Adolf Butenandt

Die Zeit, in der er lebte

ADOLF BUTENANDT lebte in einem sehr bewegten Jahrhundert, dessen Bild geprägt war von zwei Weltkriegen, Revolutionen und unzähligen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften.
In den Wissenschaften wurden u. a. sehr bedeutende Entdeckungen gemacht, z. B. (in chronologischer Reihenfolge vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts an):

  • Zerfall von Elementen und Chemie radioaktiver Stoffe (ERNEST RUTHERFORD)
  • Zustandsgleichung der Gase und Flüssigkeiten (JOHANNES DIDERIK VAN DER WAALS)
  • Erforschung der Eiweißstoffe einschließlich der Nukleine in der Chemie der Zelle (ALBRECHT KOSSEL)
  • Zusammenhang zwischen Katalyse, Reaktionsgeschwindigkeit und chemischem Gleichgewicht (WILHELM OSTWALD)
  • Entdeckung der Elemente Radium und Polonium, durch die Charakterisierung des Radiums (MARIE CURIE)
  • Untersuchungen und Strukturaufklärung der Farbstoffe im Pflanzenreich, vor allem des Chlorophylls (RICHARD WILLSTÄTTER)
  • Erforschung der Kristallstrukturen mittels Röntgenstrahlen (WILLIAM HENRY BRAGG UND WILLIAM
    LAWRENCE BRAGG)
  • Synthese von Ammoniak aus den Elementen (FRITZ HABER)
  • Quantentheorie (MAX PLANCK)
  • Thermodynamik, mathematische Dastellung (WALTHER NERNST)
  • Realitivitätstheorie (ALBERT EINSTEIN)
  • Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung (NIELS BOHR)
  • Wärmeerzeugung der Muskeln (ARCHIBALD VIVIAN HILL)
  • Verhältnis zwischen Sauerstoffverbrauch und Milchsäureproduktion im Muskel (OTTO FRITZ MEYERHOF)
  • elektrische Elementarladung und fotoelektrischer Effekt (ROBERT ANDREWS MILLIKAN)
  • Wellennatur der Elektronen (LOUIS VICTOR DE BROGLIE)
  • Blutgruppen des Menschen (KARL LANDSTEINER)
  • Bedeutung der Chromosomen als Träger der Vererbung (THOMAS HUNT MORGAN)
  • Entdeckung des Neutrons (JAMES CHADWICK)
  • Synthesen von neuen radioaktiven Elementen (FREDERIC JOLIOT-CURIE und IRENE JOLIOT-CURIE)
  • chemische Übertragung von Nervenimpulsen (HENRY HALLET DALE und OTTO LOEWI)
  • Entdeckung von neuen, durch Neutronenbeschuss erzeugten radioaktiven Elementen der durch langsame Neutronen ausgelösten Kernreaktionen (ENRICO FERMI)
  • Kernspaltung von Atomen (OTTO HAHN)
  • Entdeckung des Penicillins und seiner Heilwirkung
    ALEXANDER FLEMING, ERNST BORIS CHAIN und
    HOWARD WALTER FLOREY
  • Mutationen können durch Röntgenstrahlen hervorgerufen werden (HERMANN JOSEPH MULLER)
  • Vorhersage der Existenz der Mesonen (HIDEKI YUKAWA)
  • Entdeckung der Mesonen ( CECIL FRANK POWER)
  • Entdeckung des Zitronensäurezyklus (HANS ADOLF KREBS)
  • Natur der chemischen Bindung (LINUS PAULING)
  • Entdeckung des Antiprotons (EMILIO SEGRE und
    OWEN CHAMBERLAIN)
  • Kohlenstoff-14-Methode zur Altersbestimmung (WILLARD FRANK LIBBY)
  • Kohlenstoffdioxid-Assimilation der Pflanzen (MELVIN CALVIN)
  • Molekularstruktur der Nukleinsäuren (DNS, RNS) und ihre Bedeutung für die Informationsübertragung in lebender Substanz (FRANCIS HARRY COMPTON CRICK, JAMES DEWEY WATSON und MAURICE HUGH FREDERICK WILKINS)
  • Interpretation des genetischen Codes und dessen Funktion bei Protein-Synthesen (ROBERT W. HOLLEY, HAR GOBIND KHORANA und MARSHALL W. NIRENBERG)
  • holografische Methode (DENNIS GABOR)
  • Computertomografie (ALLAN M. CORMACK und GODGREY N. HOUNSFIELD)
  • Konstruktion des ersten Elektronenmikroskops (ERNST RUSKA)
  • Supraleitung in keramischen Werkstoffen (JOHANNES GEORG BEDNORZ und KARL ALEX MÜLLER)
  • Entwicklung tragbarer Computer (PIERRE GILLES DE GENNES)
  • neue Modifikation von festem Kohlenstoff; Fullerene (ROBERT F. CURL, HAROLD W. KROTO und RICHARD E. SMALLEY)
  • Entdeckung der Prionen als Ursache für Infektionen (STANLEY B. PRUSINER)

Die deutsche Wirtschaft erfuhr in den Zwanziger Jahren einen deutlichen Aufschwung, noch heute spricht man von den „Goldenen Zwanzigern“.
Katastrophale Folgen hatte der Börsenkrach vom 24. Oktober 1929 in New York, dem sogenannten „Schwarzen Freitag“, der eine Weltwirtschaftskrise auslöste.

Um den Druck auf das Krieg führende Japan zu erhöhen, warf die USA am 6. August 1945 auf Hiroshima und drei Tage später auf Nagasaki jeweils eine Atombombe. Dabei kamen Millionen Menschen ums Leben und noch heute leiden viele unter den Folgen der atomaren Strahlung.

Sowohl die USA als auch die UdSSR waren um die Eroberung des Weltalls bemüht.
Als Erstes gelang es der UdSSR 1957 einen künstlichen Erdsatelliten, Sputnik 1, ins All zu schicken.
Lunik 3 schickte ein Jahr später die ersten Bilder von der Rückseite des Mondes zur Erde.
1969 betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond.

Lebenslauf

ADOLF BUTENANDT wurde am 24.03.1903 in Bremerhaven - Lehe geboren. Er war der Sohn eines Kaufmanns.

Schon als Schüler war er stolzer Besitzer eines chemischen Labors, welches sich in der Wohnung seiner Eltern befand. Hier führte er analytische Arbeiten durch. Als er 1921 sein Studium der Biologie und Chemie an der Universität Marburg aufnahm, war er bereits bestens mit den Prinzipien der qualitativen Analyse vertraut.
Drei Jahre später wechselte er zur Universität Göttingen, wo er besonders von WINDAUS beeinflusst wurde, der auch sein besonderes Interesse an der Chemie förderte. Unter WINDAUS promovierte BUTENANDT 1927 zum Dr. phil. und 1931 folgte seine Habilitation für organische und biologische Chemie.
Gleichzeitig war BUTENANDT Leiter der organischen und biochemischen Abteilung des Allgemeinen Chemischen Labors der Universität Göttingen.

1933 erhielt BUTENANDT eine Berufung zum ordentlichen Professor an die Technische Hochschule in Danzig, der er folgte. Drei Jahre blieb er in Danzig bis er 1936 zum Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biochemie in Berlin-Dahlem ernannt wurde.
Daneben war BUTENANDT zwischen 1938 und 1945 Honorarprofessor an der Universität Berlin.

Bis 1941 konzentrierte sich BUTENANDT in seinen Forschungsarbeiten auf die Steroidhormone. Steroide sind Abkömmlinge, d. h. Derivate des Sterans (auch als „Gonan“ bezeichnet), einer Verbindung aus insgesamt 17 Kohlenstoff- und 28 Wasserstoffatomen, die zusammen vier verknüpfte Ringe bilden.
In den 20er und 30er Jahren war BUTENANDT entscheidend an der Entdeckung der männlichen Sexualhormone beteiligt. So konnte er 1929 unabhängig von E. A. DOISY das Follikelhormon Östron isolieren und kristallisieren. Zwei Jahre später folgte die Entdeckung und Isolierung des männlichen Sexualhormons Androsteron.
In den Jahren 1933 bis 1935 entdeckte er das Schwangerschaftshormon Progesteron sowie das männliche Keimdrüsenhormon Testosteron (nach „testes“ für Hoden). Die Synthese der Hormone schloss sich ab 1935 an.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biochemie nach Tübingen verlegt und unter
dem Namen MAX-PLANCK-Institut für Biochemie weitergeführt.

Ab 1945 war BUTENANDT als ordentlicher Professor für physiologische Chemie an der Universität Tübingen und gleichzeitig als Professor und Direktor des Physiologisch-Chemischen Instituts der Universität Tübingen tätig.

Nach 1941 befasste sich BUTENANDT mit dem Tryptophanstoffwechsel der Insekten. Tryptophan ist eine Aminosäure. So führte er Untersuchungen bei dieser Wirbellosengruppe durch, um die genetische Steuerung des Ab- und Umbaus von Tryptophan zu klären.
Dabei gelang ihm auch bei der Untersuchung der Vererbung der Augenfarbe der Mehlmotte die Entdeckung einer neuen, bisher unbekannten Klasse von Insektenfarbstoffen, den Ommochrome und Phenoxazonfarbstoffen.

1954 identifizierte, isolierte und kristallisierte BUTENANDT das Verpuppungs- und Häutungshormon des Seidenspinners, Bombyx mori, das Ecdyson.
In einer insgesamt fast zwanzig Jahre dauernden Arbeit gelang es ihm schließlich auch, den Sexuallockstoff des Seidenspinnerweibchens, mit dem es männliche Falter über Kilometer hinweg anlockt, das „Bombykol“ zu isolieren sowie seine Konstitution aufzuklären und es zu synthetisieren.

1956 erfolgte der Umzug des Max-Planck-Instituts nach München und auch hier folgte BUTENANDT als ordentlicher Professor für physiologische Chemie an die örtliche Universität.
Daneben war er von 1956 bis 1959 Direktor des Physiologisch-Chemischen Instituts der Universität München sowie 1956 bis 1971 ordentlicher Professor für physiologische Chemie, ebenfalls an der Universität München tätig.

BUTENANDT erforschte neben den Hormonen auch die chemische Natur der Viren und die biochemischen Grundlagen der Entstehung von Krebs.

1960 schließlich trat er die Nachfolge OTTO HAHNs als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft an. Dieses Amt bekleidete er über zwei Wahlperioden bis 1972.
Im gleichen Jahr zog er sich dann in den Ruhestand zurück.

Bereits 1939 war BUTENANDT der Nobelpreis für Chemie verliehen worden, den er jedoch erst 1947 entgegennehmen konnte.

ADOLF BUTENANDT starb am 18. Januar 1995 in München.

Bedeutende Leistungen

  • Isolierung und Kristalisierung des Folikelhormons Östron 1929
  • Isolierung des männlichen Sexualhormons Androsteron 1931
  • Isolierung des Schwangerschaftshormons Progesteron und des männlichen Sexualhormons Testosteron 1933 bis 1935
  • Isolierung und Kristallisierung des Verpuppungs- und Häutungshormons des Seidenspinners
  • Isolierung, Konstitutionsaufklärung und Synthese des Sexuallockstoffs des Seidenspinners

Interessante Storys, Anekdoten oder historische Dokumente (Originaltexte)

Im Interview vom 30. September 1993 erzählte BUTENANDT folgend Geschichte aus seiner Kindheit:

„...Die Chemie hat mich schon als Schüler begeistert. Ich hatte als Schüler ein chemisches Laboratorium in der Wohnung meiner Eltern und habe analytische Arbeiten gemacht. Als ich zur Universität kam, kannte ich die Prinzipien der qualitativen Analyse bereits vollständig. Es hat auch eine dazu passende nette Episode gegeben: in der analytischen Chemie braucht man für bestimmte Reaktionen Zyankalium als Komplexbildner. Und weil man das brauchte, habe ich versucht, Zyankalium zu kaufen, das konnte man nur, wenn man eine besondere Erlaubnis hatte und dann habe ich als Schüler einen Antrag auf Bezug von einem Gramm Zyankalium gestellt. Ich sehe noch, wie ich ihn im Landratsamt abgegeben habe. Das hat dann große Aufregung gegeben. Es kam eines Tages ein Polizist, klingelte, meine Mutter öffnete selber die Tür, und er sagte ganz scharf: „Haben Sie einen Sohn des Namens ADOLF BUTENANDT?“ Meine Mutter war ganz erschrocken, was ich wohl angestellt haben könnte, dass sich ein Polizist nach mir erkundigte. Dann sagte er, ich hätte also einen Antrag gestellt und wollte mich in den Besitz eines Giftes bringen, mit dem ich ganz Geestemünde vergiften könnte. Das sei sehr bedenklich und man müsste sich nach dem Sinn des Lebens des jungen Menschen wohl fragen. Es ist dann auch bis zur Schule vorgedrungen und ich hatte ein Gespräch mit dem Schuldirektor darüber, aber glücklicherweise hatten die alle sehr großes Verständnis für meinen Wunsch, und dass ich nicht die Absicht hatte, damit Unsinn zu machen, es wäre auch nichts passiert. Aber natürlich habe ich es nicht bekommen...“

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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