Potenziometrie – eine elektrochemische Analysemethode

Die Potenziometrie beruht auf der Messung der Zellspannung und damit der Potenzialdifferenz zwischen zwei Elektroden, von denen eine die Indikatorelektrode und die andere die Bezugselektrode darstellt.

Die zu bestimmende Substanz ist bei der Potenziometrie an der Elektrodenreaktion der Indikatorelektrode beteiligt. Nach der nernstschen Gleichung hängt die Größe des Elektrodenpotenzials von der Konzentration des Analyten ab.

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Als Indikatorelektrode verwendet man hauptsächlich ionenselektive Elektroden, deren Potenzial bei konstanter Temperatur nur von der Konzentration einer einzigen Ionensorte abhängt. Da auch das Potenzial der Bezugselektrode unter den Messbedingungen konstant ist, ergibt sich die gemessene Zellspannung (U) nach folgender Gleichung, in der K die Zusammenfassung (Summe) aller konstanten Größen darstellt:

U Z = K + 0,0592 V · z –1 · lg c (Analyt)

Als Bezugselektrode verwendet man oft Elektroden 2. Art, deren Potenzial von der Konzentration des Analyten unabhängig ist.

Direktpotenziometrie

Bei der Direktpotenziometrie wird die Konzentration einer Ionensorte direkt aus dem Wert des Elektrodenpotenzials der Indikatorelektrode bestimmt. Jede Ionensorte erfordert spezielle ionenselektive Elektroden.
Bei direktpotenziometrischen Messungen genügt es, für jede Probe nur einen Wert für die Zellspannung aufzunehmen. Da die Zellspannung proportional zum Logarithmus der Analytkonzentration ist, könnte man diese theoretisch direkt mithilfe der tabellierten Standardpotenziale berechnen. Die Messbedingungen (Temperatur, Lösungsmittel) sind jedoch nicht immer gleich, sodass man zur Erhöhung der Genauigkeit eine Kalibrierung der Indikatorelektrode durchführt. Dazu nimmt man mit verschiedenen Standardlösungen bekannter Analytkonzentration eine Kalibriergerade auf, indem die Zellspannung gegen den Logarithmus der Konzentration aufgetragen wird. Auf der Basis dieser Kalibrierfunktion kann die genaue Probenkonzentration aus dem Messwert sehr einfach grafisch bestimmt werden kann.

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Die wichtigste Anwendung ist die Messung des pH-Werts, z. B. mit dem pH-Meter. Als ionenselektive Indikatorelektrode verwendet man dazu fast ausschließlich die Glaselektrode. Die Glaselektrode enthält eine spezielle Glasmembran, deren Potenzial proportional zum negativen dekadischem Logarithmus der Konzentration von H 3 O + Ionen - und damit dem pH-Wert - ist. In der Praxis wird diese pH-sensitive Elektrode gleich mit einer Bezugselektrode in einer „Einstabmesskette“ kombiniert. Dazu verbindet man einen Silberdraht, der in eine gepufferte KCl-Lösung konstanter Konzentration eintaucht, elektrisch leitend mit der Glasmembran. Die Zellspannung dieser eigentlich aus zwei Elektroden bestehenden „Einstabmesskette“ hängt bei konstanter Temperatur nur vom pH-Wert ab. Für die gemessene Spannung gilt die modifizierte Nernstsche Gleichung:

E M K = k + R T F · lg c M e s s c i n n e n

(cMess – Konzentration in der Probe, cinnen – Konzentration innen)

bzw. bei 25 °C

E M K = k + 0,059 ( p H i n n e n p H M e s s ) ; EMK in Volt.

Theoretisch ändert sich also die gemessene Spannung um 59 mV je pH-Einheit (Steilheit). Praktisch ist das aber aus verschiedenen Gründen nicht der Fall. Daher werden Glaselektroden mit 2 Lösungen bekannten pH-Werts (Puffern) kalibriert. Zunächst wird mit einem Puffer (z. B. pH = 7,00) gewissermaßen eine Nullpunktskorrektur durchgeführt (Bestimmung des Werts von k in der Gleichung), dann wird mit einem zweiten Puffer (z. B. pH = 4,00) der tatsächliche Wert des Anstiegs (Steilheit) der Kalibriergeraden bestimmt.

Mit der Glaselektrode können pH-Werte zwischen 2 und 12 direkt bestimmt werden, da nur in diesem Bereich die Glasmembran stabil ist. Ein derartig großer Messbereich von 10 Dekaden ist allerdings ungewöhnlich für eine analytische Methode.
Auch zahlreiche andere Ionen kann man direkt potenziometrisch mit sogenannten Ionenselektiven Elektroden (ISE) messen.
Beispielsweise hängt das Potenzial einer mit Silberchlorid bedeckten Silber-Elektrode über das Löslichkeitsgleichgewicht

Ag+ + Cl- AgCl ↓

von der Aktivität der Chloridionen in der Messlösung ab. Mit einer auf dieser Basis hergestellten Chlorid-Elektrode kann man Chloridkonzentrationen im Bereich von 1 mol/l bis herab zu 1*10-4 mol/l unmittelbar messen. Die Konzentrationsbestimmung einer Analysenprobe erfolgt wieder über eine Kalibrierfunktion, die aus der Messung von Lösungen bekannten Gehalts erstellt wurde.Da andere Halogenidionen wie Br- oder I- ebenfalls schwer lösliche Silbersalze bilden, würde ihre Anwesenheit in der Analysenlösung das gemessene Potenzial beeinflussen und somit das Ergebnis verfälschen. Solche Querempfindlichkeiten sind ein generelles Problem bei den ISE.

Potenziometrische Titration

Bei der potenziometrischen Titration wird die Analysenlösung über den Aquivalenzpunkt hinaus titriert, und die sich verändernde Zellspannung als Funktion des Volumens der zugegeben Maßlösung gemessen und als Titrationskurve aufgezeichnet.

Aus der Titrationskurve wird der Aquivalenzpunkt ermittelt und daraus das Volumen an Maßlösung bis zum Äquivalenzpunkt (Aquivalenzpunkt ist der Wendepunkt der Titrationskurve) sowie die Konzentration des Analyten berechnet. Aus diesem Grund ist es nicht erforderlich, eine Kalibrierung durchzuführen. Ein Vorteil gegenüber klassischen Titrationen besteht darin, dass kein Farbindikator verwendet werden muss, sodass gefärbte oder trübe Lösungen titriert werden können. Durch die mathematische Differenzierung der Titrationskurve und sehr kleiner Volumenzugabe an Maßlösung in der Nähe des Aquivalenzpunktes wird eine größere Genauigkeit als bei klassischen Titrationen erreicht. Beim Kurvenverlauf potenziometrischer Titrationen besteht über die nernstsche Gleichung ein logarithmischer Zusammenhang.

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Moderne Titrierautomaten arbeiten fast ausschließlich nach dem Prinzip der potenziometrischen Titration. Sie wird häufig bei Säure/Base-, Redox-, und Fällungstitrationen angewendet.

Beispiel:
Eine der klassischen Anwendungen der potenziometrischen Titration ist die gleichzeitige Bestimmung von Iodid- und Chlorid-Ionen in wässrigen Lösungen, z. B. bei der Bestimmung des Iodgehaltes in Speisesalz. Als Indikatorelektrode verwendet man eine Silberelektrode, deren Potenzial unter den Messbedingungen ausschließlich von der Konzentration der
Ag + Ionen abhängt. Über die entsprechenden Löslichkeitsgleichgewichte wird diese aber von den Iodid- und Chloridionen in der Lösung beeinflusst. Man titriert die Analysenlösung mit AgNO 3 Lösung (c = 0,1 mol/l) und misst dabei die Zellspannung U Z .

Ag + (aq) + I (aq) AgI(s) K L = 8 · 10 –17 mol 2 · l –2 Ag + (aq) + Cl (aq) AgCl(s) K L = 2 · 10 –10 mol 2 · l –2 U Z = konst . – 0 ,0592 V · lg c(X )

Durch die großen Unterschiede im Löslichkeitsprodukt fällt zuerst AgI aus. Die Ag + Ionenkonzentration und damit die Zellspannung steigen zum Ende der Iodidfällung deutlich an. Danach beginnt die Fällung von AgCl. Wenn diese beendet ist, steigt die Konzentration an Ag + Ionen durch Zugabe der AgNO 3 Lösung erneut an, sodass man zwei deutliche Stufen in der Titrationskurve beobachtet, aus denen man die Aquivalenzpunkte ermitteln kann.

Die Potenziometrie eignet sich besonders gut für die gleichzeitige Bestimmung mehrerer Ionenkonzentrationen durch Simultantitration.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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