Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel

FRIEDRICH VON SCHILLER begann sein Drama „Kabale und Liebe“ vermutlich 1782. Da hatte er bereits einiges in seinem Leben erlebt:

Werkgeschichte

1773, mit vierzehn Jahren, hatte der Sohn eines Militärarztes ein Studium der Medizin an der militärischen Pflanzschule des Herzogs KARL EUGEN (spätere Karlsschule) aufgenommen, doch nicht freiwillig: Der Herzog bestimmte den Lebenslauf seines Untertanen. Dieser wollte kein willfähriger Beamter werden, zur Verwaltung eines kleinen, absolutistischen Staates herangezüchtet, er fühlte sich den schönen Künsten hingezogen, zum Schriftsteller berufen, jedoch verbot man ihm das Schreiben von Gedichten und Dramen. Trotzdem begann er 1777 an seinem ersten großen Stück zu arbeiten: den „Räubern“. 1780 hatte er die erste Fassung des Stückes auf dem Papier, zeitgleich erfolgte die Entlassung aus der Karlsschule mit der Promotion (Thema: „Versuch über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“) und seine Anstellung als Regimentsmedikus im Grenadierregiment des Generals AUGÉ in Stuttgart. 1781 erschienen „Die Räuber“ im Selbstverlag, der Autor begann mit der Umarbeitung des Stückes für Bühne. Die Erstaufführung der „Räuber“ am 13. Januar 1782 in Mannheim wurde zu einem großen Erfolg für den jungen Mann. Für die Uraufführung hatte er sich illegal aus Stuttgart entfernt, KARL EUGEN strafte den aufsässigen Mann mit Arrest und Schreibverbot. Dieser floh nun am 22. September 1782 aus Württemberg, reiste über Mannheim, Frankfurt und Oggersheim bei Worms nach Bauerbach im Thüringischen. Mit ihm reiste sein Freund STREICHER. Er gab sich als Dr. Ritter aus, um unerkannt zu bleiben. In Bauerbach bei Weimar fand SCHILLER bei HENRIETTE VON WOLZOGEN Unterschlupf, die er schon aus Stuttgarter Tagen kannte. Nun begann er sein zweites großes Schauspiel. Die Erlebnisse in Württemberg dürften es gewesen sein, die in dem jungen Autor die Idee für das Stück „Kabale und Liebe“ reifen ließen.

SCHILLERs spätere Schwägerin CAROLINE VON WOLZOGEN (1763–1847) schrieb über die Hintergründe:

„Zur zweiten Vorstellung der Räuber, im Mai 1782, wagte er wiederum eine heimliche Reise; um sie ausführen zu können, ließ er sich als krank angeben; sie wurde entdeckt, und natürlich militärisch mit Arrest bestraft. Während dieses Arrestes war es, wo er den Plan zu Cabale und Liebe entwarf; und so erklären sich leicht die etwas grellen Situationen und Farben dieses Stückes.“

Der Musiker ANDREAS STREICHER (1761–1833) schrieb in seinem Buch „Schillers Flucht“ (1836)

„Ebenso beschäftigte er sich während der Fußreise, die wir von Mannheim nach Frankfurt machen mußten, trotz des Verdrusses über die fehlgeschlagenen Hoffnungen unablässig mit dem Plane eines neuen Trauerspiels 'Luise Millerin', und kaum konnte die herrliche Bergstraße sowie die damals noch vorhandenen Ruinen seine Gedanken auf einige Augenblicke ableiten. Selbst in Frankfurt, wo die gegenwärtige Verlegenheit sowie die finstere Zukunft alles Denken und Empfinden in Anspruch nahm, dichtete und arbeitete er doch immerfort .....“

Ende Dezember (SCHILLER war am 7. 12. 1782 in Bauerbach angekommen) schien das Stück bereits fertig und doch arbeitete er noch bis Mitte des Jahres 1783 daran weiter. Endlich interessierte sich der Mannheimer Theaterdirektor HERIBERT VON DALBERG, der bereits seine „Räuber“ aufgeführt hatte, für die „Luise Millerin“ (so der Titel der 1. Fassung, den eigentlichen Titel gab dem Stück der Schauspieler IFFLAND). SCHILLER schrieb an DALBERG am 3. April 1783:

„Eure Exzellenz verzeihen daß Sie meine Antwort auf Ihre gnädige Zuschrift erst so spät erhalten. ... E. E. scheinen, ungeachtet meines kürzlich mislungenen Versuchs noch einiges Zutrauen zu meiner Dramatischen Feder zu haben. Ich wünschte nichts, als solches zu verdienen, weil ich mich aber der Gefar, Ihre Erwartung zu hintergehen, nicht neuerdings aussezen möchte, so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen einiges von dem Stüke vorauszusagen. Außer der Vielfältigkeit der Karaktere und der Verwiklung der Handlung, der vielleicht allzufreyen Satyre, und Verspottung einer vornehmen Narren- und Schurkenart hat dieses Trauerspiel auch diesen Mangel, daß komisches mit tragischem, Laune mit Schreken wechselt, und, ob schon die Entwiklung tragisch genug ist, doch einige lustige Karaktere und Situationen hervorragen. Wenn diese Fehler, die ich EE. mit Absicht vorhersage, für die Bühne nichts anstößiges haben so glaube ich daß Sie mit dem übrigen zufrieden seyn werden. Fallen sie aber bei der Vorstellung zu sehr auf, so wird alles übrige, wenn es auch noch so vortreflich wäre, für Ihren Endzwek unbrauchbar seyn, und ich werde es beßer zurükbehalten. Dieses überlaße ich nun dem Urtheil EE. Meine Kritik würde zuviel von meiner Laune und Eigenliebe partizipieren.“

Die Erstausgabe verlegte 1784 die Schwanische Buchhandlung in Mannheim. Zur Uraufführung des Stückes kam es nicht in Mannheim unter DALBERG, sondern in Frankfurt am Main am 15. April 1784.

Inhalt des Stückes

(siehe PDF "Friedrich Schiller - Kabale und Liebe")
Ferdinand und Luise lieben sich. Doch Ferdinand ist der Sohn des adeligen Präsidenten und Luise die Tochter eines kleinen bürgerlichen Stadtmusikus. Das kann nicht gut gehen. Der Präsident, Ferdinands Vater, will den Sohn mit der schönen Lady Milford, der Mätresse des Herzogs, verheiraten. Er spekuliert auf Machtzuwachs bei Hofe. Und ausgerechnet sein Sohn weigert sich, der Karriere des Vaters förderlich zu sein.
Auch Luises Vater glaubt, dass die Liebe scheitern muss, einzig die Mutter fühlt sich geschmeichelt bei dem Gedanken, die Tochter könne den Adeligen heiraten und aus ihren Standesschranken womöglich fliehen.
Die Weigerung Ferdinands, die Pläne seines Vaters zu unterstützen, sich also von Luise zu trennen und Lady Milford zu heiraten, lässt in dem Präsidenten und seinem Sekretär Wurm, dem Nebenbuhler Ferdinands, eine Intrige reifen. Dieses gab dem Stück den Titel letzter Hand: Kabale = Intrige und Liebe.
Grundlos werden Luises Eltern verhaftet, man setzt Luise unter Druck, sie soll einen Liebesbrief an den Hofmarschall von Kalb schreiben, ansonsten würden die Eltern hingerichtet. Luise lässt sich aus Liebe zu ihren Eltern dazu hinreißen, diesen Brief zu schreiben. Außerdem soll sie schwören, ihn freiwillig geschrieben zu haben. Der Brief wird ihrem Bräutigam zugespielt. Luise gerät nun in Erklärungsnot, will freiwillig aus dem Leben scheiden, daran hindert sie der Vater, appelliert an die Treue zu ihm. Ferdinand vergiftet sich und Luise (Gift in der Limonade), und nun fühlt sich Luise, sterbend, nicht mehr an das Treuegelübde und an ihren Schwur gebunden: Sie offenbart Ferdinand die Kabale.

Bürgerliches Trauerspiel

SCHILLER nannte „Kabale und Liebe“ ein „bürgerliches Trauerspiel“ und setzte so in eine literarische Tradition fort, die durch GOTTHOLD EPHRAIM LESSING begründet wurde. Dieser hatte zuerst seine Tragödien „Emilia Galotti“ und „Miß Sara Sampson“ als bürgerliches Trauerspiel bezeichnet, somit kennzeichnend, dass auch der Bürger durchaus der Tragik fähig ist (bis LESSING galt, dass Bürgerliche als Hauptpersonen nur in Komödien auftauchen durften). LESSINGs und SCHILLERs bürgerliche Trauerspiele haben gemeinsam, dass die tragischen Konflikte zwischen dem Adel und dem Bürgertum kulminieren. Ist es in „Emilia Galotti“ (1772) die Bürgerliche Emilia, die dem Liebeswerben des adligen italienischen Prinzen Hettore Gonzaga nur durch den Tod entfliehen kann, ist es im ersten deutschen bürgerlichen Trauerspiel „Miß Sara Sampson“ (1755) die tugendhafte Miß Sara Sampson, die durch das Gift ihrer adeligen Nebenbuhlerin stirbt. Selbst SCHILLER benötigt 10 Jahre nach der „Galotti“ und 17 Jahre nach der „Sampson“ den Widerpart zwischen Bürgertum und Adel, um die Tragödie vollkommen werden zu lassen.

Eine zeitgenössische Rezension

Die zeitgenössische Rezension wurde in der Theaterbibliothek für Teutschland. Jg. 1784. Danzig, 1784, veröffentlicht.

„Da dieses treffliche Trauerspiel nun wohl schon auf den mehresten deutschen Bühnen bekannt seyn wird, und da uns bereits mehr als ein Recensent in der Anzeige desselben zuvorgekommen ist, so hoffen wir keinen Tadel zu verdienen, wenn wir uns hier so kurz wie möglich fassen, und dadurch Platz für die Bekanntmachung unbekannterer Stück ersparen. Dialog, Sprache, Charaktere und überhaupt die ganze Behandlung des Sujets sind so gerathen, wie wir es von Schiller bereits gewohnt sind. Fehler in einem Stücke auszusuchen, das an Schönheiten so reichhaltig ist, und wo diese jene bey weitem übertreffen, würde sehr unnütze, wenigstens höchst überflüssig seyn. Wir wollen daher unsere Leser bloß mit dem Inhalt dieses Stücks hier bekannt machen, ohne uns im geringsten auf eine kritische Zergliederung derselben einzulassen.

Major von Walter verliebt sich in Louisen, die Tochter eines Stadtmusikanten und schwört ihr ewige Treue. Sein Vater, der sich durch mancherley Ränke bis zu dem Posten eines Ministers an dem Hof eines deutschen Fürsten empor geschwungen hat, erfährt zwar dieses Liebesverständnis, sieht es aber anfänglich als eine bloße Galanterie an, die wohl von keinen fernern Folgen seyn dürfte. Um sich aber ganz in die Gunst des Fürsten einzuschmeicheln, der sich eben mit einer auswärtigen Prinzessin vermählen, und seine bisherige Maitresse, eine gewisse Lady Milfort, gern versorgt wissen will, sucht er seinen Sohn zu einer Verbindung mit dieser abgesezten Favoritin, die aber demohngeachtet noch immer sehr in Ansehen bey dem Fürsten steht, zu bereden. Der Major, theils aus Abscheu, sich mit der privilegierten Buhlerin zu vermählen, theils auch aus Liebe für Luisen, schlägt diesen Vorschlag geradezu aus. Ueber diese Widersetzlichkeit wird der Alte ganz in Harnisch gejagt, er fängt an einzusehen, daß die vermeinte flüchtige Verbindung seines Sohnes mit Louisen wohl weniger unbedeutend seyn dürfte, als er bisher geglaubt hätte, und beschließt daher, die beyden Liebenden zu trennen, es möchte auch kosten was es wolle.

Indessen geht der Major zur Lady, fest entschlossen, ihr seine ganze Verachtung fühlen zu lassen. Lady Milfort hört alle seine Vorwürfe gelassen an, erzählt ihm ihre Geschichte und macht ihn durch ihr edles, großes Betragen ganz verwirrt. - Da sie aber doch ihre Ansprüche auf ihn durchaus nicht aufgeben will, sondern vielmehr droht, solche auf alle nur irgend mögliche Weise geltend zu machen, so reißt sich der Major von ihr los, eilt zu dem Mädchen seines Herzens und erneuert ihr seine alten Schwüre von ewiger Liebe und Treue.
- Sein Vater, der Präsident, erscheint nebst verschiedenen Gerichtsdienern, er will die Millersche Familie arretieren und Louisen, als die Verführerin seines Sohnes an den Pranger stellen lassen. Der Major vertheidigt seine Geliebte mit all dem Muth, den ächte Liebe nur einflößen kann, da er aber dem ohngeachtet seinen Vater immer hartnäckig bleiben sieht, läßt er Louisen, die er bisher noch immer vor den Angriffen der Gerichtsdiener beschützet hat, fahren, blickt fürchterlich zum Himmel und bricht in folgende Worte aus:

»Du Allmächtiger bist Zeuge! Kein menschliches Mittel lies ich unversucht. - Ich muß zu einem teuflischen schreiten. - Ihr führt sie zum Pranger fort, indessen (zum Präsidenten ins Ohr rufend) erzähl ich der Residenz eine Geschichte, wie man Präsident wird.«(ab)

Der Präsident über die unvermuthete Drohung seines Sohnes bestürzt, befiehlt den Gerichtsdienern Louisen ledig zu lassen und eilt dem Major nach.

Indessen beruhigt doch der Alte sich bald wieder, wozu vornehmlich sein Sekretar Wurm, ein Kerl von dem schlechtesten Charakter, der gleichfalls in Louisen verliebt ist, von ihr aber verabscheut wird, durch sein Zureden das meiste beyträgt. Beide schmieden nun die schändlichste Kabale, um den Major zu zwingen von seiner Geliebten abzulassen. Wurm geht zu dem Mädchen und nöthigt sie ein Billet, welcher er ihr vorsagt niederzuschreiben. Nach einer Menge Drohungen von der einen und unendlichen Kampf von der anderen Seite, geschieht es, und Wurm zieht damit ab. Der Präsident trägt nun dem Hofmarschall von Kalb, dem fadesten Höfling, den je ein Theaterdichter schilderte, auf, dieses Billet als vonohngefähr, doch so, daß es der Major sehen müßte, auf der Parade fallen zu lassen. Dieser teuflische Anschlag gelingt nach Wunsch. Der Major, voll Wuth sich so schändlich von einem Mädchen, die er mehr als alles liebte, hintergangen zu sehen, sucht den Hofmarschall auf und fordert von ihm, indem er ihm eine geladene Pistole vorhält, das Geständnis seiner Bekanntschaft mit dem Mädchen. Der erschrockene Höfling beichtet unter Zittern und Zagen, daß er bloß vom Präsidenten dazu überredet sey, dieses Billet verstellterweise zu verlieren, ohne daß er das Mädchen, von welchem die Rede wäre, weder kenne, noch sie niemals mit Augen gesehen habe. Indessen glaubt der Major doch, daß er bloß aus Feigheit und um sein Leben zu retten, sein geheimes Verständnis zu Louisen zu leugnen suche; er stößt ihn daher voller Verachtung von sich und entschließt sich die blutigste Rache an seiner falschen, treulosen Geliebten zu nehmen.

Erfüllt von diesem grausamen Gedanken, erscheint er bey Louisen und sucht unter dem Vorwand seinem Vater eine Brief überschicken zu müssen, den alten Miller, den er bey ihr antrift zu entfernen, vorher aber hat er sich ein Glas Limonade bringen lassen. Louise begleitet ihren Vater bis zur Hausthür, während dem der Major geschwinde Gift in die Limonade schüttet. Sobald Louise wieder bey ihm ist, bricht er in die bittersten Vorwürfe gegen sie aus, erstaunt aber nicht wenig über die Gelassenheit, die sie bey alle dem bezeugt. Da er indessen doch von ihrer Treulosigkeit hinlänglich überzeugt zu seyn glaubt, so trinkt er etwas von der Limonade und giebt sie ihr zugleich zu schmecken, unter dem Vorwand, als ob das Getränke nicht stark genug wäre. Kaum hat sie getrunken, so dringt der Major von neuem in sie, in der fürchterlichsten Bewegung fällt er vor ihr nieder und ruft aus:

»Luise hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt - stehst du - vor Gott!«

Die Unglückliche fängt nun einzusehen, daß sie Gift bekommen hat, und stößt die bittersten Klagen darüber aus, zugleich überführt sie aber auch den Major von ihrer Unschuld, vergiebt ihm ihren Tod, und stirbt. - Indem erscheinen der Präsident, Wurm und der alte Miller, sie finden Louisen bereits verschieden, und den Major in konvulsivischen Verzuckungen. Von Verzweiflung und Reue zerfleischt, versucht der Präsident den unseeligen Augenblick, worin er zuerst Wurms teuflischen Anschlag Gehör gegeben. Ferdinand, nachdem er noch zuvor den unglücklichen Miller um Verzeihung gebeten, giebt seinen Geist auf. Der Präsident läßt aber sogleich den abscheulichen Wurm festnehmen und begibt sich, um sein Verbrechen durch seinen Tod einigermaßen zu versühnen, gleichfalls freiwillig in Arrest. -“
(zitiert nach: Theaterbiliothek für Teutschland. Jg. 1784. Danzig, 1784. Zweytes Stück. S. 13-20.)

Diese und weitere zeitgenössische Rezensionen finden sich in der PDF-Datei "Zeitgenössische Rezensionen zu „Kabale und Liebe“".

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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