Pest

Der „Schwarze Tod“ des Mittelalters

Die Pest, auch „Schwarzer Tod“ genannt, war über Jahrhunderte hinweg eine Geißel der Menschheit, die ganze Erdteile entvölkerte. Geschichtsschreibungen berichten zum Beispiel, dass in den Jahren 1349 bis 1351 mehr als 25 Millionen Menschen dieser Seuche zum Opfer fielen. Allein in den Jahren 1710/11 starben im Land Brandenburg 215 000 Menschen. Die Charité in Berlin wurde im Jahr 1710 als Pesthaus zur Unterbringung Pestkranker gebaut.

Der Name „Schwarzer Tod“ rührt daher, dass bei Ausbruch der Hautpest schwarze Flecken und Entzündungen entstehen, die dem Kranken ein schwärzliches Aussehen verleihen. Die Erkrankung tritt je nach Übertragungsart und Verlauf in unterschiedlicher Ausprägung auf. Es können 4 Formen unterschieden werden. Die am häufigsten auftretende Form ist die durch Bisse des Rattenflohs übertragene Beulenpest. Sie beginnt nach einer Inkubationszeit von 2–6 Tagen mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Benommenheit und extremem Schwäche- bzw. Krankheitsgefühl. Im Lymphabflussgebiet des Flohbisses kommt es zu einer äußerst schmerzhaften Entzündung von Lymphgefäßen und Lymphknoten, die zu Beulen von bis zu 10 cm Größe anschwellen können. Nachdem sie eitrig eingeschmolzen sind, können sie dann als Geschwür zerfallen. Brechen die Beulen auf oder werden sie künstlich geöffnet ist eine Heilung möglich. Leider kommt es bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einem tödlichen Verlauf der Erkrankung durch Übertritt der Erreger in die Blutbahn mit der Entwicklung einer Lungenpest oder aber zu einer Streuung der Krankheitserreger mit ausgedehnten Hautblutungen (Schwarzer Hautflecken).

Die Lungenpest kann sich, wie oben erwähnt, im Verlauf der Beulenpest entwickeln (sekundäre Lungenpest), sie kann aber auch direkt durch eine Tröpfcheninfektion, d. h. eine Übertragung von Mensch zu Mensch, hervorgerufen werden (primäre Lungenpest). In diesem Fall ist die Inkubationszeit mit 1–2 Tagen sehr kurz. Sie beginnt meist stürmisch mit Atemnot, Husten, Blaufärbung der Lippen und schwarzblutigem Auswurf. Das Abhusten des hochinfektiösen Sputums ist sehr schmerzhaft. Später entwickeln sich ein Lungenödem und Kreislaufversagen. Unbehandelt verläuft die Lungenpest immer tödlich, meist zwischen dem 2. und 5. Krankheitstag.

Die Pestsepsis tritt nicht nur als Komplikation der Beulen- und Lungenpest auf, sie kann auch primär ohne andere Symptome vorkommen. Sie endet fast immer tödlich. Neben diesen 3 schweren Verlaufsformen sind auch milde Verläufe möglich. Man spricht dann von der abortiven Pest. Sie geht oft nur mit mildem Fieber und einer geringen Lymphknotenschwellung einher und verleiht eine langanhaltende Immunität.

Die Erreger der Pest sind Bakterien, die normalerweise in Ratten leben. Erst im Jahre 1894 wurde das von dem französischen Bakteriologen ALEXANDRE YERSIN (1863–1943) entdeckt. Ihre Übertragung auf den Menschen erfolgt durch den Rattenfloh, dass erkannte man jedoch erst 1897 durch ROBERT KOCH (1834–1910) und seine Schüler. Durch das Saugen von Blut erkrankter Ratten gelangen die Pestbakterien in den Magen der Flöhe, wo sie sich vermehren und beim erneuten Stich in die Stichwunde einer anderen Ratte oder eines Menschen gelangen. Da besonders im Mittelalter, aufgrund der unzureichenden hygienischen Bedingungen, Ratten zum Straßenbild einer jeden Stadt gehörten, konnten zeitweise erloschene Pestherde immer wieder aufflackern und die Pest sich schnell zur Seuche ausbreiten. Der letzte ganz große Ausbruch erfolgte im Jahre 1665 in London. Die Verschleppung der Pest über große Entfernungen erfolgte oft durch infizierte Schiffsratten.

Pest in der Geschichte

Die Pest ist seit mindestens 3 000 Jahren bekannt und trat seit dem immer wieder epidemienartig auf. Ausgangspunkt der Epidemien (Epidemie: stark gehäuftes, örtlich und zeitlich begrenztes Auftreten einer Infektionskrankheit) war meist die zentralasiatische Hochsteppe. Allerdings wurde die Pest in historischen Zeiten von dort durch Wander- und Hausratten über Eurasien getragen.

Die erste beschriebene Pestepidemie ist die Pest der Philister, die sich zwischen 1100 und 100 vor Christus ereignete und im 1. Buch Samuels, Kapitel 5–6 in der Bibel beschrieben ist. Im siegreichen Kampf hatten die Philister die Bundeslade der Israeliten erobern können, doch dann entstand in ihren Reihen eine Seuche, bei denen die Erkrankten unter Beulen zu leiden hatten. Offenbar war die Seuche im Heer ausgebrochen und mit der Bundeslade weitergeschleppt worden. Sie wurde bis in die Städte Asod und von dort nach Gath weitergetragen.
Da sie aber die Bundeslade nach Gath gebracht hatten, entstand durch die Hand des Herrn ein großer Schrecken in der Stadt. Er schlug die Leute, beide klein und groß, also dass an ihnen Beulen ausbrachen. Da sandten sie die Lade des Herrn gen Ektron. Da aber die Lade gen Ektron kam, schrieen die von Ektron: Sie haben die Lade Gottes hergetragen zu uns, dass sie uns und unser Volk töte. Denn die Hand Gottes machte einen sehr großen Schrecken mit Würgen in der ganzen Stadt. Welche Leute nicht starben, die wurden geschlagen mit Beulen, dass das Geschrei der Stadt auf gen Himmel ging“ (1. Buch Samuels, 5. Kapitel, Verse 9 – 12, Übersetzung Luthers). Die Philister riefen eine Versammlung zusammen und man beschloss nach sieben Monaten, die Bundeslade mit einem Schuldopfer zurückzugeben. Das Schuldopfer bestand aus „fünf goldenen Beulen und fünf goldenen Mäusen nach der Zahl der fünf Fürsten der Philister; „denn es ist einerlei Plage gewesen über euch alle und eure Fürsten. So müsset ihr nun machen Bilder eurer Beulen und eurer Mäuse, die euer Land verderbet haben, dass ihr dem Gott Israels die Ehre gebet“.
Nach dem Zurücksenden der Bundeslade ließ die Krankheit nach. Zweifellos handelte es sich bei der beschriebenen Krankheit um die Beulenpest.

Bemerkenswert ist jedoch auch, dass man sich über die Funktion der Mäuse als Verbreiter der Pest im Klaren war. Die Antike verfügte also durchaus über seuchenhygienische Erkenntnisse. Daneben finden sich weitere schriftliche Zeugnisse über das Auftreten der Krankheit, wie in Homers Ilias oder in den Pestschilderungen des Lukrez.

Die erste geschichtlich genauer bekannte Pestepidemie war die sogenannte Justinianische Pest 542 nach Christus. Der Ursprung dieser Pestwelle ist vermutlich in Ägypten zu suchen, von wo sie sich rasch auf ganz Europa ausdehnte. Die Folgen der Seuche waren gravierend: Der Untergang des byzantinischen Reichs wird ihr zugeschrieben, da ihr mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung zum Opfer fielen. Nach dem Ausbruch der Seuche im 6. Jahrhundert wurde auch Europa in den folgenden zwei Jahrhunderten immer wieder von sogenannten Pandemien (Ausbreitung einer Infektionskrankheit über Länder und Kontinente) überrollt.

Ausbreitung der Pest im 14. Jahrhundert

Die zweite große Pestwelle suchte von 1347 bis 1352 ganz Europa heim, und sollte direkt die Weltgeschichte beeinflussen. Dieser Pestzug entstand in China oder Indien, denn zwischen 1325 und 1351 gab es eine sehr lange andauernde Epidemie in Indien. Sie verbreitete sich über die Seidenstraße und andere Handelswege, sodass 1347 in Konstantinopel die ersten Pestopfer dokumentiert wurden. Im gleichen Jahr brachten 3(!) Handelsschiffe die Pest nach Sizilien, das 530 000 Opfer zu beklagen hatte. Die Hafenstadt Catania wurde vollständig entvölkert. Über Bologna (30 000 Tote), Siena (80 000 Tote), und Venedig (40 000 Tote) erreichte die Pest bis 1348/49 Mitteleuropa, wo sie sich im Lauf der folgenden drei Jahre über ganz Europa bis nach Island ausbreitete.

Der „Schwarze Tod“, wie man diese Epidemie im nachhinein bezeichnete, forderte schätzungsweise 25 Millionen Todesopfer (etwa ein Drittel der Bevölkerung) entvölkerte ganze Ortschaften und Landstriche und hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Weltanschauung und das Wirtschaftsleben der mittelalterlichen Menschen (Hungersnöte, Endzeitstimmung).

Als Ursache der Pest vermutete man im Mittelalter wie auch bei anderen Krankheiten Veränderungen der Luft, giftige Dünste, Schwärme von unsichtbaren Insekten, deren Eindringen in den Blutkreislauf Veränderungen im Körper zur Folge haben sollte. Daneben wurden auch die Juden als angebliche Brunnenvergifter für die großen Pandemien verantwortlich gemacht, was im Zuge der zweiten großen Pestwelle im 14. Jahrhundert zu Ausschreitungen und Pogromen führte.

Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pest

Behandlungsversuche beschränkten sich auf die Anwendung schweißtreibender Mittel, das Aufschneiden der Pestbeulen, sowie auf das Ausräuchern der Krankenzimmer. Doch bereits im 14. und 15. Jahrhundert wurden in europäischen Metropolen sinnvolle seuchenhygienische Maßnahmen eingeführt. Eine Vorreiterfunktion nahm dabei Venedig ein, das bereits 1343 eine staatliche Gesundheitskommission und 1348 als erste Stadt den Pestbrief eingeführt hatte, der dem Reisenden bescheinigte, aus einer pestfreien Gegend zu kommen. Ohne diese Bescheinigung war es dem Reisenden verwehrt, venezianisches Gebiet zu betreten. Auch die Quarantäne war eine Erfindung Venedigs. Auf der Insel Santa Maria di Nazareth musste ein Fremder 40 Tage (Quranta) in einem Lazaretto zur Beobachtung seines Gesundheitszustandes verbringen. Hieraus entwickelte sich der Begriff Quarantäne. Andere Städte übernahmen später die von Venedig eingeführten Gesetze. Auch die Behörden in Deutschland versuchten durch „Pestordnungen“, die Seuchen einzudämmen. So erließ der Augsburger Stadtrat 1607 einen Erlass, der Vorbeugungsmaßnahmen für eine Reihe von Seuchen, darunter auch der Pest, enthielt: Die Gassenhauptleute wurden aufgefordert, Krankheitsfälle zu melden. Infektionsverdächtige Personen durften 4 Wochen lang das Haus nicht verlassen und wurden durch „Zuträger“ versorgt. Zusammenkünfte wurden beschränkt, der Wirtshausbesuch unterbunden, und Bürgern, die Kranke beherbergten, war das Aufsuchen von Kirchen und Rathaus strengstens untersagt. Bettzeug und Kleider der Infizierten mussten 6 Wochen gelüftet werden; Häuser der Kranken durften 6 Monate nicht bezogen werden.

Eine weitere Maßnahme, die die Pest unterdrücken sollte, war die Einrichtung von Quarantänestationen im 16. Jahrhundert entlang der k.k. Militärgrenze (trennte das Römische und Osmanische Reich voneinander), die sich über 2 000 Kilometer erstreckte. Dank dieser strikten Vorschriften wurde das Eindringen der Pest in Europa weitgehend verhindert. Bis ins 18. Jahrhundert flackerte die Pest in Europa immer wieder in unterschiedlicher Ausprägung auf. Besonders verschärfte sich die Pest durch Kriege, so durch den Dreißigjährigen Krieg 1618 bis 1648. Die letzte große Epidemie ereignete sich 1665/1666 in London und forderte hier zehntausende Todesopfer.

1894 nahm eine erneute Pandemie (Ausbreitung einer Infektionskrankheit über Länder und Kontinente) in China ihren Ausgang, die etwa 50 Jahre dauern und 12 Millionen Opfer fordern sollte. Durch Handelsschiffe wurde die Pest von Hongkong und Bombay aus in praktisch alle großen Häfen der Welt exportiert, kam nach Afrika, zu den pazifischen Inseln, nach Australien und Amerika; 1900 erreichte sie San Francisco. Europa blieb von dieser Pandemie aufgrund der seuchenhygienischen Maßnahmen weitgehend verschont.

Der Pest-Erreger

Erst 1894 wurde durch ALEXANDER YERSIN und unabhängig von ihm durch SHIBASABURO KITSATO (1853–1931) der Erreger der Pest, ein unbegeißeltes, stäbchenförmiges, gramnegatives Bakterium entdeckt und nach ALEXANDER YERSIN benannt (Yersinia pestis). Zuvor hatte jedoch bereits der Italiener AGOSTIN BASSI VON LODI (1773–1856) vermutet, dass die Ursache der Pest lebende Organismen seien. Diese Vermutung stützte sich auf einen Versuch, in dem die Krankheit eines Seidenspinners mit einem schmarotzenden Pilz in Verbindung stand. Neben der Entdeckung der Infektionskette (Ratte-Floh-Mensch) wurde so der gezielte Weg zur Bekämpfung der Pest geebnet.

Die Pest heute

In der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts konnte man eine klare Abnahme der Zahl der Pesterkrankungen registrieren, seit 1960 jedoch, macht sich eine langsame Zunahme bemerkbar: Zwischen den Jahren 1991 und 1995 wurden insgesamt immerhin 21087 Pestkranke gemeldet, von denen im Durchschnitt 10 % starben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die tatsächliche Zahl der Erkrankten weitaus höher liegt. In Südostasien, Zentral- und Südafrika, in den südwestlichen Staaten der USA und Südamerika treten aber immer wieder einmal kleinere Epidemien auf, wo Menschen ihr Leben lassen.

Die heutige Verbreitung der Krankheit wird nur noch aus den pestverseuchten Reservoiren wildlebender Nagetiere gespeist, die vor allem in Zentralasien, Ost- und Zentralafrika, Madagaskar, Südamerika und den westlichen USA (Rocky Mountains) bestehen. Dank internationaler Bemühungen konnte die Pest weitgehend eingedämmt werden. So ist im Vergleich zu früheren Ausmaßen der Pestepidemien die Infektionsrate in heutiger Zeit gering: 1989 erkrankten weltweit 770 Personen, davon 315 in Afrika, mit 55 Todesfällen. Im April 1991 wurden Pestfälle noch aus Madagaskar, Tansania, Zaire, Bolivien, Brasilien, Peru und Vietnam gemeldet. 1994 fielen einer neuerlichen Pestepidemie in Westindien insgesamt 58 Menschen zum Opfer. Diese Epidemie war offenbar durch eine neue Virusvariante ausgelöst worden. In Deutschland wie auch in anderen Ländern besteht schon bei Verdacht auf eine Pesterkrankung eine Anzeigepflicht, die mit scharfen Quarantänemaßnahmen verbunden ist. Dabei handelt es sich um die Artikel 49–94 der Internationalen Gesundheitsvorschriften, die Auskunft über die Abwehrmaßnahmen bei den quarantänepflichtigen Krankheiten (Pest, Cholera und Gelbfieber) geben.

Heute stehen gegen die Pest effizientere Methoden als noch im Mittelalter zur Verfügung: Wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist, kann sie durch verschiedene Antibiotika (darunter Tetrazykline, Chloramphenicol, Streptomycin und Sulfadiazin in hohen Dosen) zum Stillstand gebracht werden. Sollte eine Reise in ein befallenes Gebiet anstehen oder aus anderen Gründen mit einer Ansteckung zu rechnen sein, gewährleistet eine Impfung einen fünfmonatigen Schutz. Bei dieser Schutzimpfung werden normalerweise abgetötete Pestbakterien verabreicht; als weitere Möglichkeit kann man mit dem Medikament bzw. dem Wirkstoff Sulfadiazin in chemischer Hinsicht vorbeugen.

In jedem Fall gehören die Bekämpfung von Ratten und Flöhen, entsprechende Quarantänemaßnahmen, sowie die Überwachung und Meldung von Nagetiersterben zu den wirksamsten Methoden zur Bekämpfung der Pest.

Pestopfer einiger ausgewählter Städte im Mittelalter

Pestopfer einiger ausgewählter Städte im Mittelalter

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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