Exilliteratur

Themen der Exilliteratur

Eine besondere Bedeutung für die Exilliteratur hatte der historische Roman:

  • HEINRICH MANN schrieb seine „Henri Quatre“-Romane,
  • LION FEUCHTWANGER „Der falsche Nero“,
  • BERTOLT BRECHT „Die Geschäfte des Herrn Julius Cäsar“,
  • WILLI BREDEL „Die Vitalienbrüder” und
  • THOMAS MANN die „Joseph“-Tetralogie (1933–1943).
  • Auch STEFAN ZWEIG (1881–1942) mit seinen historischen Biografien „Marie Antoinette“ (1932), „Erasmus von Rotterdam“ (1935) und „Maria Stuart“ (1935) gehört in diesen Themenkreis.
  • ALEX WEDDING (1905–1966) hat den historischen Roman für die Kinder- und Jugendliteratur entdeckt („Die Fahne des Pfeiferhänsleins”, „Söldner ohne Sold”).

THOMAS MANN begann mit der Arbeit an „Lotte in Weimar“ am 11. November 1936. Er hatte den dritten Josephband gerade fertiggestellt. Der Roman erschien 1939.

„Lotte in Weimar“ beschreibt das fiktive Wiedersehen GOETHEs mit der Lotte aus dem „Werther“. Es sind inzwischen vierzig Jahre vergangen. Aus dem jugendlichen Stürmer und Dränger Goethe ist ein alter Mann geworden. Deshalb will sich Lotte auf den Besuch vorbereiten und empfängt im Weimarer Hotel „Zum Elephanten“ die unterschiedlichsten Leute, um sich über den „Dichterfürsten“ zu informieren. Goethes Sekretär Friedrich Wilhelm Riemer, Adele Schopenhauer und Goethes Sohn August werden zu einer „Audienz“ empfangen. Mittels dieser Figuren gelingt es THOMAS MANN, eine Biografie GOETHEs aus der Sicht seiner Vertrauten zu erstellen. Während Lotte nur aus der Sicht der liebenden Jugendlichen berichten kann, kennen die anderen ihn nur als den berühmten Dichter. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die drei Dialoge. Erst im siebenten Kapitel treffen Goethe und Lotte dann tatsächlich aufeinander. Allerdings verläuft ihr Treffen eher kühl und distanziert als herzlich.

„Lotte in Weimar“ ist mit LILLI PALMER, MARTIN HELLBERG, HILMAR BAUMANN in den Hauptrollen unter der Regie von EGON GÜNTHER 1974 von der DEFA verfilmt worden.

HERMANN BROCHs Roman „Der Tod des Vergil“ ist eines der größten Monumente der deutschen Exilliteratur. Der Roman geht auf eine Erzählung des Autors zurück: Das kurze Werk „Die Heimkehr des Vergil“ behandelt das Thema der „Literatur am Ende einer Kultur“. Im US-amerikanischen Exil bearbeitete BROCH seinen Erzählstoff.

Die vier Teile des Buches sind geprägt durch die vier Elemente: Wasser, Feuer, Erde und Luft. Der erste Teil spielt in Brundisium, im zweiten Teil führt uns BROCH in den Palast des Kaisers Augustus. Erfolg und Sturz erlebt der Dichter und das Bewusstsein, verantwortlich für die Gegenwart und Zukunft sein zu müssen. Im letzten Teil kehrt Vergil zum Sterben nach Brundisium zurück. Er beschließt, diese Verantwortung wahrzunehmen und seine berühmte „Aeneis“, das Nationalepos der Lateiner, zu vernichten: Den Tod erwartend, resümiert er sein Leben.

BROCHs Werk erlebte nur eine kurze Blüte. Als „Der Tod des Vergil“ 1945 in den USA erschien, wurde der Roman dort emphatisch begrüßt. Im Europa des Nachkrieges wurde das Buch kaum bemerkt. Das ist bis heute (fast) so geblieben: In Deutschland ist BROCHs Buch nur relativ wenigen bekannt.

Zwar gehört „Der Tod des Vergil“ heute zum anerkannten literarischen Kanon, ist also ein Buch, das jeder gelesen haben sollte, jedoch sperrt es sich wegen seiner Vielschichtigkeit gegen eine lineare Lesart. Das Buch braucht den aufmerksamen Leser. Aber die Mühe lohnt.

Österreichische Autoren beschäftigten sich mit dem Untergang der Donaumonarchie:

  • JOSEPH ROTH (1894–1939),
  • ROBERT MUSIL (1880–1942),
  • ERNST WEISS (1882–1940),
  • HERMANN BROCH (1886–1951) oder
  • STEFAN ZWEIG (1881–1942).

ROTHs „Legende vom heiligen Trinker“ (siehe PDF) handelt vom Obdachlosen Andreas Kartak, dem diverse „Wunder“ geschehen. Sie spielt zu Beginn der 1930er-Jahre und behandelt selbstreflektiv ROTHs Alkoholsucht. Das Werk erschien 1939 posthum.

Seine „Geschichten von der 1002. Nacht“ (1939, siehe PDF) wenden sich stofflich-thematisch zurück ins 19. Jahrhundert. Obwohl der Titel auf die altorientalischen Märchen aus Tausendundeiner Nacht anspielt, ist der Handlungsort Wien und die Hauptpersonen entstammen dem alten k.uk.-Milieu.

Gesellschafts- und Zeitromane des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus verfassten:

  • ANNA SEGHERS mit „Das siebte Kreuz“ und „Transit“ ,
  • LION FEUCHTWANGER mit „Exil“,
  • OSKAR MARIA GRAF mit „Der Abgrund. Ein Zeitroman“ (1936),
  • ERNST WEISS mit „Der Augenzeuge“ (siehe PDF "Ernst Weiss - Ich, der Augenzeuge" und PDF "Ernst Weiss - Der Verführer“),
  • IRMGARD KEUN (1905–1982) mit „Nach Mitternacht“ (1937).

ANNA SEGHERS' „Das siebte Kreuz“ berichtet von sieben entflohenen Häftlingen eines Konzentrationslagers, von denen sechs wieder eingefangen werden. Zur Abschreckung für die anderen werden sie an Kreuzen aufgehängt. Das siebte Kreuz aber bleibt leer. Der siebte Entflohene, Georg Häusler, kann sich mit Hilfe mutiger Deutscher verstecken und entgeht so dem Tode.
MARCEL REICH-RANICKI bezeichnete „Das siebte Kreuz“ als das beste Buch, das je eine Frau geschrieben habe.

In THOMAS MANNs Roman „Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde“ (1947) übernimmt der Erzähler Serenus Zeitblom die Rolle des Biografen, der das biografische Material ausbreitet, selbst aber am Rande der Geschichte stehen bleibt. Aus der Distanz im Deutschland der letzten Kriegsjahre erzählt er die Geschichte seines Jugendfreundes Adrian Leverkühn.
Adrian ist ein talentierter junger Klavierspieler, der sich zunächst gegen die Musik entscheidet, um Theologie zu studieren. Als er das Studium abbricht, um Musik zu studieren, gerät er immer stärker in die Fänge des Teufels. Um den Preis seiner Liebesfähigkeit schließt er mit dem Teufel einen Pakt: Ziel ist der musikalische Erfolg, die absolute Komposition.

Mit dem Alltag im nationalsozialistischen Deutschland beschäftigten sich auch die Kinderbücher

  • „Jan auf der Zille!“ von AUGUSTE LAZAR (1887–1970) und
  • „Elisabeth, ein Hitlermädchen“ von MARIA LEITNER (1892–1941).
  • MAX ZIMMERING (1909–1973) benutzte das Genre der Kriminalgeschichte in „Die Jagd nach dem Stiefel“. Kinder decken einen politischen Mord auf.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet der Krieg.

ÖDÖN VON HORVATHs „Jugend ohne Gott“ (siehe PDF) beschreibt die Generation des sogenannten Dritten Reiches aus der Sicht ihres Lehrers.

Der Lehrer steht zwischen „Pflicht“ und „Gewissen“: der Pflicht, die verlogene Ideologie der Nazis vermitteln zu sollen und dies mit seinem Gewissen nicht vereinbaren zu können.

Der Spanische Bürgerkrieg von 1936–1938 wurde international reflektiert. Schriftsteller vieler Länder nahmen in den internationalen Brigaden an den Kämpfen teil. Ihre Eindrücke schilderten

  • ANDRÉ MALRAUX (1901–1976) in „L'Espoir“ (1938, Die Hoffnung),
  • LOUIS ARAGON (1897–1982) in der Zeitung „Ce soir“,
  • ERNEST HEMINGWAY (1899–1961) in „For Whom the Bell Tolls“ (1940, Wem die Stunde schlägt),
  • BODO UHSE in „Leutnant Bertram“ (1944),
  • WILLI BREDEL in „Begegung am Ebro“ (1939).

Innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur spiegelte sich der Spanische Bürgerkrieg in

  • „Vier spanische Jungen“ (1938) von RUTH REWALD und
  • in FRIEDRICH WOLFs Hundegeschichte „Kiki“.

ALFRED DÖBLINs Spätwerk „Hamlet oder die lange Nacht nimmt ein Ende“ (1956 veröffentlicht) berichtet die Geschichte des schwerverletzt heimgekehrten Soldaten Edward, der in psychotherapeutischen Sitzungen, Geschichten erzählend, zur Heilung gelangen soll. DÖBLIN versuchte hier, mythologische Gestalten mit bekannten Stoffen zu verbinden und somit geschichtliche Dimensionen neu zu konstruieren. „Ein neues Leben begann“, endet der Roman.

Geschichte des jüdischen Volkes

„Das Hebräerland“ (1937) von ELSE LASKER-SCHÜLER und „An den Wassern Babylons“ (1940) von ROBERT NEUMANN (1897–1975) beschäftigten sich mit der Geschichte des jüdischen Volkes.

In der Lyrik des Exils wurde der Alltag im Nationalsozialismus, die Exilsituation thematisiert (J. R. BECHER: „Der Glücksucher und die sieben Lasten“ (1938).
Bei LASKER-SCHÜLER findet sich gehäuft das literarische Motiv Jerusalem wieder. Die Heimatlosigkeit der Exilanten bedeutete Sprechen ohne Publikum und Verlust der Sprache, Hilflosigkeit.

Schreiben bedeutete für die Schriftsteller jedoch auch ästhetische Selbstbehauptung. BRECHT attestierte dem Exil eine „schlechte Zeit für die Lyrik“, schuf jedoch selbst einige der bedeutendsten Gedichte des 20. Jahrhunderts.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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