Teilgebiete der Verhaltensbiologie

Inhalte einiger Teilgebiete

  • Humanethologie untersucht das Verhalten des Menschen und seine Veränderungen im Verlauf seiner Entwicklung.
  • Tiersoziologie beschäftigt sich mit den Sozialstrukturen der einzelnen Tierarten.
  • Lernethologie beschäftigt sich u. a. mit der Psychologie des Lernens.
  • Entwicklungsgeschichte des Verhaltens untersucht Veränderungen des Verhaltens im Verlauf der Individualentwicklung.
  • Verhaltensendokrinologie untersucht u. a., welchen Einfluss Hormone auf die Verhaltenssteuerung z. B. der Tiere haben.
  • Verhaltensphysiologie betrachtet die Mechanismen, die das Verhalten von Tier und Mensch steuern. Dazu ist u. a. wichtig, die im Organismus ablaufenden physiologischen Prozesse genauer zu analysieren.
  • Verhaltensökologie untersucht die Anpassung von Verhaltensweisen an ihre Umwelt. Dabei wird u. a. der ökologische Nutzen einer Verhaltenweise, z. B. Nahrungsverhalten, den ökologischen Kosten gegenübergestellt.
  • Soziobiologie erforscht und interpretiert das Sozialverhalten auf der Grundlage der Evolutionstheorie.

Einige Vertreter der unterschiedlichen Richtungen aus der Verhaltensforschung

NameSchwerpunkt/Disziplin

Alfred Edmund Brehm ,
geb. 02.02.1829
Renthendorf (Thüringen)

Gest. 11.11.1884
Renthendorf (Thüringen)

Naive Tierbeobachtung, Tierpsychologie,
Psycho-Ethologie:

Sehr vermenschlichende (antropomorphe) Interpretation der beobachteten Verhaltensweisen bis hin zu formulierten Charakterzügen einer ganzen Tierart (z. B. das „dumme Huhn“, der „schlaue“ Fuchs etc.).
Handlungen der Tiere wurden als Ergebnis ihrer Erfahrungen und Entscheidungen betrachtet, die ähnlich wie der Mensch, Gefühle wie z. B. Mitleid, Stolz, Hass, Trauer oder Liebe empfinden können und aus diesen Gefühlen heraus handeln.

Brehm erstrebte einen Überblick über die Lebensweise aller Tiere, was er mit seinem „Illustriertem Thierleben“ (1.Auflage 1864 – 1869: 6 Bände, 2.Auflage (1876 – 1879: 10 Bände) verkörperte. Er machte sein gesamtes Wissen über die Tiere in Deutschland populär.

Charles Robert Darwin
Geb. 12.02.1809
Shrewsbury

Gest. 19.04.1882
Downe (bei London)

Selektionstheorie,
Evolutionstheorie:

Verhaltensweisen sind, ähnlich wie morphologische Eigenschaften, das Ergebnis der durch die natürliche Selektion greifenden Evolution.
Iwan Petrowitsch Pawlow
Geb. 14.09.1849
Rjasan
Gest. 27.02.1936
Leningrad

Reflextheorie, (früher Behaviorismus)
(1. Lerntheorie der Verhaltensbiologie):
Höhere Nerventätigkeiten und Verhaltensweisen werden ausgehend von den philosophischen Betrachtungen René Descartes auf Reflexe zurückgeführt. Dem spezifischen Reiz folgt gesetzmäßig eine bestimmte Reaktion. Kompliziertere Bewegungsabläufe werden mit Reflexketten erklärt.

Petrowitsch begründete 1903 diese erste Lerntheorie, aus der sich später Reiz-Reaktions-Theorien wie der Behaviorismus entwickelten. Er führte den Begriff des bedingten Reflexes ein.

Erich von Holst
Geb. 28.11.1908
Riga

Gest. 26.05.1962
Herrsching am Ammersee

Sinnes- und Verhaltensphysiologie/ Neuroethologie:
Diese Sinnes- und Verhaltensphysiologie beschäftigt sich mit den physiologischen Grundlagen des Verhaltens (Neuroethologie, Endokrinologie).

Bei der Neuroethologie handelt es sich um ein Teilgebiet der Verhaltensforschung, das die neuralen Grundlagen des Verhaltens, d. h. die einer bestimmten Verhaltensweise zugrunde liegenden Vorgänge im ZNS (Zentralen Nervensystem) und in den Sinnesorganen untersucht. Im Vordergrund steht die Fragestellung, auf welche Art und Weise Verhalten zentralnervös gesteuert wird bzw. welche neurophysiologischen Vorgänge die Stimmungslage der Tiere beeinflussen können. Auch die Frage, welche Umweltinformation im Gehirn bzw. Gedächtnis gespeichert wird und die Frage nach der Auswahl (Filterung) der für das Individuum entscheidenden Reize aus der gesamten eingehenden Umweltinformation stehen bei dieser Disziplin im Vordergrund.

Holst beschäftigte sich vor allem mit dem Libellen- und Vogelflug, der Sinnesphysiologie, optischen Täuschungen, dem ZNS (zentrales Nervensystem) und allgemeinen biologischen Regelungsfragen.

Karl von Frisch
Geb. 20.11.1886
Wien

Gest. 12.06.1982
München

Sinnes- und Verhaltensphysiologie/ Neuroethologie (siehe oben)

Frisch machte sich einen Namen durch seine Studien über das Tanzverhalten der Bienen, das der gegenseitigen Verständigung dient. Er beschäftigte sich aber auch mit der Physiologie der Pigmentzellen bei Fischen, mit dem Hörvermögen der Fische sowie mit dem Farbensehen.

Burrhus Frederic Skinner
Geb. 20.03.1904
Susquehanna (USA)

Gest. 18.08.1990
Cambridge (USA)

Behaviorismus:
Richtung, die v. a. in Amerika sehr verbreitet war; Verhalten und Verhaltensänderungen wurden ausschließlich auf Reize aus der Umwelt zurückgeführt (Reiz-Reaktions-Theorien). Dieser Wissenschaftszweig, der lange Zeit davon ausging, dass alle Verhaltensweisen erlernt seien, gilt heute als überholt.

Mithilfe seiner tierexperimentellen Forschung über Lernprozesse und der von ihm entwickelten Skinner-Box (ein Käfig, bei dem Signalanlagen und verschiedene Hebel im Inneren des Käfigs durch den Beobachter verändert werden können) war Skinner in der Lage, seine behavioristische Lerntheorie systematisch zu begründen. Darüber hinaus entwickelte Skinner durch seine Erkenntnisse über die operante Konditionierung eine Art programmierten Unterricht und sozialtechnologische Entwürfe.

Konrad Lorenz
Geb. 07.11.1903
Wien

Gest. 27.02.1989
Wien

Nikolaas Tinbergen
Geb. 15.04.1907
Den Haag

Gest. 21.12.1988
Oxford

Klassische Ethologie:
Die klassische Ethologie beschäftigte sich vor allem mit den Mechanismen von Instinkthandlungen.

Vergleichende Verhaltensforschung:
Artenvergleich steht im Vordergrund

Lorenz und Tinbergen beobachteten Tierarten in unterschiedlichen Lebensräumen (halbnatürliche Bedingungen mit an den Menschen gewöhnten Tieren und Freilandbeobachtungen) und verglichen die gesammelten Ergebnisse in Ethogrammen miteinander. Lorenz erforschte instinktives Verhalten (Auslöser, Auslösemechanismus, individuelle und stammesgeschichtliche Entwicklung des angeborenen Verhaltens) v. a. an Graugänsen, Dohlen und Kolkraben. Er entdeckte das Phänomen der Prägung.

Tinbergen formulierte die vier Fragen der Verhaltensforschung bezüglich des Auftretens von Verhaltensphänomenen:
1. Frage nach Mechanismus und Form des Auftretens
2. Frage nach den Ursachen in der Entwicklung (Ontogenese)
3. Frage nach der biologischen Funktion
4. Frage nach der Stammesgeschichte

Jane Goodall
geb. 03.04.1934
London























Dian Fossey
Geb. 16.01.1932
Faifax (Kalifornien)

Gest. 26.12.1985
Karisoke



Biruté Galdikas
Geb. 10.05.1946
Wiesbaden

Vergleichende Verhaltensforschung an Primaten (Freilanduntersuchungen, Langzeitstudien)
Langjährige Verhaltensstudien an wildlebenden Schimpansen im Gombe-Fluss-Schimpansenreservat (Tansania). Goodall gründete 1965 das „Gombe-Stream-Research-Center“ und 1976 das „Jane Goodall Institute for Wildlife Research, Education and Conservation“. Jane Goodall gehört zu den bekanntesten Wissenschaftlerinnen. Ihre pionierhaften Studien über wild lebende Schimpansen begannen vor über 40 Jahren in Tansania und revolutionierten unser Denken und Wissen über die Schimpansen. Ihre Forschungen in Afrika dauern bis heute an. Sie gelten als die zeitlich längsten Feldstudien, die je über eine Wildtierart geführt wurden. Heute verbindet Jane Goodall ihre wissenschaftlichen Arbeiten über Schimpansen mit direkten Verpflichtungen in internationalen Umweltfragen.

Am 16. Januar 1932 geboren, hörte die 31 Jahre alte Therapeutin für behinderte Kinder einen Vortrag über die Berggorillas von dem bekannten Zoologen Louis Leakey. Sie beschloss dem Forscher zu helfen und folgte ihm in den Dschungel Ruandas. Was sie dort vorfand, war schrecklich. Die Gorillas wurden abgemetzelt und ihre Hände und Schädel an Touristen verkauft. Die größte Jagd machte man auf die Gorilla-Babys um sie an Zoo's und Privatpersonen zu verscherbeln. 1974 erlangte sie an der University of Cambridge die Doktorwürde in Zoologie. 1980 nahm sie eine Stelle an der Cornell University an, welche es ihr erlaubte, mit der Niederschrift ihres Buches Gorillas in the Mist (1983) zu beginnen. Dian Fossey war von den vom Aussterben bedrohten Tieren so fasziniert, dass Sie 22 Jahre lang, bis zu ihrem Tod, in Afrika blieb und ihr Leben den Tieren widmete. Sie wurde im Alter von 53 Jahren am 26. Dezember 1985 im Dschungel von Ruanda brutal ermordet.

Biruté M. F. Galdikas ist litauischer Abstammung und wurde 1946 in Deutschland geboren. Sie studierte in Kanada, promovierte an der University of California in Anthropologie und ist heute Professorin an der Simon Fraser University in Burnaby (Kanada) und an der Universitas Nasional in Jakarta. Sie ist Präsidentin der Orang-Utan Foundation in Los Angeles. Dr. Biruté Galdikas ist die Gründerin und Präsidentin der „Orangutan-Foundation International“. Als weltweit führende Expertin für Orang-Utans hat sie 30 Jahre in den Wäldern von Borneo diese Affenart erforscht, studiert und sich für sie eingesetzt.

Irenäus Eibl-Eibesfeldt
Geb. 15.06.1928
Wien
Vergleichende Verhaltensforschung am Menschen; Humanethologie
Eibl-Eibesfeldt untersucht anhand seiner Beobachtungen in Afrika, Japan, Neuguinea, Polynesien, Indonesien, Südamerika und den Galápagos-Inseln die verschiedenen Formen inner- und zwischenartlicher Kommunikation bei Mensch und Tier. Er hat die Humanethologie als eigene Disziplin begründet. Im Vordergrund seiner Untersuchungen standen die Mechanismen der Gruppenbindung und der Aggressionskontrolle. Durch seine kulturvergleichenden Untersuchungen sozialer Interaktionen ist es ihm gelungen ein universales Regelsystem sozialen Verhaltens zu formulieren.

William Donald Hamilton
geb. 01.08.1936
Kairo (Ägypten)
gest. 07.03.2000:

Edward Osborne Wilson
geb. 10.06.1929
Birmingham (USA)

Richard Dawkins
geb. 26.03.1941
Nairobi, Kenia

John Maynard Smith
Geb. 06.01.1920
London
Gest. 19.04.2004
bei Brighton

Soziobiologie:
Wissenschaft, die das Sozialverhalten von Tieren und Menschen mittels genetischem Eigennutz und durch Individualselektion von Verhalten zu erklären versucht. W. D. Hamilton und E. O. Wilson gelten als Begründer der Soziobiologie.

Verhaltensökologie (Öko-Ethologie):
Dieser heute sehr verbreitete Wissenschaftszweig untersucht komplexe Wechselwirkungen von Individuen in ihrem Lebensraum (Tierisches Verhalten in Abhängigkeit von den vorherrschenden ökologischen Bedingungen).

Wolfgang Köhler
Geb. 21.01.1887
Reval, Estonia
Gest. 11.06.1967
Enfield (USA)

Donald Redfield Griffin
Geb. 03.08.1915
Southampton, New York
Gest. 07.11.2003 in Lexington, Massachusetts

Kognitive Biologie:
Richtung, die überlegtes Handeln bzw. bewusste Denkvorgänge als wesentlichen Bestandteil des Verhaltens vieler Tiere annimmt. Überbegriff, der ursprünglich aus der Humanpsychologie stammt, für alle Verhaltensbereiche, die das „Erkennen im weitesten Sinn“ betreffen. Dazu gehören Wahrnehmung (Lernen, Gedächtnis, Sprache), Denken und Urteilen.

Wolfgang Köhler führte bereits 1914 in einer Versuchsstation auf Teneriffa Experimente über vorausplanendes Handeln und über Werkzeuggebrauch an Schimpansen durch.

Griffin brachte 1984 Bewegung in die bis dahin festgefahrenen wissenschaftlichen Fronten. Mit seinem Buch: „Können Tiere denken?“ forderte er seine wissenschaftlichen Kollegen auf, bestehende Tabus aufzubrechen. Denken und Bewusstsein muss auch den Tieren zugesprochen werden. Die Verständigung der Tiere untereinander sollte mehr in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen gestellt werden, da die Art und Weise sich mitzuteilen, ein Schlüssel zum Zugang zum Bewusstsein der Tiere sein könnte.

Die Bandbreite und Aktualität der Verhaltensbiologie (Ethologie) wird durch ein Themenspektrum deutlich, das von den genetischen Grundlagen des Verhaltens bis zur Auswilderung bedrohter Tierarten reicht. Der Anwendungsbezug ist in den letzten Jahren stärker geworden, so spielt z. B. eine artgemäße Tierhaltung oder die Weiterentwicklung von „Tiermodellen“ für die medizinische Forschung eine immer größere Rolle.

Als Konrad Lorenz, Nikolaas Tinbergen und Karl von Frisch im Jahr 1973 den Nobelpreis für ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse bekamen, hatte sich die Verhaltensbiologie als eigenständige wissenschaftliche Teildisziplin etabliert. Die Forschung ging unaufhaltsam weiter, und die Kritiker (nicht selten ehemalige Schüler) der klassischen Ethologie modifizierten bereits die Hypothesen und Konzepte ihrer Gründerväter oder distanzierten sich sogar ganz und gar von deren Aussagen.

Die zentralen Begriffe der „klassischen Ethologen“, wie z. B. Trieb, Erbkoordination, Schlüsselreiz, Instinkt oder psychohydraulisches Modell werden in der soziobiologischen Forschung nicht verwendet.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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