Interpretation des Hildebrandslieds

Historische Zuordnung

Historisch kann die Entstehung des Stoffes für das „Hildebrandslied“ durch den Untergang Burgunds 437 und den Tod des Hunnenkönigs ATTILA (ETZEL) sowie durch die Ermordung ODOAKERs durch DIETRICH VON BERN 493 festgemacht werden.

Der historische DIETRICH VON BERN war der Ostgoten-König THEODERICH I. (DER GROSSE) von Ravenna.

Der historische HILDEBRAND soll um 445–520 gelebt haben und Waffenmeister DIETRICHs gewesen sein. Sein Name taucht auch im „Nibelungenlied“ und in der isländischen „Heimskringla“ auf.

Die im Gotischen nicht bezeugten -brand-Namen deuten auf langobardischen Ursprung. Die Langobarden waren ein ursprünglich aus Skandinavien stammender germanischer Stamm, der sich in Oberitalien ansiedelte. Ihr Reich zerfiel, als KARL DER GROSSE es 774 eroberte. Er ließ sich zum König der Langobarden ausrufen. Das Kennzeichern dieser Königswürde war die Eiserne Krone. Begrifflich ist der Stammname der Langobarden noch in dem Region-Namen „Lombardei“ vorhanden.

Das wohl zunächst mündlich tradierte „Hildebrandslied“ – die älteste deutsche Heldendichtung – wurde aus einem gotischen oder langobardischen Urtext ins Bairische umgearbeitet, und im Kloster Fulda hat offensichtlich ein Schreiber versucht, das Lied ins Niederdeutsche zu übersetzen. So besteht das „Hildebrandslied“ also aus:

  • langobardischen,
  • bairischen und
  • niederdeutschen Elementen.

Inhalt und Interpretation

Das „Hildebrandslied“ ist in seiner tradierten Form etwa um 770–780 entstanden. Es wurde von zwei Schreibern auf die freigebliebenen Außenseiten einer lateinischen theologischen Handschrift im Kloster Fulda geschrieben und besteht aus 68 stabreimenden Langzeilen.

„Ik gihorta ðat seggen, / ðat sih urhettun ænon muotin,/ Hiltibrant enti Haðubrant untar heriun tuem.“
(Vers 1–3)

Übersetzung:
Ich hörte berichten, / dass zwei Krieger aufeinanderstießen,/ Hildebrand und Hadubrand, zwischen ihren beiden Heeren.

Diese beiden erwähnten Krieger sind Vater und Sohn („dat Hiltibrant hætti min fater: ih heittu Hadubrant.“ Vers 17, stellt sich der Jüngere vor ).

Hildebrand, der Ältere, war einst von Odoaker, Sohn eines Skirenfürsten, zusammen mit Dietrich von Bern aus seiner Heimat vertrieben worden („floh her Otachres nid/ hina miti Theotrihhe enti sinero degano filu“, Vers 18–19). Nun stehen sich Vater und Sohn als Feinde zwischen ihren Heeren („untar heriun tuem“, Vers 3 ) gegenüber, denn Huildebrand kämpft im Heer der Hunnen.

Der Konflikt zwischen beiden eskaliert, denn wohl vermag der Vater, in dem anderen den Sohn, der Sohn jedoch nicht, in seinem Gegenüber den Vater zu sehen. Mitten im Kampf bricht die Handschrift ab:

do stoptun to samane staim bort chludun,/ heuwun harmlicco huitte scilti,/ unti imo iro lintun luttilo wurtun,/ giwigan miti wabnum ...

Übersetzung:

Da stießen sie zusammen, spalteten prächtige Schilde,/ zerhieben gefährlich die weißen Schilde,/ bis ihnen ihre Lindenschilde zu Bruch gingen,/ zerstört von den Waffen ... (Vers 65–68)

Spätere Quellen (isländische Sagensammlung „Edda“, vgl. PDF) legen den Schluss nahe, dass Hildebrand seinen Sohn im Zweikampf tötet.

Im „Jüngeren Hildebrandslied“ (aus dem 15.–17. Jahrhundert, siehe beide PDFs) allerdings überleben Vater und Sohn den Zweikampf:

„Ach Vater, liebster Vater, die Wunden, die ich dir hab geschlagen,
Die wolt ich dreimal lieber in meinem Haubte tragen.“
„Nun schweig, du lieber Sune:  der Wunden wirt gut Rat,
Seid das uns got all beide  zusammen gefüget hat.“

Auch die altnordische „Þiðreks saga“ (um 1280), die den Sagenkreis um Thidrek af Bern (Dietrich von Bern) beinhaltet, findet einen versöhnlichen Schluss.

Eine weitere Variante findet sich in der norddeutschen Sage von „Koninc Ermenrîkes Dôt“. Hier wird der Kampf zwischen Dietrich von Bern und dem fränkischen König Ermenrink in den Mittelpunkt gestellt.

Zwar ist das „Hildebrandslied“ vom alten germanischen Schicksalsglauben bestimmt, jedoch werden nicht germanische Götter angerufen, sondern der „waltant got“ = der waltende Gott (Vers 49). Dies zielt auf ein Umformen des alten Glaubens mithilfe germanischer Überlieferung: Die germanischen Gottheiten werden christianisiert und zu einem einzigen Gott: „irmingot“ = der große, der erhabene Gott (Vers 30).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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