Tintenfisch, Suche

Rund 70 Prozent unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt. In Anbetracht dieser Zahl erscheint es seltsam, dass die Menschheit inzwischen mehr über den Weltraum weiß als über die Tiefsee. Damit diese Wissenslücken geschlossen werden können, bedarf es einer guten Ausrüstung. Und da es sich nicht jede Universität leisten kann, ein eigenes Forschungsschiff zu unterhalten, stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einige zur Verfügung. Das größte Schiff dieser Flotte nennt sich „FS Polarstern“. An Nummer zwei kommt die FS Meteor.

Forschungsroute

Die „FS Meteor“ hat als Heimathafen Hamburg angegeben, ist aber fast in allen Weltmeeren unterwegs. Von Tromsø im nördlichen Norwegen über Karachi im Indischen Ozean und die Karibik bis runter zur südlichsten Stadt der Erde, Ushaia in Feuerland, hat es die „FS Meteor" im Namen der Wissenschaft schon verschlagen.
Diese Fahrt führte von Las Palmas auf der spanischen Insel Gran Canaria vor die Küste Marokkos und wieder zurück. Die M65-3, so der Name der Tour, diente in erster Linie dazu, ein neues Meeresboden-Bohrgerät (MeBo) vom DFG-Forschungszentrum Ozeanränder (RCOM) der Universität Bremen zu testen. Mit an Bord war aber auch Dr. Kerstin Warnke von der Freien Universität (FU) Berlin.

Eine Meeresbiologin sucht einen Tintenfisch

Die Meeresbiologin hatte vorher bereits in diesen Gewässern nach dem Tintenfisch Spirula spirula gesucht. Jetzt verbrachte sie zehn Tage auf dem Forschungsschiff. Ihr spezielles für den Tintenfischfang angefertigtes Isaacs-Kidd-Midwater-Trawl-Schleppnetz wurde regelmäßig über Winden und daumendicke Stahltrosse bei zwei Knoten Geschwindigkeit in 200 bis 800 Meter Tiefe herabgelassen. In 15 Netzeinsätzen mit einer maximalen Fangdauer von bis zu sieben Stunden ging es in der freien Wassersäule des Atlantiks auf die Suche nach einem etwa fünf Zentimeter großen Tintenfisch, über den bisher kaum etwas bekannt ist: Spirula spirula .

Warum gerade dieser Tintenfisch?

Das Interesse der Fachrichtung Paläontologie an der FU Berlin an diesem Kopffüßer lässt sich recht einfach begründen. Deutlich länger als die Dinosaurier, die dominierenden Tiere an Land waren, beherrschten die Tintenfische die Weltmeere. Heute finden die Paläontologen die schneckenhausähnlichen Gehäuse der verschiedenen Ammoniten und können an ihnen feststellen, welchem Zeitalter die Gesteinsschicht entspringt, an der sie gerade arbeiten. Das nennt man ein Leitfossil . Spirula spirula ist den urzeitlichen Ammoniten in einem Punkt sehr ähnlich: Sie hat eine Schale, die bei Spirula, im Gegensatz zu den Ammoniten, vom Weichkörper eingeschlossen ist, also innerhalb des Körpers liegt. Die Ähnlichkeit des Gehäuses aber lässt die Paläontologen denken, dass Spirula auch weitere Gemeinsamkeiten mit den Ammoniten hat. Es besteht die Hoffnung, von Spirula Rückschlüsse auf Ernährungsgewohnheiten, Fortpflanzung und Fortbewegung der ehemaligen Beherrscher der Weltmeere ziehen zu können. Diese Forschungen stehen noch ganz am Anfang.

„Tintenfischer“-Glück

13 Spirula-Exemplare fischten die Forscher aus dem Meer. Doch damit fing die Arbeit erst an. Im großen Labor im Innenraum der „FS Meteor“ wurden die Cephalopoden (Kopffüßer) in Aquarien gehalten und beobachtet. Um Wissen über die Embryonalentwicklung dieses Tintenfischs zu erlangen, wurden die Eier eines Weibchens mit dem Sperma eines Männchens künstlich befruchtet.
Zurück an der FU Berlin begann die Beobachtung des Laichs. Zudem wurden die inzwischen verstorbenen Spirula morphologisch untersucht und sollen zusätzlich über DNA-Analysen in das System der Cephalopoden einsortiert werden. Bisher ist noch nicht einmal bekannt, ob es nur eine oder aber mehrere Arten von Spirula gibt. Letztlich sollen noch Isotopenuntersuchungen an der Schalenstruktur durchgeführt werden. Die Isotopenanalysen geben Hinweise darauf, bei welcher Temperatur der Aufbau der Schale stattgefunden hat. Mithilfe der Temperatur wiederum kann man über den bislang unbekannten Ablaichort Vermutungen anstellen. Bis man sich ein genaueres Bild von Spirula und seinem Zusammenhang zu den Ammoniten machen kann, werden allerdings noch einige Jahre ins Land ziehen.

Doch der „FS Meteor“ ging beileibe nicht nur Spirula ins Schleppnetz. Skurril anzuschauende Tiefseetiere wie Anglerfische, Leuchtsardinen, verschiedene andere Tintenfische und vieles mehr wurden gefangen. Die Cephalopoden wurden von der Meeresbiologin Kerstin Warnke aussortiert, vermessen und bestimmt. Der Restfang ging an das befreundete Instituto Canario de Ciencias Marinas auf Gran Canaria.

Testlauf für das Meeresboden-Bohrgerät

Während die Meeresbiologin fischte, testeten die anderen Wissenschaftler aus Bremen ihr Meeresboden-Bohrgerät auf Herz und Nieren. Das vom RCOM in Zusammenarbeit mit mehreren Firmen entwickelte und gebaute Gerät wurde erstmals im offenen Ozean in Tiefen zwischen 1 000 und 2 000 Metern ausprobiert. Am Kontinentalhang von Marokko wurden Probenkerne genommen, die zeigen, dass das Meeresboden-Bohrgerät sich als mobiles Hilfsmittel erweist, mit dem mit vertretbarem logistischem Aufwand hochqualitative Kerne bis zu 50 Meter Länge gewonnen werden können.
Das Meeresboden-Bohrgerät hat eine Grundfläche von 2,2 mal 2,6 m und eine Höhe von cirka 5,7 Meter. Sein Gewicht beträgt zehn Tonnen. Es wird auf dem Meeresboden abgesetzt und ist mit einem Spezialkabel mit der Kontrollstation auf dem Forschungsschiff verbunden, von der die Wissenschaftler und Techniker den Auf- und Abbau des Bohrstranges und die Probennahme steuern. Die Aktionen am Meeresboden werden mithilfe von Videokameras und Sensoren überwacht. Mit dem Meeresboden-Bohrgerät steht den marinen Geowissenschaften damit ein neues, weltweit einziges Probeentnahmegerät zur Verfügung, welches mit herkömmlichen Forschungsschiffen eingesetzt werden kann.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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