück: Am 23. Januar 1896 sprach RÖNTGEN vor der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg über seine Entdeckung. Am Schluss der Veranstaltung schlug der Anatom RUDOLF VON KÖLLIKER unter dem Beifall der Versammelten vor, statt von X-Strahlen von „Röntgenschen Strahlen“ zu sprechen. Die Bezeichnung „Röntgenstrahlen“ setzte sich aber nur im deutschen Sprachraum durch.

Röntgenaufnahme einer Hand (um 1900)

Röntgenaufnahme einer Hand (um 1900)

Anwendung der Röntgenstrahlung

Selten ist eine physikalische Entdeckung so schnell und umfassend in vielen Bereichen angewendet worden wie die Röntgenstrahlen. RÖNTGEN hat es abgelehnt, seine Entdeckung patentrechtlich schützen zu lassen, sodass eine unbeschränkte Nutzung der Röntgenstrahlung in allen Ländern sofort möglich war. Insbesondere im medizinischen Bereich wurde die Röntgenstrahlung sehr schnell genutzt (Bild 4). Auch viele Physiker experimentierten mit der neuen Strahlung. Da ihre Gefährlichkeit anfangs nicht bekannt war und weitgehend ohne Schutzmaßnahmen gearbeitet wurde, gab es sowohl bei Physikern und Ärzten, aber auch bei vielen Patienten Strahlenschäden. Man schätzt, dass im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts einige hundert Röntgenforscher, Röntgentechniker und Patienten dem Strahlentod zum Opfer fielen.

Die erste Veröffentlichung Röntgens über die X-Strahlen

Nachfolgend sind einige Auszüge aus der ersten Veröffentlichung von RÖNTGEN aus dem Jahr 1885 zu seinen neu entdeckten Strahlen, den X-Strahlen, angegeben.

1. Läßt man durch eine Hittorfsche Vakuumröhre oder einen genügend evakuierten Lenardschen, Crookesschen oder ähnlichen Apparat die Entladungen eines größeren Ruhmkorff gehen und bedeckt die Röhre mit einem ziemlich eng anliegenden Mantel aus dünnem, schwarzem Karton, so sieht man in dem vollständig verdunkelten Zimmer einen in die Nähe des Apparates gebrachten, mit Bariumplatincyanür angestrichenen Papierschirm bei jeder Entladung hell aufleuchten, fluoreszieren, gleichgültig ob die angestrichene oder die andere Seite des Schirmes dem Entladungsapparat zugewendet ist. Die Fluoreszenz ist noch in 2 m Entfernung vom Apparat bemerkbar.
Man überzeugt sich leicht, daß die Ursache der Fluoreszenz vom Entladungsapparat und von keiner anderen Stelle der Leitung ausgeht.

2. Das an dieser Erscheinung zunächst Auffallende ist, daß durch die schwarze Kartonhülse, welche keine sichtbaren oder ultravioletten Strahlen des Sonnen- oder des elektrischen Bogenlichtes durchläßt, ein Agens hindurchgeht, das imstande ist, lebhafte Fluoreszenz zu erzeugen, und man wird deshalb wohl zuerst untersuchen, ob auch andere Körper diese Eigenschaft besitzen.
Man findet bald, daß alle Körper für dasselbe durchlässig sind, aber in sehr verschiedenem Grade. Einige Beispiele führe ich an. Papier ist sehr durchlässig: hinter einem eingebundenen Buch von ca. 1000 Seiten sah ich den Fluoreszenzschirm noch deutlich leuchten; die Druckerschwärze bietet kein merkliches Hindernis. Ebenso zeigt sich Fluoreszenz hinter einem doppelten Whistspiel; eine einzelne Karte zwischen Apparat und Schirm gehalten macht sich dem Auge fast gar nicht bemerkbar.

  • Auch ein einfaches Blatt Stanniol ist kaum wahrzunehmen; erst nachdem mehrere Lagen übereinander gelegt sind, sieht man ihren Schatten deutlich auf dem Schirm.
  • Dicke Holzblöcke sind noch durchlässig; 2 bis 3 cm dicke Brettern aus Tannenholz absorbieren nur sehr wenig.
  • Eine ca. 15 mm dicke Aluminiumschicht schwächte die Wirkung recht beträchtlich, war aber nicht imstande, die Fluoreszenz ganz zum Verschwinden zu bringen.
  • Mehrere Zentimeter dicke Hartgummischeiben lassen noch Strahlen hindurch.
  • Glasplatten gleicher Dicke verhalten sich verschieden, je nachdem sie bleihaltig sind (Flintglas) oder nicht; erstere sind viel weniger durchlässig als letztere.
  • Hält man die Hand zwischen den Entladungsapparat und den Schirm, so sieht man die dunkleren Schatten der Handknochen in dem nur wenig dunklen Schattenbild der Hand.
  • Wasser, Schwefelkohlenstoff und verschiedene andere Flüssigkeiten erweisen sich, in Glimmergefäßen untersucht, als sehr durchlässig.
  • Daß Wasserstoff wesentlich durchlässiger wäre als Luft, habe ich nicht finden können.
  • Hinter Platten aus Kupfer bzw. Silber, Blei, Gold, Platin ist die Fluoreszenz noch deutlich zu erkennen, doch nur dann, wenn die Plattendicke nicht zu bedeutend ist. Platin von 0,2 mm Dicke ist noch durchlässig; die Silber- und Kupferplatten können schon stärker sein. Blei in 1,5 mm Dicke ist so gut wie undurchlässig und wurde deshalb häufig wegen dieser Eigenschaft verwendet.
  • Ein Holzstab mit quadratischem Querschnitt (20x20 mm), dessen eine Seite mit Bleifarbe weiß angestrichen ist, verhält sich verschieden, je nachdem er zwischen Apparat und Schirm gehalten wird; fast vollständig wirkungslos, wenn die X-Strahlen parallel der angestrichenen Seite durchgehen, entwirft der Stab einen dunklen Schatten, wenn die Strahlen die Anstrichfarbe durchsetzen müssen.
  • In eine ähnliche Reihe wie die Metalle lassen sich ihre Salze, fest oder in Lösung, in Bezug auf ihre Durchlässigkeit ordnen.

3. Die angeführten Versuchsergebnisse und andere führen zu der Folgerung, daß die Durchlässigkeit der verschiedenen Substanzen, gleiche Schichtendicke vorausgesetzt, wesentlich bedingt ist durch ihre Dichte: keine andere Eigenschaft macht sich wenigstens in so hohem Grade bemerkbar als diese...

11. Eine weitere sehr bemerkenswerte Verschiedenheit in dem Verhalten der Kathodenstrahlen und der X-Strahlen liegt in der Tatsache, daß es mir trotz vieler Bemühungen nicht gelungen ist, auch in sehr kräftigen magnetischen Feldern eine Ablenkung der X-Strahlen durch den Magnet zu erhalten...

12. Nach besonders zu diesem Zweck angestellten Versuchen ist es sicher, daß die Stelle der Wand des Entladungsapparates, die am stärksten fluoresziert, als Hauptausgangspunkt der nach allen Richtungen sich ausbreitenden X-Strahlen zu betrachten ist. Die X-Strahlen gehen somit von der Stelle aus, wo nach den Angaben verschiedener Forscher die Kathodenstrahlen die Glaswand treffen. Lenkt man die Kathodenstrahlen innerhalb des Entladungsapparates durch einen Magnet ab, so sieht man, daß auch die X-Strahlen von einer anderen Stelle, d. h. wieder von dem Endpunkte der Kathodenstrahlen ausgehen...
Ich komme deshalb zu dem Resultat, daß die X-Strahlen nicht identisch sind mit den Kathodenstrahlen, daß sie aber von den Kathodenstrahlen in der Glaswand des Entladungsapparates erzeugt werden...

17. Legt man sich die Frage vor, was denn die X-Strahlen - die keine Kathodenstrahlen sein können - eigentlich sind, so wird man vielleicht im ersten Augenblick, verleitet durch ihre lebhaften Fluoreszenz- und chemischen Wirkungen, an ultraviolettes Licht denken. Indessen stößt man doch sofort auf schwerwiegende Bedenken...
Das heißt, man müßte annehmen, daß sich diese ultravioletten Strahlen ganz anders verhalten als die bisher bekannten ultraroten, sichtbaren und ultravioletten Strahlen.
Dazu habe ich mich nicht entschließen können und nach einer anderen Erklärung gesucht.


(Aus: W. C. RÖNTGEN: „Über eine neue Art von Strahlen. Sitzungsberichte der Würzburger Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft", Jahrgang 1895)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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